Buchrezension: Kim Stanley Robinson „New York 2140“

Was passiert, wenn der Klimawandel nicht gestoppt wird? Kim Stanley Robinson beschreibt in seinem 2018 erschienenen Roman ein mögliches Szenario.

New York steht 2140 größtenteils unter Wasser – und ist weiterhin ein Zentrum des globalen Finanzkapitalismus. Millionen Menschen wohnen in Hochhäusern, gehen ihren Jobs nach und bewegen sich mit Booten oder auf Hochbrücken durch die Stadt. Während die Eliten in Penthouse-Wohnungen leben, müssen sich die meisten Arbeitenden mit Großraumschlafzimmern zufriedengeben. Die soziale Ungleichheit ist so groß wie nie zuvor.

Durch das Schmelzen des antarktischen und grönländischen Eises haben zwei Flutwellen den Meeresspiegel um 15 Meter steigen lassen. Weder Hochwasserschutz noch Geoengineering konnten die Küsten retten. Es folgten Wirtschaftskrisen, Hungersnöte, Migrationswellen, Artensterben, Austeritätprogramme und Unterdrückung. Ein großer Teil der Menschheit starb.

Robinson erzählt abwechseln in kurzen Kapiteln die Geschichten von verschiedenen BewohnerInnen der Metropole, die sich im Laufe des Buches miteinander verwickeln. Dem Börsenspekulanten, einer Polizeiinspektorin, einer Sozialarbeiterin, eines Internetstars, eines Hausmeisters, zweier jugendlicher Wohnungsloser, zwei Programmierern, die versuchen sich mit den kapitalistischen Algorithmen anzulegen.

Insgesamt beschreibt der Roman die Folgen der profitorientierten kapitalistischen Wirtschaftsweise, welche nicht fähig war den Klimawandel zu stoppen. Sie ist allerdings dadurch auch nicht zusammengebrochen, sondern funktioniert weiter – zumindest für das reichste Prozent.

Jenseits des großen Geldes wimmelt es von unterschiedlichen Menschen und ihrem Kampf ums (Über)Leben – durch die Organisierung in Genossenschaften, Hausbesetzungen und Verteidigung von Wohnraum gegen Investoren, der Suche nach Unterwasserschätzen und der gegenseitigen Hilfe in der Not. Das 800-seitige Buch liest sich schnell und ist spannend. Die Beschreibung der Straßen und Gegenden von New York nimmt für Unkundige etwas viel Raum ein. Abgesehen davon zeigt es ein realistisches Zukunftsszenario, in dem alte Probleme weiter bestehen und neue dazugekommen sind. Das Buch bestärkt den Kampf gegen den Klimawandel und gegen das kapitalistische System, unabhängig ob vor oder nach dem Hochwasser.

Leider flacht das letzte Kapitel etwas ab. Trotz dem Starten eines (Miet-)Streiks und einer „Revolution“ wird am Ende doch ein explizit keynesianischer (staatliche Eingriffe in den Kapitalismus) und institutioneller Weg eingeschlagen. (Hier kann der Einfluss der Bewegung am linken Flügel der Demokraten um Sanders, Ocasio-Cortez und Co. festgestellt werden, die wir in einem anderen Artikel analysieren.) Nichtsdestotrotz bleibt die Lektüre, die verschiedene interessante soziale, ökologische, wirtschaftliche, technische und geologische Aspekte anspricht, empfehlenswert.