Werden Sie am Arbeitsplatz ignoriert? Das kann Zufall sein ÃÂàoder der Beginn einer systematischen Ausgrenzung. Die Isolation beginnt subtil, wortlos, unausgesprochen, still und schleichend. Umso lauter ist bisweilen die KÃÂörpersprache: ein physisches Abwenden, eine Obstruktion aller KommunikationsgefÃÂäÃÂÃÂe nach auÃÂÃÂen, die sich lustig machende, nicht ernst nehmende, nicht beachtende Mimik und Gestik, der wortlose Blick werden zu den Waffen des systematischen Schikanierens. In der KÃÂüche werde PlÃÂäne geschmiedet, sie wird zum Herd der GerÃÂüchte und ÃÂüblen Nachreden. Betroffene werden zunÃÂächst noch in Abwesenheit kritisiert und dann – wenn jegliche Verteidigung aussichtslos geworden ist – vor versammeltem Team bloÃÂÃÂgestellt. Informationen werden zurÃÂückgehalten, nicht geteilt und daher nicht mitgeteilt. Ja es kann passieren, dass Sie versetzt werden, nachdem Sie wochenlang mit Kommunikationslosigkeit und Ignoranz verletzt worden sind. Und spÃÂätestens dann erkennen sie: es ist kein Zufall. Sie arbeiten noch sorgfÃÂältiger, noch selbstloser, noch fleissiger, fast bis zur Selbstaufgabe. Und peu-ÃÂà-peu verlieren sie immer mehr an SelbstwertgefÃÂühl und emotionaler StabilitÃÂät. Ein stilles Leiden beginnt fortan, aus Scham, aus Angst vor dem Arbeitsplatzverlust! Mittlerweile werden die psychosomatischen Folgen sichtbar: Stress, Schlaflosigkeit, Kopf- und Magenschmerzen, vielleicht sozialer RÃÂückzug. Sich ÃÂüber lÃÂängere Zeit starken Stressoren auszusetzen, macht krank. Die Drahtzieher der Intrigen sind ihrem Ziel nÃÂäher: ihre erwÃÂählten und gekrÃÂänkten Opfer erkranken. Sie bleiben dem Arbeitsplatz fern, ÃÂüberlassen gleichsam das Terrain ihren Widersachern. WÃÂährend die Opfer sich im wahrsten Sinn des Wortes aus ÃÂÃÂbelkeit vom ÃÂÃÂblen befreien, sich ÃÂübergeben, nÃÂützen die Krankmacher die Zeit, um an ihrem Intrigennetz weiter zu spinnen. Ein circulus vitiosus nimmt seinen Lauf. Wenn Sie die Akteure der Verleumdungen gerade heraus ins Antlitz ansprechen, erwarten Sie SÃÂätze wie: “Sie sind zu sensibel! Passen Sie sich doch an! Warum leiden nur Sie darunter? Versuchen Sie sich besser zu sozialisieren! Ja, ich weiÃÂÃÂ, es sind immer die Anderen schuld!” Mobbing ist kein ÃÂüblicher Alltagskonflikt am Arbeitsplatz: es beschreibt “feindliche Angriffe und Verhaltensweisen, die systematisch und ÃÂüber einen lÃÂängeren Zeitraum (6 Monate) ausgeÃÂübt werden und die darauf abzielen, zu demÃÂütigen oder auszugrenzen”. Mobbing beginnt allzu oft mit ÃÂübler Nachrede und Grenzverletzungen. Diese zu bemitleidenden TÃÂäter sind im Grunde selbst schwach und ÃÂängstlich, klein und konformistisch. Sie kÃÂönnten niemals die “menschliche StÃÂärke” aufzubringen, ihr Opfer von Antlitz zu Antlitz, offen mit ihrer “stillen Arbeit gegen sie” zu konfrontieren. Wer dies frÃÂüh erkennen kann und sich wehrt und professionelle UnterstÃÂützung holt, kann die Katastrophe noch abwenden. Doch liegt es in der Natur der Agitation eines stillen Mobs, dass die Betroffenen diese nicht rechtzeitig wahrnehmen. Was sind die Ursachen? Was sind die Mechanismen? Zum einen sind es gruppendynamische Prozesse. Schon die LektÃÂüre von “Masse und Macht” (Elias Canetti) liefert uns erschreckende Parallelen zum sogenannten Mob, zum PÃÂöbel, zur Masse, die in faschistischen Diktaturen wÃÂüten durfte, und jenem Pendant (in Einzelperson und dazu gehÃÂörigem Netzwerk), der im Mikrokosmos des Krankenhauses Existenzen ruinieren hilft. Es mag nicht immer wie bei Arthur Schnitzlers Professor Bernhardi sein, aber im Wesentlichen sind die Schuldigen und die Opfer immer dieselben. Der Boden, auf dem der Mob wÃÂütet, bleibt auch ÃÂähnlich: Ressentiment, Neid, Antipathie. Umstrukturierungen und Personalabbau erzeugen Stress und Angst vor einem Arbeitsplatzverlust. Das wiederum kann Motor eines Mobbing werden. Oft findet sich ein unzureichendes Konfliktmanagement: statt konstruktive LÃÂösungen zu suchen, wird ein psychosozialer Stress erzeugt und Feindschaften etabliert, ja konstruiert. Mobbing ist in diesem Sinne eine Art strategisches Instrument: es wird im Hinterhalt, hinterrÃÂücks Agitation betrieben, es werden Bilder geschaffen und diese Bilder werden repetiert, und das durch alle Schichten der Krankenhaushierachie hindurch: die OberrÃÂärztin wird vor den Augen der TurnusÃÂärzte blamiert und gedemÃÂütigt, sie wird im Small-Talk mit den etablierten (daher zum konformen Denken erzogenen) Krankenschwestern vor den Augen des jungen Personals in der GerÃÂüchtekÃÂüche durch den Kakao gezogen. Das ist systematisches Demontieren des Ansehens einer Person. Das ist ZerstÃÂörung von Respekt. Und wenn es um das ÃÂÃÂble geht, durchbricht man gerne die Hierarchien: der Oberarzt wird kollegial mit dem “Unterbau” gegen die zu Diffamierende “weiter oben”, der Mob darf lachen. Wenn es hingegen um die wichtige Ausbildung der jungen ÃÂÃÂrztegeneration geht, sind die Mauern der Hierarchien wieder in alten Positionen aufgerichtet. Die vermeintliche DurchlÃÂässigkeit der Hierarchien diente also bloÃÂàder BloÃÂÃÂstellung und Diffamierung des unliebsamen Kollegen. Nicht nur der Aggressor, sondern zahlreiche Mitwisser und Mitakteure, ja eine ganze Station, die ganze Abteilung kann involviert sein und in Mitleidenschaft gezogen werden. Die Betroffenen sind meist leistungsorientierte, extrovertierte ebenso wie sensible, ruhige Menschen, aber meist mehr Frauen als MÃÂänner. Durch ein herausragendes Engagement, aber auch durch ein subjektiv-leistungsfÃÂähigere Empfinden macht sich so manch ein Mitarbeiter zum Aussenseiter. Manchmal aber ist ein Betroffener einfach nur zur falschen Zeit am falschen Ort. Die Bewusstwerdung der VorgÃÂänge ist wichtig fÃÂür adÃÂäquaten Selbstschutz: die Konfliktsituationen analysieren und aufarbeiten, Distanz zum Arbeitsumfeld aufbauen und neue persÃÂönliche Ressourcen gewinnen, ist notwendig, um an einer erfolgreichen Abwehr arbeiten zu kÃÂönnen. Der erste Schritt fÃÂür Betroffene ist, die Situation objektiv zu bewerten ÃÂàam besten mit einer Vertrauensperson. Danach sollte man dem Angreifer sachlich signalisieren, dass man sein Verhalten nicht toleriert. Was allerdings nicht immer erfolgreich ist und die Intrige stoppen kann. Umso wichtiger ist es, den direkten Vorgesetzten zu informieren. Konfliktmanagement gehÃÂört zu den FÃÂührungsaufgaben. FÃÂührungskrÃÂäfte sollten sich vermehrt als integre Vorbilder begreifen und ihrer FÃÂürsorgepflicht nachkommen und Verantwortung ÃÂübernehmen. Fatal ist nur, wenn der Chef selbst zu den Aggressoren gehÃÂört (Bossing). Hierbei sollten Betroffene umgehend die nÃÂächsthÃÂöhere FÃÂührungsebene, Personalabteilung oder GeschÃÂäftsleitung hinzuziehen und sich zuvor von einem Mobbingspezialisten oder Fachanwalt beraten lassen. Ratsam ist auf jeden Fall, schon frÃÂüh ein detailliertes Protokollheft zu fÃÂühren, um den Konfliktverlauf zu dokumentieren. Das hilft zum einen, die VorfÃÂälle zu reflektieren, dient aber auch als Sachverhaltsdarstellung fÃÂür den Arbeitgeber, den Therapeuten sowie fÃÂür eine spÃÂätere rechtliche Auseinandersetzung. Mobbinghandlungen kÃÂönnen zivil- und arbeitsrechtliche Folgen haben und verletzen in manchen FÃÂällen sogar strafrechtliche Vorschriften. Eine Strafanzeige kann ein wirksames Mittel darstellen, zumal die Aggressoren meist ÃÂängstliche, ja schwache Menschen sind, die Allianzen meist aus ebenso ÃÂängstlichen und schwachen MitlÃÂäufern bestehen! Eine wertschÃÂätzende “Betriebskultur” mit tragfÃÂähigen sozialen Beziehungen arbeitet dem Risiko der Ausgrenzung von Mitarbeiter/innen entgegen. Die FÃÂürsorgepflicht des Arbeitgebers verlangt, dass er die physische und psychische IntegritÃÂät des Arbeitnehmers schÃÂützt, was auch die Achtung seiner PersÃÂönlichkeit impliziert! Als Verletzung der IntegritÃÂät gelten neben Mobbing auch sexuelle BelÃÂästigung und Diskriminierung. Entscheidend ist, dass Betroffene den Arbeitgeber frÃÂüh und mehrfach mÃÂündlich und schriftlich ÃÂüber Schikanen orientieren. FrÃÂühe Intervention ist wichtig. Wird der Arbeitgeber darÃÂüber informiert, muss er ohne VerzÃÂögerung aktiv werden. Dem Opfer fÃÂällt es aber oft schon schwer, sich an die Vorgesetzten zu wenden. Gibt es Mitwisser, wollen sie hÃÂäufig aus Angst nicht aussagen. Mobbing ist nicht nur fÃÂür die Betroffenen und ihr soziales Umfeld tragisch, es schadet letztlich allen Beteiligten und generiert enorme Kosten: Krankschreibungen, Demotivation und Leistungsreduktion. Die Fluktuation steigt. So verliert der Arbeitgeber Mitarbeiter und Reputation. Courage bedeutet “hinschauen” und “gesundheitsfÃÂördernd intervenieren”: Mitwisser sollten soziale Verantwortung ÃÂübernehmen und Betroffenen beistehen. Zivilcourage erfordert jedoch Selbstbewusstsein und RÃÂückhalt. Mit Sensibilisierung und Weiterbildung kÃÂönnen wir destruktiven Handlungen entgegenwirken: ÃÂüber die StÃÂärkung von Empathie und Verantwortungsbewusstsein, sowie die FÃÂörderung der Gesundheits-, Sozial- und Konfliktkompetenz. Ausserdem fÃÂühren klare Arbeitsstrukturen sowie eine faire, transparente Kommunikation zur Stressreduktion und sollten daher Teil der betrieblichen GesundheitsfÃÂörderung sein. Wir mÃÂüssen wieder lernen, mehr auf uns (Selbstreflexion) und auf den Anderen (Beachtung, Respekt, WertschÃÂätzung) zu schauen. Wir mÃÂüssen das Unsichtbar-Gemachte (an Menschlichkeit) wieder sichtbar machen. Wir mÃÂüssen (den Anderen) sehen, um eine Einsicht zu entwickeln. Die WÃÂürde des Menschen darf nicht antastbar werden. WertschÃÂätzung muss aktiv praktiziert werden. Wir mÃÂüssen uns fragen: was ist uns der Mensch Wert? Von E. A.
Ecce homo – was ist uns der Mensch wert?
Gastbeitrag von E.A., Beschäftigter in einem Wiener Krankenhaus, über Mobbing am Arbeitsplatz.