Das Desaster der österreichischen Corona-Politik

Nachdem Österreich relativ glimpflich und als selbsternannter Vorzeigeschüler der Welt durch das Frühjahr gekommen ist, hat die zweite Covid-19 Welle zu einer Explosion der Neuinfektionen geführt. Dahinter steht eine gescheiterte Politik der türkis-grünen Bundesregierung von Sebastian Kurz, die sich zwischen unternehmerfreundlicher Politik und dem Abwenden des Kollapses des Gesundheitswesens hin und her bewegt.

 Schon im Frühling hat sich gezeigt, dass sich kapitalistische Interessen und Eindämmung der Pandemie nicht vertragen. Erst zwei Wochen nach den ersten Corona-Fällen und zehn Tage nach der Einstufung des Tiroler Ski-Ortes Ischgl als Risikogebiet durch die Isländische Regierung wurden die Lokale geschlossen. Die Eindämmung des Virus sollte den Abschluss der Ski-Saison und die damit verbundenen Profite für die Tourismusindustrie und Seilbahnbetreiber nicht gefährden.

Das Corona-Cluster um das Après-Ski-Lokal „Kitzloch“ in Ischgl konnte sich dadurch unkontrolliert ausweiten, die plötzliche und unkoordinierte Ankündigung der Quarantäne führte zu fluchtartigen Rückreisen und hat maßgeblich zur Verbreitung des Virus auf den Rest Österreichs, aber auch auf viele andere (europäische) Länder beigetragen. Im Sommer wurde die Schuld jedoch den Menschen mit Migrationshintergrund zugeschoben, die das Virus „eingeschleppt“ hätten.

Vom 1. Lockdown zur 2. Welle

Mitte März kam es zum ersten harten Lockdown: Gesetze und Verordnungen über Ausgangssperren, Besuchsverbote und Schließungen von Branchen wurden verhängt, Kindergärten, Schulen und Hochschulen geschlossen und Home-Office – wo möglich – angeordnet, jedoch Unternehmer*innen dazu nicht verpflichtet.

Die strikten Maßnahmen wurden breit befolgt, allerdings auch restriktiv durchgesetzt und oft wurden willkürlich Verwaltungsstrafen verhängt. Mittlerweile hat der Verfassungsgerichtshof die meisten der Gesetze aufgehoben. Dieser restriktive Umgang sowie der einsetzende Sommer drückten die Zahl der Neuinfektionen deutlich nach unten.

Von da an setzte die Regierung trotz zahlreicher Warnungen vor der 2. Welle keine Eindämmungsmaßnahmen mehr, keine Vorbereitungshandlungen und schob die Verantwortung schlichtweg an die Bevölkerung mit dem Credo der Eigenverantwortung ab.

Frei nach dem Motto, wenn ich das Virus nicht sehe, sieht es mich auch nicht und so steuerte die Regierung blind und taub in die 2. Welle.

Nach einem exponentiellen Anstieg seit Juli, waren die Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner*innen im November weltweit die höchsten. Die lange ausgearbeitete Corona-Ampel für die einzelnen Bezirke war schon nach wenigen Wochen obsolet: ganz Österreich dauerhaft rot. Wer daran schuld ist, wurde uns in zahlreichen Pressekonferenzen mitgeteilt: die Bevölkerung natürlich, die sich in ihrer Freizeit angeblich auf Garagenpartys, Massentreffen und dergleichen das Virus weiterreichte, dass die meisten Ansteckungen jedoch am Arbeitsplatz und in Pflegeeinrichtungen aufgrund des Mangels an Personal und Arbeitsschutz erfolgten, wird dabei geflissentlich verschwiegen.

Anfang November wurde ein unwirksamer softer Lockdown verhängt, was bedeutete, dass Wirtschaft, Arbeit und Kündigungen weiter liefen, Soziales und Freizeit jedoch verboten wurden.

Darauf folgte ein harter Lockdown, trotz hoher Infektionszahlen eine Öffnung für das Weihnachtsgeschäft und nach den Ausnahmetagen 24. und 25. Dezember wieder ein harter Lockdown. All dieses Hin und Her konnte die 7-Tages-Insidenz jedoch nur von 600 auf 150 reduzieren, was weiterhin viel zu hohe Zahlen sind.

Die Farce um das Testen

Seit Sommer funktioniert Testen und Contact-Tracing nicht mehr wie es sollte, das System war schlichtweg überlastet. Eine systematische Teststrategie gab und gibt es nicht.

Kanzler Kurz ist ohne andere zu informieren mit Massentests vor Weihnachten an die Öffentlichkeit getreten. 10 Millionen Tests wurden gekauft, durch das kurzfristige Bestellen mussten 27 Millionen Euro mehr bezahlt werden als in der Slowakei. Das widersprüchliche Verhalten der Regierung, trotz Message-Control gegenüber der Bevölkerung führte dazu, dass sich nur wenig freiwillig testen ließen und schlussendlich nur ca. 2 Millionen Tests gebraucht wurden, die andern sind übrig geblieben. Vielleicht ist auch das ein Grund für Kurz an seiner Massenteststrategie festzuhalten und als Belohnung die Möglichkeit einzuführen sich Ende Jänner eine Woche früher aus dem Lockdown „freizutesten“. Dieser Plan scheiterte allerdings an der Blockade der Opposition.

Statt all dem wäre es notwendig systematisch für niedrige Infektionszahlen zu sorgen, durch ein permanentes gratis Testangebot, funktionierendem Contact-Tracing und einer nachvollziehbaren Impfstrategie, anstelle einmaliger Momentaufnahmen und unrealistischer Restriktionen.

Österreich und Corona – ein Drama in mehreren Akten ohne Applaus, aber mit vorhersehbarem Ausgang: Die Reichen wurden reicher, das Gesundheitssystem steht am Abgrund und die Arbeiter*innenklasse verreckt an dem Virus Kapitalismus.

Lockdown im Privaten, Business as usual…

In der ersten Welle galt Deutschland als Corona-Musterland. Doch die Infektionszahlen stiegen im Herbst heftig. Sie stagnieren jetzt auf hohem Niveau, die Überlastung der Krankenhäuser verschlimmert sich.

Arbeitende zahlen seit Beginn der Pandemie auf vielfältige Weise. Die Arbeitslosigkeit ist statistisch um 1% gestiegen (auf 5,9%). Tatsächlich sind Menschen mit prekären Jobs, die Jungen und die migrantischen Beschäftigten am Stärksten von Jobverlust betroffen. 2020 war das Jahr der Kurzarbeit. Höchststand war im April mit 6 Millionen; im Oktober waren es immer noch 2 Millionen. Die Anmeldungen von Kurzarbeit steigen wieder. Dazu kommen die massenhaften Entlassungen, die 2020 angekündigt wurden. Neue Umfragen zeigen, dass 40% von Einkommensverlusten betroffen sind. Jeden trifft das unterschiedlich, aber betroffen sind alle.

Deutschland:

Bei jedem neuen Lockdown-Beschluss wurden private Kontakte weiter eingeschränkt. Die Politik hat immer die starken Großkonzerne im Blick, die am Laufen gehalten werden sollen. Im November erlebten wir den „Lockdown light“. Private Zusammenkünfte wurden eingeschränkt, seitdem sind Kulturbetrieb und Gastronomie geschlossen. Für viele Selbstständige nimmt das Desaster kein Ende… der Einzelhandel, die allermeisten Betriebe und Schulen blieben geöffnet. Ab Mitte Dezember wurde mit einem „harten“ Lockdown auch der Einzelhandel geschlossen. Und jetzt neu: Noch weniger private Kontakte, Entfernungsbeschränkung auf 15 km in Gebieten mit hoher Inzidenz. Bei Schulen und Kitas ist die Lage unübersichtlich. Alle Maßnahmen sind begleitet von Appellen an die Bevölkerung. Doch am Arbeitsplatz, wo weiter gearbeitet wird, und auf dem Weg zur Arbeit hat sich kaum etwas geändert. Das Virus kann das Leben in vollen Zügen genießen.