Air Berlin Pleite: Ein System, das nicht nur Piloten krank macht

Nach der Pleite von Air Berlin und monatelangem Tauziehen scheint jetzt der Verkauf großer Teile des Unternehmens an Lufthansa perfekt, auch wenn Gläubiger und die Kartellbehörden noch zustimmen müssen. Für Lufthansa ein tolles Geschäft, das die Aktionär_innen jubeln lässt: die Aktie erreichte ihren höchsten Stand seit 2001, weil weniger Konkurrenz und steigende Preise im innerdeutschen Flugmarkt erwartet werden.

Kapitalistische Konkurrenz – auf dem Rücken der Beschäftigten

Air Berlin ist schon die dritte Fluggesellschaft, die in letzter Zeit Konkurs anmelden musste, neben Alitalia und der britischen Monarch. Dabei ist die Branche nicht etwa in der Krise – mit einer Milliarde Flugpassagieren europaweit wurde 2016 ein neuer Rekord erreicht. Air Berlin ist ein „normaler“ Vorgang im kapitalistischen System, das nur durch private Gewinninteressen gesteuert wird. Oft wird behauptet, dieses Prinzip würde für Effizienz sorgen und wäre wirtschaftlich erfolgreich. Dabei produziert es immer wieder Pleiten, Firmenzusammenschlüsse und Wirtschaftskrisen. Die Verantwortlichen, die bei diesem Geschäft den Reibach machen, riskieren nie viel: Der Firmengründer von Air Berlin Hunold hat für seine Anteile an der Fluggesellschaft jetzt „nur“ noch 600.000 € bekommen. Er ist aber schon vor Jahren als Firmenchef zurückgetreten, als die Geschäfte anfingen schlechter zu laufen – und hat eine Abfindung von über 4 Mio. € kassiert. Der sprichwörtliche „goldene Fallschirm“.

Immer aber wird versucht, alle Probleme auf die Arbeitenden abzuwälzen: mit Lohnkürzungen und zunehmender Unsicherheit. Für die Beschäftigten von Air Berlin hält Lufthansa nun eine zynische Zumutung bereit: Nur wer bei den nicht Pleite gegangenen Air Berlin-Tochtergesellschafteneinen Arbeitsvertrag hat, behält diesen. Von 8.000 Air Berlin-Beschäftigten sind das nicht einmal 1.500. Alle anderen werden nicht übernommen. Stattdessen können sie sich einzeln bewerben… auf ihre alten Arbeitsplätze! Nicht zu Lufthansa-Tarif, sondern bei der Lufthansa-Billigtochter Eurowings und zwar bei der in Österreich angemeldeten Eurowings Europe, die überhaupt keinen Tarifvertrag besitzt. Ein Drittel weniger Lohn für die alte Arbeit könnte dabei herauskommen, wenn man nicht das Pech hat, gar nicht genommen werden. So tricksen die Unternehmen auf Kosten der Belegschaften.

Die Bundesregierung ist nach der Insolvenz von Air Berlin mit einem Kredit von 150 Mio. € eingesprungen, damit das Fluggeschäft noch einige Wochen weitergeführt werden konnte. Für Lufthansa hat das Zeit verschafft um sich in Position zu bringen für die Übernahme. So konnten sie die begehrten Start- und Landerechte von Air Berlin bekommen, die im Falle einer sofortigen Pleite neu ausgeschrieben worden wären. Dieser Kredit aus Steuermitteln ist für die Lufthansa also ein Riesen-Geschenk. Aber die Regierung hat keinerlei Bedingungen daran geknüpft, was die Übernahme der Beschäftigten betrifft. Wenn es darum geht, Millionen Steuergelder zur weiteren Bereicherung der großen Konzerne einzusetzen, da fliegen alle Regierungsparteien schnell herbei.

Es verlieren die Arbeitenden – solange sie es sich gefallen lassen

Die Pilot_innen bei Air Berlin hatten schon im September einen guten Riecher. Sie merkten, dass all den Geiern, die sich auf die tote Firma stürzten, die Beschäftigten sonstwo vorbeigingen – und die letzten Tage haben das endgültig bestätigt. Massenhaft wurden sie krank, so dass Hunderte Flüge gestrichen werden mussten. Damit haben sie allen in Erinnerung gerufen, wer den Flugbetrieb aufrecht erhält. Nicht das Management, nicht die Aktionär_innen.

Eine kreative Aktion, in der aufgeblitzt ist, wie den Berechnungen der Reichen ein Strich durch die Rechnung gemacht werden kann: Wenn wir unsere Arbeit einstellen, haben wir Arbeitenden die gemeinsame Kraft, unsere Interessen durchzusetzen. In einer organisierten Bewegung noch sehr viel mehr als per gelbem Zettel. Nicht nur Piloten haben Grund, an diesem System krank zu werden. Es hält tagtäglich Zumutungen für uns alle bereit, die wir in Konzernbilanzen nur als zu minimierender Kostenfaktor auftauchen. Dabei schmeißen wir in Wirklichkeit das Wirtschaftsleben. Von der Last der Profitinteressen befreit könnten wir stattdessen die Wirtschaft im gemeinsamen Interesse gestalten. Das wäre gesund!

 

* Ein Artikel der RSO Berlin