Geschichte der sandinistischen Revolution

Nicaragua: Die von Daniel Ortega mit angeführte sandinistische Revolution in Nicaragua war für viele Linke ein Hoffnungsschimmer. Heute werden Proteste der Jugend gegen Ortegas Regime von Staat und Paramilitärs niedergeschlagen. Die FSLN (Sandinistische Nationale Befreiungsfront) ist in den 90ern mit Teilen der Bourgeoisie verschmolzen und hat sich als „sandinistische“ Kapitalfraktion etabliert. Trotzdem gibt es in der Linken Diskussionen darüber, ob die Proteste der Jugend legitim und unterstützenswert sind, oder die FSLN und Ortega gegen eine von den USA initiierte konterrevolutionäre Bewegung verteidigt werden müssen. Mit dem Artikel von 1998 zu den Hintergründen der sandinistischen Revolution wollen wir zeigen, dass die Unterordnung der SandinistInnen unter das Bürgertum vor, während und nach der Revolution in ihrer politischen Konzeption angelegt war und eine Entwicklung zum Sozialismus dadurch unmöglich machte.

Die sandinistische Revolution in Nicaragua

von Markus Kadlec, aus Revolutionen nach 1945 (1998)

Nicaragua ist ein Land in Mittelamerika mit (aktuell) rund vier Millionen Einwohnern, es liegt zwischen El Salvador und Honduras im Norden und Costa Rica im Süden. Die sandinistische Revolution unter Führung der FSLN (Frente Sandinista de Liberacion Nacional) gipfelte am 19. Juli 1979 in einem Aufstand, der das reaktionäre, pro US-amerikanische Somoza-Regime in Nicaragua stürzte. Diesem Aufstand waren mehrere Jahre Guerillakrieg gegen die seit Jahrzehnten regierende Somoza-Diktatur vorausgegangen, während dem rund 50.000 Menschen starben. Im darauffolgenden Kampf gegen die von den USA finanzierten Contras sind weitere 60.000 Nicaraguaner getötet worden.

Die sandinistische Revolution war sicherlich die tiefgreifendste demokratische Revolution in Lateinamerika seit der Revolution in Kuba 1959. Sie erregte in den achtziger Jahren weltweit die Aufmerksamkeit der gesamten Linken, die sich in verschiedensten Solidaritätsvereinigungen für Nicaragua organisierte. Allerdings hingen auch die Sandinisten dem stalinistischen Programm einer “demokratischen Etappe“ der Revolution an. In diesem Artikel soll gezeigt werden, warum dieses Dogma auch im Falle der nicaraguanischen Revolution zu einer Schlinge um den Hals des Proletariats und der kleinen Bauern werden musste.[1]

Dass die sandinistische Politik gescheitert ist, kann an der aktuellen Lage in Nicaragua leicht gesehen werden. Sicherlich führte die Revolution trotz aller ihrer Beschränkungen zur Etablierung einer Reihe von Verbesserungen für die nicaraguanische Bevölkerung. Durch Alphabetisierungsprogramme wurde der Anteil der Analphabeten in der Bevölkerung drastisch reduziert (von 52 Prozent auf 12 Prozent, inzwischen stieg der Anteil wieder auf rund 30 Prozent). Durch die Verbesserung der Gesundheitsversorgung konnte die Kindersterblichkeit erheblich gesenkt werden, und die Organisierung von Frauen in den sandinistischen Organisationen, unter anderem im Heer, war zumindest ein Schritt gegen die Frauenunterdrückung.

Seit 1990 sind die Neo-Somozisten wieder an der Regierung. Ihre liberale Partei unter Führung von Roberto Alemán, der die letzten Präsidentenwahlen im Herbst 1996 gegen den Kandidaten der FSLN, Daniel Ortega, gewann, greifen aber sogar die minimalen Errungenschaften dieser Revolution mit aller Vehemenz an, um ihr Austeritätsprogramm umzusetzen. So soll der verstaatlichte Telekommunikations- und Energiesektor privatisiert werden. 60 Prozent der Bevölkerung leben in-zwischen unter der sogenannten Armutsgrenze.

Zentraler Bestandteil des liberalen Programms ist die Rückgängigmachung der von den Sandinisten veränderten Eigentumsverhältnisse auf dem Land. Rund 300.000 landlose Bauernfamilien hatten aus den beschlagnahmten Gütern des Somoza-Clans eigenes Land erhalten, dies soll nun durch Zwangsräumungen an die früheren Eigentümer zurückerstattet werden. Nach der Präsidentschaftswahl 1996 initiierte die Frente Sandinista einen Nationalen Dialog, der zwischen der Regierung und der Opposition geführt werden sollte. Dieses Mittel zur Abwehr der frontalen Angriffe des liberalen Alemán gegen die noch bestehenden Errungenschaften der Revolution ist selbstverständlich reichlich untauglich. Ob dies aber auch die sandinistische Führung um Daniel Ortega eingesehen hat, ist fraglich. Sie meint allerdings in ihrem Kommuniqué international, dass sie den sich gegen diese Angriffe formierenden Widerstand der bäuerlichen Bevölkerung „zu stärken und zu unterstützen“ gedenke.[2]

Der Sandinismus und der Kampf der FSLN

Seit Mitte des 19. Jahrhunderts ist die Geschichte Nicaraguas eine Geschichte der schrittweisen Eingliederung des Landes in die Einflusssphäre des US-Imperialismus und damit der Umwandlung zu dessen Halbkolonie. Im Jahre 1910 legte die Dawson-Konvention u.a. fest, dass der Präsident Nicaraguas nach Absprache mit den USA zu bestimmen sei. 1927 wurde auf Initiative der USA die Guardia Nacional (Nationalgarde) gegründet, als deren Oberbefehlshaber der seinen Herrn in den USA treu ergebene Anastasio Somoza Garcia eingesetzt wurde. Es war der legendäre General Augusto César Sandino (1895-1934), der 1927 durch die Bewaffnung einer kleinen Gruppe von Bergarbeitern den Grundstein für ein “Verteidigungsheer der nationalen Souveränität Nicaraguas“ legte. Mit der 6000 Mann starken, hauptsächlich aus armen Bauern rekrutierten Rebellenarmee kämpfte er gegen die US-Truppen, die Nicaragua zwischen 1927 und 1932 besetzt hielten. Sandino führte diese Bewegung im Februar 1933 allerdings durch seine Einwilligung in ein Abkommen mit dem hinter der einheimischen Bourgeoisie stehenden US-Imperialismus und den einheimischen bürgerlichen Parteien in die Niederlage. Dieses Abkommen beinhaltete nicht nur den Abzug der US-Truppen sondern auch die Entwaffnung seiner Armee und ermöglichte dadurch die brutale Verfolgung seiner Anhänger, in deren Zuge ab 1936 mit Unterstützung der USA die Diktatur des Somoza-Clans errichtet wurde, die über 40 Jahre lang das Land terrorisieren sollte.[3]

Die Frente Sandinista de Liberacion Nacional (Sandinistische Front der nationalen Befreiung) wurde im Juli 1961 unter dem Eindruck der kubanischen Revolution durch Carlos Fonseca Amador, Silvio Mayorga und Tomas Borge (einziges überlebendes Gründungsmitglied, wurde nach der Machtergreifung Innenminister) gegründet. Alle drei waren zuvor Mitglieder der stalinistischen PSN (Partido Socialista Nicaraguense) gewesen und hatten aktiv am Untergrundkampf gegen die Diktatur Somozas teilgenommen. Fonseca brach mit der PSN auf Grund ihrer Einstellung zum bewaffneten Kampf, den diese ablehnte. Er trat für einen Guerillakrieg zum Sturz des Somoza-Regimes nach dem Vorbild Sandinos, der vietnamesischen KP beziehungsweise in Anlehnung an die Guerillastrategie Che Guevaras ein. Die FSLN richtete sich in der Folge nach Che Guevaras Focus-Strategie aus. Kleine Guerilla-Gruppen sollten, gestützt auf die Bauernschaft, die staatlichen Streitkräfte schlagen und dadurch aufständische Aktivitäten bei den Bauern und Landarbeitern entwickeln. Die Guerilleros als Avantgarde militärischer Kämpfer agieren dabei notwendigerweise abgehoben von alltäglichen Massenkämpfen, vor allem von solchen des städtischen Industrieproletariats. FSLN-Mitbegründer Carlos Fonseca Amador meinte dazu kurz vor seinem Tod im Jahre 1976: “Ein in die Berge versetzter Arbeiter wird endgültig zu einer Gefahr für das somozistische Regime und sein System. Er wird zu einer viel größeren Gefahr als der ökonomische Streik, den hunderte Arbeiter in einem Produktionszentrum durchführen, und, ohne Ironie, trotz der Bedeutung, die die Mobilisierung der Arbeiter zum Kampf um die Erfüllung ihrer Forderungen hat.“[4] Nachdem es während der sechziger Jahre zu mehreren Rückschlägen im Guerillakampf gekommen war, beschloss die FSLN 1970 die (vorübergehende) Einstellung aller bewaffneten Aktionen. Stattdessen wurden die Anstrengungen auf den Aufbau sogenannter intermediärer Organisationen in den Städten gelenkt, und es entstand zum Beispiel die Frente Estudiantil Revolucionario (FER, Revolutionäre Studentenfront). Diese Organisationen hatten die Aufgabe, wirtschaftliche Unterstützung für die Guerilla zu organisieren und Mitglieder zu rekrutieren. Die Erfolge und Misserfolge der FSLN waren in der Folge eng mit dem Zyklus der nicaraguanischen Wirtschaft verknüpft.

In der ersten Hälfte der 70er Jahre expandierte die nicaraguanische Wirtschaft, das Nationaleinkommen stieg um das Zweieinhalbfache, und der verarbeitende Sektor wuchs beträchtlich. Dies war einerseits eine Folge der Eingliederung Nicaraguas in die von den USA 1962 ins Leben gerufene Allianz für den Fortschritt, eine Art Mini-Marshallplan zur Bekämpfung des Kommunismus, andererseits eine Folge der Bildung des zentralamerikanischen gemeinsamen Marktes. Ab Mitte der siebziger Jahre trat jedoch eine schwere wirtschaftliche Rezession ein. Dem verheerenden Erdbeben 1972 folgte eine ganze Reihe industrieller Kämpfe, aus denen hauptsächlich die PSN einen Vorteil ziehen konnte, so führte sie zum Beispiel die Kämpfe der Bauarbeiter 1973 und die darauffolgende Streikwelle an. Die FSLN richtete sich weiterhin nur sehr bescheiden auf die Kämpfe der Arbeiterklasse aus.

 Da die FER offensichtlich nicht genügend finanzielle Unterstützung unter den Studenten auftreiben konnte, griff die FSLN auf andere Geldbeschaffungsmethoden zurück. Durch die Geiselnahme führender Somozisten auf einer Dinner-Party im Dezember 1974 konnten hohe Lösegeldzahlungen erzwungen werden. Das Regime reagierte darauf allerdings mit massiver Militärrepression nicht nur gegen die Sandinisten, sondern gegen alle oppositionellen Gruppen. Nachdem der Guerillakampf aufgrund dieser Regierungsoffensive weitere schwere Rückschläge zu verzeichnen hatte, kam es zu einer Krise innerhalb der FSLN und in der Folge zu einer Spaltung in drei Tendenzen:

Die Tendencia Proletaria (proletarische Tendenz) um Jaime Wheelock, Luis Carrion und Carlos Nunez forderte eine stärkere Ausrichtung auf die städtische Arbeiterklasse und unterstrich die Notwendigkeit einer “marxistisch-leninistischen“ Partei. Sie verstand sich als “Embryo einer zukünftigen revolutionären Partei der Arbeiterklasse“.[5]

Die Tendenz des Verlängerten Volkskrieges um Tomas Borge, Henry Ruiz und Bayardo Arce verfocht die orthodoxe Guerillastrategie der FSLN nach dem Vor-bild der chinesischen und vietnamesischen KPs: Auf Grund der “politischen Rückständigkeit“ der Massen sei ein langandauernder Guerillakrieg auf dem Land nötig. Dieser solle die Massen erziehen und bei der Entwicklung des sozialistischen Bewusstseins helfen.

Die Terceristas (Dritte Tendenz oder auch Tendenz des Aufstandes) um die Brüder Ortega, Victor Tirado Lopez und Plutarco Hernandez befürworteten die Strategie eines kurzfristigen Aufstandes, da aufgrund der Entfremdung der Bourgeoisie vom Regime und der fließenden Natur der Mittelklassen ein breite Allianz mehrerer Klassen möglich und notwendig sei, um Somoza zu stürzen. Die aus engagierten Christen, Akademikern und Studenten gebildete Tendenz war bald die stärkste innerhalb der FSLN. Sie genoss auch eine gewisse Respektabilität bei breiten Sektoren der Bourgeoisie durch ihre Verbindung zur internationalen Sozialdemokratie und zu “progressiven“ Regimes im übrigen Lateinamerika. Bei der Wiedervereinigung der drei Tendenzen im Jahr 1978 war die Macht zwischen den drei Tendenzen aufgeteilt, die Terceristas bestimmten allerdings die Politik.

Im 1978 herausgegebenen Kommuniqué des Nationalen Direktoriums findet sich die Perspektive der FSLN im Kampf für den Sozialismus. Hier tritt die sandinistische Etappenkonzeption der Revolution klar zu Tage: “Der bewaffnete Aufstand der Massen ist ein Mittel zur Erreichung des revolutionären Sturzes der Somoza-Dynastie und zur Eröffnung eines Prozesses der Volksdemokratie, die es unserem Volk erlauben wird, demokratische Freiheiten zu genießen, einen günstigeren Rahmen, in dem die für den /auf unbestimmte Zeit verschobenen/ Marsch zur völligen nationalen Befreiung und zum Sozialismus erforderlichen revolutionären Energien gesammelt werden können“.[6]

Während die Mehrheitstendenz lediglich die Enteignung der Besitzungen Somozas forderte, trat die Tendencia Proletaria 1978 für die Liquidation des gesamten Großgrundbesitzes, für die Verstaatlichung der Banken, der ausländischen Firmen und der Grundstoffindustrie sowie für ein staatliches Außenhandelsmonopol ein. Allerdings hatten weder die Tendencia Proletaria noch die Tendenz des verlängerten Volkskrieges (bei der Vereinigung Ende 1978) die Perspektive eines Sturzes der bürgerlichen Herrschaft und der Errichtung eines Arbeiterstaates als Ergebnis der Revolution. Alle drei Tendenzen gingen von einer Periode der “Volksdemokratie“ und einer “gemischten Wirtschaft“ (das heißt im Klartext einer kapitalistischen Wirtschaft) aus.

Der Sturz Somozas

Wie konnte nun nach beinahe zwanzig Jahren erfolglosen Guerillakampfes im Juli 1979 die Diktatur gestürzt werden? Es war vor allem die schwere wirtschaftliche Krise Ende der siebziger Jahre, die zu einer tiefgreifenden Differenzierung und zu Brüchen innerhalb der nicaraguanischen Bourgeoisie führte und die schließlich ab 1978/79 alle Vorbedingungen einer revolutionären Situation komplettierte.

Die nicaraguanische Bourgeoisie zerfiel in drei bedeutende Fraktionen, welche aus Unternehmergruppen bestanden, die um zentrale Bankhäuser gruppiert waren: Die Gruppe um die Banco Nicaragüense (BANIC) mit ihren Verbindungen zur Chase Manhattan Bank in den USA hat ihre Ursprünge in der alten Liberalen Partei der Großgrundbesitzer und der Baumwollexporteure. Die Gruppe um die BANAMERICA, verbunden mit Wells Fargo und der Citybank in den USA, entstand aus den mit der Konservativen Partei verbundenen Händlerkreisen um Granada und vertrat die Interessen der Viehzüchter und Zuckerplantagenbesitzer. Den Kern der dritten Gruppe schließlich bildete der Somoza-Clan.

 Der Somoza-Clan hatte dank der vollen militärischen und ökonomischen Unterstützung des US-Imperialismus seit 40 Jahren die Regierung unter Kontrolle gehabt. Die ökonomische Basis dieser Familie war ihre Kontrolle über ein gewaltiges Agrar-, Handels-, Industrie-, und Bankenimperium. Neben rund 20 Prozent des landwirtschaftlich genutzten Bodens, auf dem hauptsächlich Baum-wolle, Tabak, und Reis angebaut wurde, befanden sich eine Vielzahl moderner verarbeitender Fabriken in ihrem Eigentum.

Die wirtschaftliche Stagnation ab Mitte der 70er Jahre führte zu ernsthaften Spannungen zwischen den drei Fraktionen der Bourgeoisie. 1972 hatte das Erdbeben in Managua, abgesehen von den ärmsten Bevölkerungsteilen, vor allem den Kleinhandel und die Kleinunternehmer stark getroffen, die sich aufgrund der umfangreichen Korruption im Zusammenhang mit dem Wiederaufbau des Handelszentrums zunehmend vom Regime entfremdeten. Das schlug sich politisch in der 1974 aus Teilen der Mittelschichten und des Kleinbürgertums gebildeten Oppositionsfront Union Democratica para la Liberacion (UDEL) nieder. Diese stand unter der Führung Pedro Joaquin Chamorros, eines ehemaligen Mitglieds der Konservativen Partei und Herausgebers der führenden bürgerlichen Tageszeitung La Prensa. Die neben dem Somoza-Clan führenden Fraktionen der Bourgeoisie um die BANIC und die BANAMERICA hielten sich vorerst noch von der UDEL fern, ganz im Gegensatz zur moskautreuen PSN und dem von ihr dominierten Gewerkschaftsverband CGT-I, die in der UDEL ihren langersehnten Partner für eine Volksfront fanden. Die FSLN betrieb inzwischen ein paralleles Volksfrontprojekt mit der Bildung der Los Doce (“Die Zwölf“), einer Gruppe von Industrieunternehmern, Geschäftsleuten (zum Beispiel dem Bankier Arturo Cruz), Akademikern und Priestern. Los Doce war sozusagen eine Generalprobe für die Bildung einer wirklichen Volksfront mit wichtigen Sektoren der Bourgeoisie nach dem Aufstand.[7]

Die nationale Bourgeoisie versuchte 1978 noch verzweifelt, mit dem damals vom “Menschenrechtspolitiker“ Jimmy Carter politisch geführten US-Imperialismus zu schachern, Somoza blieb jedoch unnachgiebig und unwillig zurückzutreten und versuchte durch Repression die Opposition zu zerschlagen. Auf die vom Chef der Guardia Nacional angeordnete Ermordung des Zeitungsherausgebers und führenden bürgerlichen Oppositionellen Chamorro im Januar 1979 folgte ein Ausbruch des Protests der Bevölkerung. Im Zuge von Streiks und Demonstrationen wurden Geschäfte und Fabriken Somozas, darunter die berüchtigte Blutbank (“Draculas Schloss“) zur Zielscheibe von Brandlegungen durch die Bevölkerung. Ein von der UDEL beziehungsweise ihr nahestehenden Unternehmerverbänden ausgerufener “Generalstreik“ mit dem Ziel, Somoza zu stürzen, brach nach zwölf Tagen zusammen, da das Kleinbürgertum bald verzweifelte und die Bourgeoisiegruppen um BANIC und BANAMERICA eine Beteiligung von vornherein ablehnten. Dieser “Unternehmerstreik“ zeigte die Unfähigkeit der halbkolonialen Bourgeoisie auf, einen konsequenten demokratischen und antiimperialistischen Kampf zu führen, da sie in zu enger Verbindung mit beziehungsweise in Abhängigkeit vom Imperialismus steht.

Das ganze Jahr 1978 und die ersten Monate von 1979 standen unter dem Zeichen einer Reihe von Aufständen der städtischen Bevölkerung, die teils spontan ausbrachen, teils in die geplante Offensive der FSLN integriert waren. Ein zweiter, von einer landesweiten Offensive der FSLN gefolgter Unternehmergeneralstreik wurde von Somoza im September 1978 niedergeworfen. Inzwischen hatte sich – nach der Ermordung Chamorros – Alfonso Robelo Canelas, der mit der BANIC verbundene Vorsitzende des Nicaraguanischen Entwicklungsinstitutes, zum bedeutendsten bürgerlichen Oppositionellen entwickelt. Robelos Neue Demokratische Bewegung vereinigte sich mit der UDEL und der Gruppe Los Doce im Mai 1978 zur Frente Amplio Opositor (FAO, Breite Oppositionsfront). Die Los Doce und andere Gruppen mit Ausnahme der stalinistischen PSN verließen diese breite Opposition allerdings Anfang 1979 wieder. Sie lehnten die von Robelo und den USA ausgehandelten Bedingungen, nämlich eine provisorische Regierung unter Einbeziehung von Somozas Liberaler Partei und der Guardia Nacional, ab. Stattdessen vereinigten sie sich mit der MPU (Volkseinheitsbewegung), einer politischen Vorfeldorganisation der FSLN, und gründeten die Frente Patriotico Nacional.

Der Aufruf der FSLN zu einem landesweiten Generalstreik und Aufstand im Mai 1979 fand großen Widerhall in der Bevölkerung. Am 8. Juni kontrollieren die Sandinisten bereits 25 Orte im nördlichen Nicaragua, in der Haupstadt entbrannten Gefechte. Die während des Generalstreik-Aufstandes gebildeten Milizen kontrollieren Managua bereits, bevor die FSLN-Kolonnen am 19. Juli die Hauptstadt erreichen. Die Guardia Nacional wurde mit relativer Leichtigkeit geschlagen und zerfiel unter dem Ansturm der Volkes beziehungsweise der FSLN-Milizen, der Somoza-Clan flüchtete in die USA.

Vertreter der FSLN und der bürgerlichen Opposition hatten bereits im Juni 1979 im Exil eine hauptsächlich aus bürgerlichen Mitgliedern bestehende Volksfront-regierung (“Regierungsjunta des nationalen Wiederaufbaus“) gebildet. Die Forderung nach einer konstituierende Versammlung wurde bei dieser Gelegenheit zugunsten eines 33-köpfigen Staatsrates aufgegeben. Das Regierungsprogramm sah eine Integration sogenannter “patriotischer Elemente“ der Guardia Nacional in eine neue Armee und die Garantie des Rechts auf Privateigentum an den Produktionsmitteln mit Ausnahme des Somoza-Besitzes vor.

Die Wirtschaftspolitik der Sandinisten

Die Sandinisten strebten nicht einen Sozialismus in einem Land an, dafür aber das mindestens ebenso illusorische Ziel einer autarken “gemischten Wirtschaft“. Die FSLN wollte aus Nicaragua allen Ernstes ein wirtschaftlich weitgehend autonomes Land machen, in dem die Industrie und die Landwirtschaft nicht für den Export, sondern nur für den einheimischen Bedarf produzieren sollten.[8] Dabei galt das Motto: “Revolution ist Produktion“, das musste unter diesen Bedingungen natürlich kapitalistische Produktion heißen. Die sandinistische Gewerkschaft betrieb dabei eine “sehr vernünftige“ Politik, indem sie den Arbeitern empfahl, ihre Lohnforderungen dort zurückzustellen, wo es um die Wiederbelebung der Produktion ging. Um es sich mit der antisomozistischen Bourgeoisie nicht zu verderben, musste die FSLN also darauf achten, dass die Arbeiter und Bauern keine “ungebührlichen“ Forderungen stellten.[9]

Dabei war die nicaraguanische Wirtschaft noch abhängiger von den Einkünften aus dem Export primärer Agrarprodukte, sie war noch mehr nach den Bedürfnissen des US-Imperialismus geformt als die Ökonomien anderer zentralamerikanischer Staaten. Nicaragua hatte vor allem die Rolle eines Rohstofflieferanten für die USA. Rund zwei Drittel des Exports bestanden aus landwirtschaftlichen Produkten. Dabei dominierte die Baumwolle seit den 50er Jahre circa 40-50 Prozent der landwirtschaftlichen Produktion. Weiters wurden Kaffee, Zuckerrohr und Fleisch für den Weltmarkt produziert, und sie beanspruchten auch die besten Agrarböden. Mais und Bohnen sowie andere Produkte für den Binnenkonsum mussten hingegen in der weniger geeigneten feucht-tropischen Zone am Atlantik angebaut werden. Die Rückständigkeit in der Produktivität war selbst im Vergleich zu anderen mittelamerikanischen Ländern enorm. So lag beispielsweise der durchschnittliche Ertrag bei Kaffee in Nicaragua bei 570 Kilogramm pro Hektar, in El Salvador hingegen bei 900 Kilogramm pro Hektar und in Guatemala bei 1030 Kilogramm pro Hektar. Obwohl Nicaragua ein Agrarland war, war es abhängig von Lebensmittelimporten.[10]

 Innerhalb des Zentralamerikanischen Gemeinsamen Marktes war Nicargua das Zentrum für die äußerst kapitalintensive Chemieindustrie, die sowohl abhängig war von Maschinen- und Ersatzteilimporten als auch vom Import von Rohstoffen und bestimmter Vorprodukte. Die Industrie war damit nicht auf die Weiterverarbeitung der im eigenen Land vorhandenen Rohstoffe ausgerichtet und zum Zeitpunkt der sandinistischen Machtübernahme durch Zerstörungen oppositioneller Fabriken sowie die systematische Ausplünderung durch den Somoza-Clan gekennzeichnet. Es bestand folglich nur ein relativ kleines Industrieproletariat, allerdings gab es große halbproletarische Schichten.

Im Juli 1979 waren 2000 Großgrundbesitzer im Besitz der Hälfte der gesamten landwirtschaftlichen Anbaufläche. Ein Drittel der wirtschaftlich aktiven Bevölkerung auf dem Land war vollständig von Lohnarbeit abhängig, ein weiteres Drittel war als Kleinstbauern auf meist schlechten Böden tätig. Aufgrund dieser Tatsachen war die Lösung der Landfrage von zentraler Bedeutung. Während der Revolution kam es zu unzähligen Landbesetzungen durch die Bauern, die die sandinistische Losung “Das Land dem, der es bebaut“ beim Wort nahmen. Die Landreform der Sandinisten sollte allerdings in erster Linie eine antisomozistische Landreform werden.[11] Die Sandinisten richteten ihre Politik nämlich auf die Aufrechterhaltung ihrer Allianz mit den großen Agrarkapitalisten aus, die den nicaraguanischen Exportsektor beherrschten und die führende Kraft im Arbeitgeberverband (COSEP) darstellten, mit der die Volksfront und die Regierungsjunta 1979 gebildet wurde. Die Vereinigung der Agrarunternehmer (UPANIC) war mit einem Sitz im Staatsrat vertreten. Nach der Verstaatlichung der somozistischen Besitztümer verblieben weiterhin ca. 75 Prozent der Industrie und ca. 80 Prozent der Landwirtschaft in Privatbesitz. Anstatt der erhofften 60 Prozent der Agrarproduktion kontrollierte die FSLN durch die Verstaatlichung der Somoza-Konzerne also nur 20 Prozent der landwirtschaftlichen Produktion.[12] Folglich war eine äußerst gemäßigte Agrarpolitik der FSLN notwendig, die wesentlich aus Anreizen für die Großkapitalisten im Kaffee- und Baumwollsektor bestand (zum Beispiel in Form von Krediten zu niedrigen Zinssätzen, garantierten Preisen für Exportprodukte, niedrigen Profitsteuern und Pachtsenkungen). Die Aufrechterhaltung der Politik des “Das Land dem, der es bebaut“ war mit der Volksfrontallianz folglich immer weniger vereinbar und musste bald fallengelassen werden. Die Agrarkapitalisten schlugen allerdings undankbarer Weise die ihnen von der Volksfront angebotenen Profite aus. Die Landarbeiter und Bauern waren nämlich aufgrund der Doppelmachtsituation beziehungsweise des Fehlens der Guardia Nacional nicht länger einer uneingeschränkten Ausbeutung ausgeliefert. Seitens der Bourgeoisie existierte offenbar zu wenig Vertrauen in die den Unterdrückungsapparat kontrollierende FSLN. Die sandinistische Bauernorganisation Asociacion de Trabajadores Campesinos (ATC) stand darüber hinaus nicht völlig unter der Kontrolle der FSLN-Führung und erhob deshalb ihre Forderungen (vor allem auf lokaler Ebene die Forderung nach Enteignungen des Landes von Wirtschaftssaboteuren, sogenannten “Entkapitalisierern“) gegenüber den Unternehmern und übte mit ihren 59.000 Mitgliedern starken Druck auf die Regierung aus. Auf diese Weise ließ die potentielle Bedrohung durch eine Agrarrevolution trotz der “guten“ Absichten der FSLN-Führung die Allianz mit den Großkapitalisten scheitern.

Der Druck der ATC-Basis führte im März 1980 zu einem Dekret, welches das Verbleiben aller bis dahin erfolgten Landbesetzungen in öffentlichem Besitz garantierte. Auch eine weitere Landreform war das Ergebnis des Drucks von unten. Das Agrarreformgesetz vom Juli 1981 war trotzdem nur eine äußerst gemäßigte Reform, die zum Beispiel keine Obergrenze für individuellen Landbesitz wie in El Salvador vorsah. Lediglich das brachliegende oder vernachlässigte Land wurde gegen Entschädigung in den staatlichen Sektor überführt, damit konnte der Landhunger der Bauern zumindest teilweise gestillt werden.

Zum Klassencharakter des sandinistischen Staates

Nach dem Sturz der Somoza-Diktatur bestand insofern eine Doppelmacht-situation, als der alte Unterdrückungsapparat des alten bürgerlichen Staates zerfallen war und die bewaffneten Kräfte im Land sich auf lediglich etwa 2000 Soldaten der sandinistischen Guerillaarmee und etwa 2500 in Bewaffneten Volksmilizen (Arbeiter und subproletarische Schichten) beschränkte. Die von der sandinistischen MPU aufgebauten Comités de Defensa Civil (CDC, Komitees der zivilen Verteidigung) nahmen während des Aufstandes die Form embryonaler Räte an, welche u.a. die Verwaltung der Städte übernahmen. Die Bourgeoisie war zwar zeitweilig der direkten Kontrolle über den Unterdrückungsapparat beraubt worden, durch die Garantie und die Verteidigung bürgerlicher Eigentumsformen hatte das Regime allerdings einen dominant bürgerlichen Charakter. Die Regierung des Nationalen Wiederaufbaus kann in gewisser Weise mit der Provisorischen Regierung nach der russischen Februarrevolution 1917 verglichen werden.

Das Nationale Direktorium der neun FSLN-Comandantes stand in relativer Unabhängigkeit von allen Klassen und hatte insofern einen bonapartistischen Charakter. In den kolonialen und halbkolonialen Ländern ergeben sich bonapartistische Herrschaftsformen in der Regel aus der Unfähigkeit der nationalen Bourgeoisie zu einer national-bürgerlichen Entwicklung, da sie, von der einheimischen Arbeiterklasse bedroht, sich dem Imperialismus unterordnet. Im Falle des sandinistischen Regimes handelte es sich um eine für lateinamerikansiche Verhältnisse nicht untypische linksbonapartistische Regierung. Auch in Nicaragua traf die Schwäche der einheimischen, vom US-Imperialismus abhängigen Bourgeoisie auf einen heftigen revolutionären Kampf des Proletariats und der armen Bauern. Die Erhaltung der bürgerlichen Kontrolle über die Wirtschaft war jedoch integraler Bestanteil des sandinistischen Programms. In diesem Sinne meinte selbst der linke Sandinist Jaime Wheelock: “Lasst die Bourgeoisie nur produzieren und sich selbst als Klasse auf eine produktive Rolle beschränken. Laßt ihr die Produktionsmittel zum Leben, nicht als Macht- und Herrschaftsinstrument.“[13]

Die von der trotzkistischen PST von Kolumbien aus initiierte Brigada Simon Bolivar vertrat am ehesten proletarisch-revolutionäre Positionen in Nicaragua, nämlich die Forderungen nach der Verstaatlichung aller Unternehmen, der Streichung der Auslandschulden und der Ablehnung einer Koalitionsregierung mit der Bourgeoisie zur Verteidigung des Kapitalismus. Diese Forderungen wurden von der Führung der FSLN als “ultralinks“ abgelehnt und die Mitglieder der Brigada Simon Bolivar des Landes verwiesen. Nach der Ausschaltung der bürgerlichen Partner stellte die FSLN eine Ein-Parteien-Volksfront dar, also eine Volksfront, die in einer einzigen Partei zusammengefasst war, in der die der Erhaltung des Kapitalismus verpflichteten Elemente dominierten. Eine revolutionäre Taktik hätte das Prestige der FSLN unter den Massen in Betracht ziehen müssen. Gleichzeitig aber hätte die Unsinnigkeit des sandinistischen Programms eines demokratisch-kapitalistischen Nicaragua sowie die Notwendigkeit der Überwindung des Kapitalismus aufgezeigt werden müssen. Eine entscheidende Aufgabe wäre dabei der Kampf um die Entwicklung der Comités de Defensa Civil zu wirklichen Räten gewesen. Stattdessen wurden die CDC innerhalb kurzer Zeit in Comités de Defensa Sandinista (CDS, Komitees der sandinistischen Verteidigung) unter direkter Kontrolle der FSLN umgewandelt und hatten nur mehr eine beratende Rolle. Die CDS kümmerten sich nicht um politische Fragen sondern überwiegend um Versorgungsprobleme, um die Ausführung kommunaler Arbeiten beziehungsweise wurden dazu benutzt, um die von der sandinistischen Führung festgelegte Politik zu vermitteln beziehungsweise die Massen politisch zu leiten.[14] Diese feste Kontrolle über die Massenbewegung zusammen mit der Vereinigung der Gewerkschaften mit der sandinistisch kontrollierten CST war notwendig für die FSLN, um den Kapitalisten die Ausbeutungsmöglichkeit erhalten und garantieren zu können.

Die Gegenposition zur Volksfront der FSLN hätte natürlich nicht nur die Forderung nach dem Ausschluss der bürgerlichen Minister aus der Regierung umfassen müssen, sondern vor allem die Forderung nach einem Bruch mit dem Projekt eines kapitalistischen Nicaragua. Neben der Forderung nach einer revolutionären Arbeiter- und Bauernregierung, nach dem Ausbau der CDC zu wirklichen Räten, nach der Enteignung aller Kapitalisten, um die Grundlage für eine Planwirtschaft zu errichten, nach Landverteilung und Anerkennung aller Landbesetzungen wäre auch die Forderung nach einer Mobilisierung der Bevölkerung zur Unterstützung der revolutionären Kämpfe in El Salvador und Honduras von zentraler Bedeutung gewesen.

Der bewaffnete Kampf der FSLN-Guerilla um die Macht hat die somozistischen militärischen Einheiten (die Guardia Nacional) geschlagen. Welchen Charakter hatte nun der neue, sandinistische Staatsapparat? Wenn es kein Staatsapparat mit bürgerlichem Charakter war, dann hätte die konterrevolutionäre Machtübernahme Ende der 80er Jahre ohne die Wiederrichtung eines solchen bürgerlichen Staats-apparates nicht stattfinden können. Die sandinistische Regierung ging nämlich nicht wie zum Beispiel Castro 20 Jahre zuvor auf Kuba dazu über, den Kapitalismus zu stürzen, sondern erlag noch während der 80er Jahre der vom Imperialismus unterstützten Konterrevolution und der Wirtschaftssabotage der einheimischen Kapitalisten.

Die FSLN verfolgte von Anfang an das Ziel, das bezüglich bürgerlicher Armee-disziplin und Hierarchisierung noch “mangelhafte“ Revolutionsheer zum Ejército Popular Sandinista (EPS, Sandinistische Volksarmee) “umzustrukturieren“, das heißt im Klartext, es zu einem Heer bürgerlichen Charakters umzuformen. Durch Hausdurchsuchungen wurde die Entwaffnung des Volkes wirksam durchgeführt. Selbst die von der ex-maoistsichen MAP herausgegebene Zeitung El Pueblo meinte im Januar 1980, dass das Disziplinproblem im 50.000 Mann starken sandinistischen Heer einzig durch eine starre Hierarchie gelöst werden könne. Dadurch würden die Soldaten zu reinen Befehlsempfängern und damit auch leichter in reaktionärer Absicht verwendbar. Die Führung genieße deutlich erkennbare materielle Vorteile und lebe privilegiert, während das Heer als Berufsheer ein von den Massen getrenntes Dasein führe. Auch auf dem Gebiet der Justiz funktionierten bis auf wenige Ausnahmen die alten Gerichte und Justizbehörden, die alte Ämteroligarchie sitze immer noch auf den wichtigsten Posten, und die Vizeminister und Direktoren seien immer noch die gleichen Abkömmlinge der alten einflussreichen Familien. Und die sandinistischen Massenorganisationen hingegen funktionierten durchwegs undemokratisch.[15]

Obwohl der alte Repressionsapparat der Somoza-Diktatur unter dem Druck der sandinistischen Offensive zerfallen war, war der neue von der FSLN aufgebaute Staatsapparat meilenweit von einem proletarischen Halbstaat entfernt. Dieser neue Staatsapparat mit seiner stehenden (obgleich sandinistischen) Armee war zwar sicherlich nicht im gleichen Ausmaß von der Bevölkerung abgehoben wie der unter Somoza, seinem Charakter nach allerdings letztlich bürgerlich. Im Zuge der proimperialistischen Konterrevolution musste der neue sandinistische Staatsapparat auch keinesfalls mehr zerschlagen werden, sondern die FSLN gewährte 1990 bereits zum zweiten Mal “freie Wahlen“ zu einem bürgerlichen Parlament, welche die UNO, das proimperialistische Parteienbündnis der bürgerlichen Konter-revolution, in dem auch die Stalinisten vertreten waren, gewann.[16] Die neue Regierung konnte die von den Sandinisten errichtete Staatsmaschinerie übernehmen und sich sogar die Loyalität der von der FSLN dominierten Armee versichern lassen (der Sandinist Humberto Ortega blieb Oberbefehlshaber).[17]

Die FSLN, die Arbeiterbewegung und die Bourgeoisie

Die Fabrikarbeiter waren schon seit langem in Gewerkschaften organisiert. Nach der Machtübernahme gliederte sich die auf Initiative der FSLN-Führung gegründete Central Sandinista de los Trabajadores (CST/Sandinistische Arbeitervereinigung) alle Gewerkschaften ein (so die PSN-nahe CGT-I oder die Bauarbeitergewerkschaft SCAAS), um so die Arbeiterbewegung unter sandinistische Kontrolle zu bringen. Dies führte zu einer Reihe von Zusammenstößen mit Arbeiterorganisationen, zuerst mit der moskautreuen PSN und der von ihr kontrollierten Gewerkschaftsorganisation CGT-I, dann mit der von der maoistischen MAP (Movimiento de Acción Popular) beherrschten Frente Obrero, die 1980 einige Streiks und Landbesetzungen angeführt hatte. Die FO-Führung wurde verhaftet, die Parteizeitung El Pueblo auf Anordnung der Junta “geschlossen“ und ihre Milizeinheiten, die MILPAS, unterdrückt beziehungsweise aufgelöst. In der Zeitung El Pueblo war u.a. die Kompromissbereitschaft der FSLN gegenüber dem Bürgertum kritisiert worden. Das gleiche Schicksal ereilte die neben der PSN zweite moskautreue KP, die PCdeN, sowie die auf Initiative der trotzkistischen PST in Kolumbien gegründete Brigada Simon Bolivar. Der Verdruss der Bevölkerung über die prokapitalistsiche Linie der FSLN hätte sicherlich zu einer Stärkung dieser Parteien beitragen können. Erst die bürokratischen Maßnahmen zur Ausschaltung der linken Kritiker ermöglichten die Durchsetzung von solchen Maßnahmen wie der Aufhebung des Streikrechts oder des Verbots von Betriebsbesetzungen und in der Folge ungebrochene Dominanz der FSLN in der Arbeiterbewegung.[18]

Regierungsmitglied Carlos Carrión meinte bereits im Dezember 1979, dass sowohl Lohnforderungen “gegenwärtig überhaupt nicht angebracht“ und solche Kampfformen wie Streik in Nicaragua auch in den privaten Betrieben “heute eigentlich überholt“ seien. Angebracht schien den Sandinisten hingegen die “Steigerung der freiwilligen unbezahlten Arbeit“ auch in den privaten Unternehmen, wo das Überstundengeld in einen öffentlichen Fonds abgeführt werden solle.[19]

Die sandinistischen Führer der CST beklagten sich über die schweren Aufgaben denen die Gewerkschaft gegenüberstehe, angesichts dessen, dass “die Arbeiter zu wenig geschult sind und die gegenwärtigen Probleme kaum begreifen. Viele erkennen ihre Aufgaben und Pflichten noch nicht, sind ungeduldig und wollen die Fabriken übernehmen (Hervorhebung M.K.).“[20] Die Betriebsbesetzungen der Arbeiter mit dem Ziel, die Kapitalflucht der Unternehmer zu verhindern, demonstrierte allerdings tatsächlich sehr eindringlich, dass sie die sandinistische Politik der Rücksichtnahme auf die Bourgeoisie “kaum begriffen“.

Die sandinistisch geführte Regierungsjunta strebte, wie in ihrem Zirkular Nr. 1 vom September 1979 zu lesen ist, die “Schaffung größtmöglicher gesellschaftlicher Einheitlichkeit, vor allem mit der Bourgeoisie (Hervorhebung M.K.)“ an. “Wir müssen die fortschrittlichen Teile der Bourgeoisie bedrängen, denn ihre Produktion steht nicht im Widerspruch zu den Vorstellungen der neuen Regierung, da sie hauptsächlich Dinge produziert, die von nationalem Interesse sind“.[21] Bald schon sollte jedoch die “fortschrittliche“ Bourgeoisie ihrerseits die neue Regierung bedrängen.

Im Gegensatz zu ihrem Verhalten gegenüber den linken Parteien legte die FSLN gegenüber den Bürgerlichen inklusive der Somozisten Großzügigkeit an den Tag. Die bürgerlichen Drahtzieher der nach der sandinistischen Machtübernahme inszenierten Desinformationskampagne, die eine angeblich bevorstehende Lebensmittelknappheit prophezeiten, was tatsächlich zu Hamsterkäufen der Bevölkerung führte, wurden geschont. Dagegen wurden alle “wilden“ Aktionen der Bevölkerung, zum Beispiel die Besetzung leerstehender Villen, mit Polizeigewalt unterbunden. Die zahlreichen “widerrechtlichen“ Besetzungen von verlassenen Gütern wurden rückgängig gemacht, bis man die Besitzer ausfindig gemacht hatte und die Rechtslage geklärt war![22]

Das Bürgertum bedankte sich für diese bevorzugte Behandlung mit einer Beschwerde über die “absolute Willkür bezüglich der Übergriffe auf das Eigentum von Privatpersonen“ und konnte damit nur die Verstaatlichungsverfahren gegen somozistisches Eigentum meinen. Diese Verfahren, so meinte der Arbeitgeberverband COSEP, das Sprachrohr des reaktionärsten Flügels der Bourgeoisie, in einem Papier vom November 1979, seien für den “gesamten Ablauf der Wirtschaft äußerst schädlich“.[23] Von der FSLN wurde verlangt, klar auszusagen, ob sie den Sozialismus oder die Rekonstruktion des Kapitalismus wolle. Offensichtlich um eine möglichst klare Antwort auf diese Anfrage der Bourgeoisie bemüht, hob die Regierungsjunta noch im selben Monat die Artikel 3 und 38 des Gesetzes auf, die bestimmten, dass die Besitztümer Somozas zu verstaatlichen seien beziehungsweise dass Privat- und Grundbesitzer enteignet werden konnten, die den Verdacht erweckten, mit ihrem Besitz zweckfremd umzugehen, das heißt Kapitalflucht, Produktionsboykott und ähnliches begehen.[24] Mit diesem Papier der COSEP war der Zeitpunkt markiert, an dem die Bourgeoisie erstmals zur Offensive überging. Das nicaraguanische Bürgertum hatte allerdings begriffen, dass Castro 20 Jahre zuvor hauptsächlich aufgrund der ultimativ-unnachgiebigen Haltung des US-Imperialismus auf den Weg der Enteignungen gezwungen worden war und lehnte daher eine direkte Invasion des Landes durch US-Truppen ab.

Allerdings hatte die Bourgeoisie trotz einer anfänglichen Mehrheit an bürgerlichen Ministern in der Regierung nur relativ geringen Einfluss auf das Ejercito Popular Sandinista (EPS/sandinistisches Volksheer), da die wirkliche Entscheidungsgewalt beim den nationalen Streitkräften vorstehenden Nationalen Direktorium der FSLN lag. 1980 führten Veränderungen im Staatsrat, das heißt die Besetzung von Schlüsselministerien mit FSLN-Comandandes, zum Rücktritt Chamorros und Alfonso Robelos. Der Regierungsantritt Reagans mit seiner Politik der Niederwerfung der Sandinisten bei deren fortgesetzter Weigerung, vor den Forderungen der US-Regierung bedingungslos zu kapitulieren, wurde zunehmend zur Perspektive der gesamten nicaraguanischen Bourgeoisie, deren bedeutendste Sektoren beschlossen hatten, dass ein Kampf gegen die Kontrolle der FSLN über die Streitkräfte und die nicht ausreichend eingedämmten Massenorganisationen aufgenommen werden musste. Ab 1980/81 wurden mit finanzieller und logistischer Unterstützung der USA konterrevolutionäre bewaffnete Banden, die sogenannten Contras, gebildet

Bereits 1981 unterstützen alle wichtigen Teile der Bourgeoisie offen oder verdeckt die bewaffnete Konterrevolution, und damit war die offene Volksfront beendet, nicht jedoch die Politik der Volksfront mit ihrem Ziel der gemischten Wirtschaft. Die kombinierten US-Maßnahmen (Contra-Invasion und Wirtschafts-blockade) sollten Nicaragua in den 80er Jahren in eine tiefe wirtschaftliche Krise stürzen, aus der die Sandinisten ab Mitte der 80er Jahre nur mehr den Ausweg in immer umfassenderen Zugeständnissen an den Imperialismus sahen. 1988 beschlossen sie einen Wirtschaftsplan, der, nach den Worten von Daniel Ortega, “noch härter (war) als das, was der IWF normalerweise vorschlägt“.[25]

Resümee

Warum konnte sich die FSLN an die Spitze der Bewegung gegen die Somoza-Diktatur stellen? Im Gegensatz zur zahnlos agierenden Kommunistischen Partei (PSN) bot die FSLN der Bevölkerung eine scheinbar radikale Alternative zum herrschenden System an. Die entscheidenden Kräfte beim Aufstand im Juli 1979 waren einerseits die von der FSLN geführten Guerillatruppen, andererseits der vor allem von Jugendlichen, städtischen Armen, aber auch Arbeitern getragene Volksaufstand in den Städten.[26] Unter dem Druck der Erfolge der FSLN-Guerilla, kombiniert mit den Aufständen in den Städten, löste sich das Somoza-Regime auf, Ansätze einer bewaffneten Volksmacht entstanden aber höchstens punktuell, landesweit hat eine solche aber nie existiert.

Bereits im ersten Jahr der Revolution (1979/80), das heißt der Regierung der FSLN, wurden die Mitglieder der trotzkistischen Brigada Simon Bolivar aufgrund ihrer Forderung nach einem Bruch mit dem Bürgertum als “ultralinke Abenteurer“ bezeichnet, entwaffnet und ausgewiesen. Entschlossen ging die Regierung gegen missliebige Teile der Arbeiterbewegung und potentielle Konkurrenten im Lande vor, vor allem gegen die ex-maoistische Frente Obrero, gegen beide moskautreue KPs sowie eine Anzahl radikaler Arbeiter- und Bauerngewerkschafter, die unterdrückt, inhaftiert und deren Presse verboten wurde.

Teils durch den Druck des US-Imperialismus, das heißt durch den Zermürbungs-krieg der Contras, der Versorgungschaos und Hyperinflation verursachte, teils durch die Obstruktionspolitik der eigenen nationalen Bourgeoisie wurde die sandinistische Regierung nach der Ausschaltung der linken Konkurrenten allerdings zu einem Linksschwenk gezwungen und geriet mit Parteien und Presse des Bürgertums beziehungsweise Teilen des Klerus in Konflikt. Der für eine linksbonapartistische Balancepolitik der Klassenversöhnung nicht untypische Zickzack führte aber in der Folge immer mehr zur direkten Durchsetzung der Interessen des Kapitals. In der zweiten Hälfte der 80er Jahre setzte die FSLN eine brutale Austeritätspolitik durch und gab ihre Zustimmung zu einem multinationalen “Wiederaufbauplan“ unter Führung des Imperialismus und in Zusammenarbeit mit der europäischen Sozialdemokratie.[27]

Warum wählte die FSLN in Nicaragua also nicht den kubanischen Weg, das heißt die Errichtung eines auf Planwirtschaft beruhenden Regimes und damit eines degenerierten Arbeiterstaates? Erstens lag das sicherlich an der Politik der Sowjetunion und auch der moskautreuen PSN in Nicaragua. Die UdSSR machte den Sandinisten unmissverständlich klar, dass sie sich kein zweites Kuba leisten konnte und wollte. Sie hatte strategisch alles, was sie in der Region brauchte. Zweitens lag es an der geänderten Taktik des US-Imperialismus, der im Falle von Kuba noch die Politik der counter insurgency, also der brutalen militärischen Niederschlagung, betrieben hatte, die Castro förmlich zwang, den Weg der Beseitigung des Kapitalismus zu gehen. Diese Politik erlebte allerdings in Vietnam ihre endgültige Niederlage. Stattdessen betrieben die USA die Politik des “low intensity warfare“, also eines langangelegten Zermürbungskrieges. Drittens nutzte die FSLN-Führung ihrerseits die Unwilligkeit der europäischen Imperialisten, bei der Einsetzung einer den USA hörigen Diktatur mitzuspielen. Die Sandinisten verfolgten den Plan, sich auf den europäischen Imperialismus zu stützen, um sich von der würgenden Abhängigkeit vom US-Imperialismus zu befreien. Die EG wurde tatsächlich zum bedeutendsten Exportmarkt mit einem Anteil von 28 Prozent der Exporte im Gegensatz zu 23 Prozent der USA. Die EG bot das Konzept einer Wirtschafts- beziehungsweise Kredit-“Hilfe“ an, mit der die Sandinisten für die Aufrechterhaltung des Privateigentums an den Produktionsmitteln belohnt wurden.[28] Der Beschluss, die wichtigsten Industrien im Besitz der lokalen Bourgeoisie nicht zu enteignen und den Wiederaufbau einer “gemischten Wirtschaft“ mit Hilfe der Bourgeoisie zu betreiben, konnte allerdings weder die Bourgeoisie dazu bringen, die Revolution zu unterstützen, noch die Regierung Reagan davon abhalten, hunderte Millionen US-Dollar für die Finanzierung der Contras beizutragen.

Die Sandinisten stellten sich, nicht zuletzt um ihre bürgerlichen Bündnispartner nicht abzuschrecken, niemals das Ziel, die Produktionsmittel zu vergesellschaften und eine sozialistische Planwirtschaft zu errichten. Stattdessen verfolgten sie die utopisch-kleinbürgerliche Konzeption einer klassenharmonischen, autark-kapitalistischen Entwicklung Nicaraguas im Rahmen des imperialistischen Weltsystems. Auf dem Gebiet der Außenpolitik verfolgten sie die Politik der friedlichen Koexistenz an Stelle einer aktiven Internationalisierung und Ausweitung der Revolution auf ganz Lateinamerika. Das Überleben der Revolution hätte allerdings zu einem großen Teil auf einer Ausweitung derselben über die Grenzen Nicaraguas hinaus beruht. Die FSLN-Führer waren jedoch nicht bereit, die revolutionären Bewegungen in Guatamala, Honduras und El Salvador direkt zu unterstützen.[29]

Die nationale Befreiung sollte nach dem Willen der Sandinisten auf bürgerlicher Grundlage durchgeführt und die Revolution nicht bis hin zur Überwindung des Kapitalismus und der Errichtung der Arbeiter- und Bauernmacht weitergeführt werden. Das Scheitern der nicaraguanischen Revolution zeigt jedoch eindrücklich, dass der kleinbürgerlicher Nationalismus letztlich unfähig ist, auch nur die bürgerlich-demokratische Errungenschaften seiner Revolution (nationale Befreiung, Landreform etc.) dauerhaft und konsequent zu verteidigen. Die nicaraguanische Revolution zeigte die Richtigkeit der Annahme von Leo Trotzki, nämlich, dass das Bürgertum im Zeitalter des Imperialismus selbst eine Revolution zur Lösung demokratischer Aufgaben wie der Agrarfrage oder der Erlangung der nationalen Unabhängigkeit vom Imperialismus nicht führen kann. Diese Aufgaben kann nur eine Revolution lösen, die nicht auf der bürgerlich-demokratischen Etappe stehenbleibt, sondern, mit den Mitteln und Methoden des Proletariats geführt, ununterbrochen (das heißt permanent) in eine sozialistische Revolution übergeht.


[1] Leo Trotzki bezeichnete 1928 die von Stalin und Bucharin behauptete Notwendigkeit der Unterordnung des selbständigen Kampfes des Proletariats unter die Politik der nationalen Bourgeoisie, welche aus dem Dogma einer “demokratischen Etappe“, die angeblich jede Revolution in unterentwickelten Länder durchmachen müsse, ehe die “sozialistische Etappe“ in Angriff genommen werden könne, als eine “klassische menschewistische Schlinge für die Proletarier“. (Siehe dazu: Leo Trotzki, Ergebnisse und Perspektiven der chinesischen Revolution. In: Trotzki Schriften 2.1, Hamburg 1990 S. 335-391) Zu Trotzkis Theorie der permanenten Revolution siehe den Artikel von Eric Wegner in dieser Ausgabe von Marxismus.

[2] “Kommuniqué international“ der FSLN zitiert nach Volksstimme 35 (28. August 1997), S. 12

[3] Einleitung zu Nikaragua – Dokumente einer Revolution (Leipzig 1985 S. 5-36), S. 10ff.

[4] Carlos Fonseca Amador, “Bemerkungen über die Berge und einige andere Themen“ In: Nikaragua – Dokumente einer Revolution (Leipzig 1985, S. 99-126), S. 122

[5] BRKI (=Bewegung für eine revolutionäre kommunistische Internationale) (Hg.), Nicaragua – 10 Jahre danach (= Schriftenreihe der Gruppe Arbeitermacht Nr. 6, 1989), S. 7

[6] zitiert nach BRKI, Nicaragua – 10 Jahre danach, S. 8

[7] Bei dieser Gelegenheit möchte ich an den Unterschied zwischen einer sogenannten antiimperialistischen Einheitsfront (in kolonialen und halbkolonialen Ländern) und einer Volksfront erinnern. Eine von Fall zu Fall abgeschlossene antiimperialistische Einheitsfront mit dem nationalen Bürgertum in Form von strikt begrenzten und streng sachlichen Abmachungen, die jedes Mal einem ganz bestimmten Ziel dienen, ist für revolutionäre Kommunisten eine durchaus mögliche Taktik, solange die Kommunisten innerhalb dieser Aktionseinheit an ihrer eigenen Orientierung festhalten und diese nicht den Perspektiven der Bourgeoisie unterordnen. Ziel dieser Taktik ist es, die nationale Bourgeoisie, die, um die Unterstützung der Arbeiter und Bauern zu erlangen, vorgibt, im Interesse der unterdrückten Volksmassen gegen den Imperialismus zu kämpfen, vor den Augen der Arbeiter und Bauern auf die Probe zu stellen. Tatsächlich kann die nationale Bourgeoisie einen Kampf gegen den Imperialismus führen, allerdings einzig und allein mit dem Ziel, ihre eigenen Ausbeutungmöglichkeiten zu erweitern. Sobald die für diesen Kampf notwendige Mobilisierung der Massen allerdings ihre Macht gefährdet, wirft sie sich sofort wieder zurück in die Arme des Imperialismus. Im konkreten Kampf für genau formulierte Ziele kann gezeigt werden, dass die nationale Bourgeoisie aufgrund ihrer Verbindungen mit dem Imperialismus entgegen ihren Behauptungen unfähig und unwillig ist, einen wirklichen Kampf gegen den Imperialismus im Interesse der Arbeiter und kleinen Bauern zu führen. Sowohl FSLN als auch PSN fesselten jedoch die Arbeiterklasse und die kleinen Bauern über ihre Volksfront an das Programm der Bourgeoisie (d.h. konkret an die Garantie des Rechtes auf Privateigentum an den Produktionsmitteln). Die Volksfront ist im Gegensatz zur antiimperialistischen Einheitsfront eine langfristige Allianz bzw. ein Block verschiedener Klassen für eine ganze Periode, gebunden durch ein gemeinsames (zwangsläufig bürgerliches) Programm und gemeinsame Politik.

[8] Gauger, Nicaragua im Jahr der Befreiung S. 27, S. 78

[9] Gauger, Nicaragua im Jahr der Befreiung S. 33f.

[10] Jaime Wheelock, Die sandinistische Landreform (Frankfurt/Main 1986) S. 11, S. 38f.

[11] Wheelock, Die sandinistische Landreform S. 23

[12] Gauger, Nicargua im Jahr der Befreiung S. 15; Wheelock, Die sandinistische Landreform S. 27

[13] Zitiert nach: BRKI, Nicaragua – 10 Jahre danach S. 12

[14] Hermann Schulz, Nicaragua. Eine amerikanische Vision (Reinbek bei Hamburg 1984) S. 169f.

[15] Zitiert nach: Rose Gauger, Nicaragua im Jahr der Befreiung. Bericht über die ersten Monate der Revolution (Hamburg 1980) S. 83ff.

[16] 1984 hatten erstmals allgemeine Wahlen zur Nationalversammlung stattgefunden, bei denen die FSLN die absolute Mehrheit erreichte.

[17]Genaueres zur Frage der Zerschlagung des Staates in Nicaragua und besonders zur marxistischen Staatstheorie: Marxismus Nr. 2 (Dezember 1994) S. 127-129 bzw. S. 76-90

[18] BRKI, Nicaragua – 10 Jahre danach S. 18f.; Gauger, Nicaragua im Jahr der Befreiung S. 36ff.

[19] Gauger, Nicaragua im Jahr der Befreiung S. 80f., S. 104f.

[20] Zitiert nach Gauger, Nicaragua im Jahr der Befreiung S. 91

[21] Zitiert nach Gauger, Nicaragua im Jahr der Befreiung S. 20, S. 21

[22] Schulz, Nicaragua S. 115; Gauger, Nicaragua im Jahr der Befreiung S. 50, S. 57

[23] Gauger, Nicaragua im Jahr der Befreiung S. 65

[24] Gauger, Nicaragua im Jahr der Befreiung S. 66

[25] zitiert nach: BRKI, Nicaragua – 10 Jahre danach S. 4

[26] Michael Löwy, Revolution ohne Grenzen (Frankfurt/M. 1987) S. 155

[27] BRKI, Nicaragua – 10 Jahre danach, S. 4

[28] In den 80er Jahren einigte sich die EG gegen den Widerstand von Großbritannien darauf, Nicaragua in ihr 35-Millionen-Dollar-Wirtschaftspaket für Zentralamerika einzuschließen. Die BRD erneuerte ein Kreditabkommen unter der Bedingung, die Mittel müssten privaten Unternehmen zugutekommen, was die sandinistische Regierung akzeptierte. (Schulz, Nicaragua S. 123)

[29] Zunächst hatte die sandinistsche Regierung noch beschlossen, eine Brigade nach El Salvador zu entsenden, um die dortige revolutionäre Bewegung zu unterstützen. Dieser Entschluss wurde aber nach dem Regierungswechsel in El Salvador, der eine pseudodemokratische Regierung an die Macht gebracht hatte, schnell geändert. (Gauger Nicaragua im Jahr der Befreiung S. 96)