USA: Ihre Wahlen können unsere Zukunft nicht bestimmen

Wir veröffentlichen hier die Übersetzung eines Artikels unserer amerikanischen GenossInnen der Revolutionary Workers Group zur Situation nach der Wahl von Donald Trump zum Präsidenten der USA. 

Ihre Wahlen können unsere Zukunft nicht bestimmen

Viele sind schockiert, dass ein rassistischer, fremden- und frauenfeindlicher, antimuslimischer Fanatiker, der den Klimawandel für eine Lüge und Folter für in Ordnung hält, bald der Präsident der Vereinigten Staaten sein wird. Trump hat sich als Außenseiter gegeben – als Mann des Volkes. Er ist ein milliardenschwerer Großindustrieller, der versucht hat ArbeiterInnen auf seinen Baustellen daran zu hindern, sich in Gewerkschaften zu organisieren, und wie ein König in einem goldverzierten Penthouse wohnt.

Er ist ein Meister des Reality-TV und seine politische Reality-Show hat funktioniert. Er hat mit den Vorurteilen und Ängsten der Menschen gespielt – die klassische Sündenbockstrategie – und hat der weißen Unter- und Mittelschicht erzählt, dass ihre Probleme von den PolitikerInnen in Washington, von Minderheiten und MigrantInnen verursacht werden. Er ist ein Verteidiger des kapitalistischen Systems mit seinem Drang nach Profiten auf unsere Kosten, auf Kosten unserer Gesundheit und des blanken Überlebens des Planeten.

Und die korrupten Mainstream-Medien haben mitgespielt und ihm jedes Mal, wenn er sein schamloses Mundwerk aufgemacht oder einen bösartigen Tweet gepostet hat, enorme Gratis-Publicity gegeben. Der rechte Nachrichtensender Fox News hat ihn als den Helden dargestellt, der Amerika wieder groß machen werde. Und allen, die ihn kritisierten, wurde unterstellt, Unrecht zu haben, unfair oder antiamerikanisch zu sein.

Viele sind traurig und enttäuscht, dass Hillary Clinton nicht gewonnen hat. Aber die Enttäuschung basiert auf Illusionen darüber, dass die Demokratische Partei unsere Interessen vertreten würde. Die Demokraten haben angenommen, es würden sich alle hinter Clinton stellen, nur weil Trump so verabscheuungswürdig ist. Clinton hat mit den angeblichen Erfolgen der letzten acht Jahre Wahlkampf gemacht und mehr von derselben Politik versprochen. Sie ist eine waschechte Vertreterin der Reichen gegen die ArbeiterInnenklasse.

Das tatsächliche Ausbleiben eines wirtschaftlichen Aufschwungs für die Mehrheit hat dazu geführt, dass sich viele proletarische WählerInnen Trump zugewandt haben und sich fast die Hälfte der Wahlberechtigten entschieden hat, gar nicht wählen zu gehen. Sie haben uns die Wahl zwischen einem chauvinistischen Milliardär und einer korrupten Establishment-Politikerin gegeben – eine Wahl, die ihren Namen nicht verdient.

Angesichts einer Präsidentschaft von Trump haben viele Menschen Angst. Bereits jetzt ist ein Anstieg rassistischer und antimuslimischer Hetze und Gewalt zu beobachten. Rassistische Gruppen wie der Ku-Klux-Klan fühlen sich ermutigt, sich offen zu zeigen und ihren widerlichen rassistischen Hass zu verbreiten.

Die Angst basiert auf tatsächlichen Drohungen, die Trump gemacht hat. Er hat versprochen, Millionen von MigrantInnen abzuschieben und den geschützten Status von SchülerInnen ohne Aufenthaltstitel aufzuheben; Städten, die die nationale Einwanderungsgesetzgebung nicht regulär umsetzen, das Budget zu kürzen, und die rassistische »stop and frisk«-Praxis von verdachtsunabhängigen Personenkontrollen wieder einzuführen, was die Polizeigewalt gegenüber ethnischen Minderheiten noch weiter verschärfen wird. Er hat versprochen, die öffentliche Förderung von Verhütungsmitteln und Vorsorgeuntersuchungen für Frauen sowie das Recht auf Schwangerschaftsabbruch einzuschränken und Rechte und Antidiskriminierungsbestimmungen für Homosexuelle und Transgender aufzuheben. Mit seinem Freifahrschein für Energiekonzerne, öffentlichen Grund durch Fracking, Ölförderung, Kohlebergbau und Pipelines zu zerstören, bedroht er das Leben auf der Erde, wie wir es kennen.

Was können wir angesichts dieser Gefahren tun? Als Erstes müssen wir verstehen, mit was wir es zu tun haben. Wir können nicht wünschen und hoffen, dass Trump nicht so schlimm sein wird, wie wir denken. Wir können nicht hoffen, dass die Demokraten für unsere Interessen eintreten werden. Und – das ist vielleicht am wichtigsten – wir können uns nicht gegenseitig die Schuld geben und auf den »teile und herrsche«-Trick der one percent[1] reinfallen. Wir können uns nicht spalten lassen und rassistische, sexistische, antimuslimische oder homophobe Rede- und Verhaltensweisen tolerieren.

Die Studierenden haben Recht, wenn sie die Vorlesungen verlassen, die Leute haben Recht, wenn sie in amerikanischen Städten auf die Straße gehen und Proteste für den Tag von Trumps Angelobung planen, um ihm vom ersten Tag seiner Präsidentschaft an zu zeigen, dass wir seine Angriffe und seine offene Verteidigung der Interessen der Bosse und Banker, die auf unsere Kosten und auf Kosten der zukünftigen Generationen gehen, nicht akzeptieren.

Wir dürfen uns das nicht gefallen lassen, wir müssen uns organisieren und uns darauf vorbereiten, uns zu wehren. Es ist möglich. In North Dakota haben sich tausende Menschen dem Sioux-Indianerstamm Standing Rock in seinem Kampf gegen die Zerstörung seines Landes, seines Wassers und seiner blanken Existenz durch Ölkonzerne angeschlossen.

Aber wir müssen über Demonstrationen und isolierte Abwehrkämpfe hinausgehen. Wir müssen uns daran erinnern, dass wir die Mehrheit sind. Wir produzieren die ganzen Güter; wir erbringen die ganzen Dienstleistungen; wir halten die Gesellschaft am laufen – und wir können sie auch zum Stillstand bringen. Jetzt ist die Zeit damit anzufangen. Schließt euch uns an!

Die Sündenbockstrategie

Wem geben wir die Schuld für die Wahl Trumps? Geben wir denen die Schuld, die nicht zur Wahl gegangen sind? Denen, die gedacht haben, ihre Stimme würde mehr Arbeitsplätze schaffen? Den Frauen, die einen Sexisten gewählt haben? Den AfroamerikanerInnen und Latinos, die einen Rassisten gewählt haben? Denen, die gedacht haben, ihre Stimme würde ihre Waffen und ihre Sicherheit schützen? Denen, die gedacht haben, sie würden gegen Washington wählen? Denen, die glauben, dass MigrantInnen das Problem sind? Denen, die geglaubt haben, ihre Stimme würde das sogenannte Recht auf Leben[2] verteidigen?

Wenn wir nicht das System infrage stellen, das die Probleme verursacht, werden wir uns am Ende nur gegenseitig die Schuld geben. Es ist das System der Bosse, welches Donald Trump geschaffen hat, das kapitalistische System, das Profite über Menschenleben stellt, das die große Mehrheit ausbeutet und unterdrückt.

Sie tun alles um uns zu spalten und uns gegeneinander aufzubringen. Und dann lachen sie, wenn wir in die Falle tappen.

Wer hat Trump gewählt und warum?

In den Swing States im Mittleren Westen hat beinahe ein Drittel der 700 Bezirke, die 2008 Obama gewählt haben, diesmal Trump gewählt. Woher der Wandel? Trumps Wahl war zum Großteil ein Ausdruck von ökonomischer Hoffnungslosigkeit und Abscheu gegenüber der Politik Washingtons.

In Indiana zum Beispiel sind in den letzten 16 Jahren 100.000 Arbeitsplätze in der Produktion verloren gegangen. Bei den neuen Jobs, die es gibt, bekommt man ungefähr 20.000 Dollar im Jahr (etwa 18.600 Euro). Weiße männliche Arbeiter ohne Hochschulabschluss haben ihr Einkommen in den letzten Jahrzehnten um 20 Prozent gekürzt bekommen. 85 Prozent der Trump-WählerInnen bewerten die wirtschaftliche Lage negativ.

Clinton hat gesagt, dass sie diesen Kurs fortführen würde, und bezeichnete Trumps AnhängerInnen als »erbärmlichen Haufen«. Bei dieser Auswahl – ist es wirklich verwunderlich, warum einige Trump gewählt haben?

Sitzen wir alle im »gleichen Boot«?

Bei ihrem Treffen im Weißen Haus haben Obama und Trump wie Freunde gewirkt. Obama sagte, seine höchste Priorität sei nun, dafür zu sorgen, dass Trump ein erfolgreicher Präsident wird. Trump nannte Obama einen »sehr guten Mann«.

Aber während des Wahlkampfs sagte Obama, Trump sei unqualifiziert und nicht dafür gewappnet Präsident zu sein; er verurteilte Trumps Angriffe auf Frauen, AfroamerikanerInnen, MigrantInnen und Muslime. Trump sagte, dass Obamas achtjährige Präsidentschaft ein »Desaster« war und dass er die als »Obamacare« bekannte Reform des Gesundheitssystems und einen Großteil von Obamas politischem Vermächtnis rückgängig machen werde. Also was zum Teufel geht hier vor sich?

Egal was sie im Wahlkampf sagen – die PolitikerInnen, die die one percent vertreten, wollen sichergehen, dass der Machtwechsel reibungslos vonstattengeht und das System, das ihre Profite garantiert, ohne Unterbrechung weiter bestehen kann.

Wie sollen wir das unseren Kindern erklären?

Ob wir Eltern, Geschwister oder Lehrer sind – wir sagen unseren jungen Mitmenschen, dass sie sich gegenseitig mit Respekt behandeln und nicht mobben sollen.

Aber wie erklären wir ihnen, dass ein Mann, der Frauen schikaniert und beleidigt hat, der Minderheiten, MigrantInnen und Muslime bedroht hat, Präsident ist?

Viele Kinder haben Angst und Sorgen, dass ihre Familie wegen ihrem Aufenthaltsstatus auseinandergerissen wird oder dass sie wegen ihrem Aussehen belästigt werden.

Wir sollten sie zwar so gut wie möglich beruhigen, aber uns sicherlich nicht an diesen Wahnsinn anpassen. Wir können ihnen sagen, dass das ihre Welt ist, dass sie sich nichts gefallen lassen brauchen und dass sie das Recht haben, aus der Schule von San Jose bis nach Oakland und von Denver bis nach Omaha zu gehen.



[1]Das Schlagwort der one percent ist während der Occupy-Proteste 2011 in den USA geprägt worden. Es bezeichnet den Bevölkerungsanteil der reichsten und mächtigsten Menschen in einem Land, die einen erheblichen Einfluss auf Wirtschaft, Politik und Medien haben.

[2]Gemeint ist die Forderung nach der Ausweitung des Verbots der operativen Entfernung von Embryonen, welche von konservativen ChristInnen als Rechtssubjekte verstanden werden.