FIFA: Korruption als Spiegel der kapitalistischen Gesellschaft

Dass die FIFA korrupt ist, überraschte wohl niemandem. Die Ausmaße und die Dreistigkeit der Funktionäre schlugen dennoch hohe Wellen. In der aktuellen Vorderseite, die wir gemeinsam mit der SAS vor Berliner Betrieben verteilen, weisen wir auf die gesellschaftlichen Umstände hin, die so ein Verhalten zum ganz normalen Alltag machen. 

Die übernächste Fußball-Weltmeisterschaft wird bekanntlich in Katar ausgerichtet, einem Land, wo Temperaturen um 40°C mit Spitzenwerten bei 50°C herrschen. Die Funktionäre des Weltfußballverbands FIFA haben diese seltsame Entscheidung nicht ganz umsonst getroffen. Sogar alles andere als umsonst – sie wurden mit Millionen dafür geschmiert, was niemanden wirklich verwundert.

Ein skurriles Detail aus der Welt dieser „Entscheidungsträger“: Chuck Blazer, der jetzt als Kronzeuge seine Kollegen belastet, hat sich inmitten von New York ein eigenes Appartement nur für seine Katzen geleistet – Kostenpunkt umgerechnet 5.300 € monatlich, also Peanuts im Sportgeschäft.

Dazu gesellen sich Staatschefs, die ebenfalls dieser Entscheidung zugestimmt haben, und die genauso weit davon entfernt sind, ganz ehrlich eine schöne WM organisieren zu wollen. Auch sie haben zuallererst wirtschaftliche Interessen im Blick.

Geld ist ihre einzige Perspektive.

Die WM in Deutschland 2006 hat 3,7 Mrd. €, die in Südafrika rund 3 Mrd. und die letzte WM in Brasilien sogar offiziell 8,75 Mrd. € (realistisch eher 10 Mrd.) gekostet. Summen, die auf die eine oder andere Weise in die Taschen der diversen an den Megaevents beteiligten Unternehmen gewandert sind, darunter Bauunternehmen wie Hochtief, Sicherheitsfirmen, Getränkehersteller wie Coca Cola, Sportartikelhersteller wie Nike oder Adidas, usw.

Bei der WM in Deutschland kostete allein der Umbau der Stadien 1,4 Mrd., wobei aus Bundes- und Landeskassen 530 Mio. an öffentlichen Geldern zugeschossen wurden. Außerdem unterstützte der Staat den Bau von Straßen und Autobahnen in Höhe von 3,7 Mrd. €. In Anbetracht solcher Summen kann niemand erwarten, dass die Spielregeln beim Verteilen des Kuchens besonders sauber sind.

Im Zusammenhang mit der WM-Vergabe 2006 an den Deutschen Fußball-Bund gibt es Korruptionsvorwürfe gegen Fedor Radmann, den damaligen Marketingdirektor bei Adidas… und gegen Günter Netzer, der bei den WMs nicht etwa nur als ARD-Kommentator tätig war. Netzer ist „Executive Director“ bei der schweizerischen Firma „Infront sports & media“, die Fernsehübertragungsrechte und Bandenwerbung vermarktet, und – wer hätte das gedacht! – von Philippe Blatter geleitet wird, einem Neffen vom großen Sepp.

Die Politiker_innen tun so, als ob es noch eine Frage wäre, ob es Bestechung gegeben hat oder nicht. Die Vorsitzende des Sportausschusses im Bundestag, Dagmar Freitag (SPD), bemerkt sehr zurückhaltend: „Nach den Vorkommnissen der letzten Tage muss allen klar sein, dass hinter jeder einzelnen Vergabe einer Fifa-WM Fragezeichen auftauchen“. Fragezeichen?! Und Merkel erklärte nach dem Rücktritt von FIFA-Präsident Blatter: "Das ist für die Milliarden Fans des Fußballs – zu denen ich selbst gehöre – eine wichtige Nachricht". Sie belehrt uns weiter, dass die "schmutzige Seite" des Fußballs dringend aufgeräumt werden müsse. Was für eine Heuchelei! Im Rahmen des Skandals der FIFA gibt es keineN Politiker_in, der nicht das „Übel in allen Bereichen von Sport und Gesellschaft“ angeprangert hätte. Als wenn ihnen die Welt des Geldes völlig fremd wäre! Es ist utopisch zu hoffen, dass eine Gelddruckmaschine wie die FIFA sauber sein könnte.

Die Rückseite der Medaille

Hunderttausende Ehrenamtliche weltweit leben für den Fußball als kollektiven Sport und bringen ihn beispielsweise Millionen von Kindern bei. Doch ab einer bestimmten Größe drängen sich immer Wirtschaftsinteressen dazwischen. Der Kapitalismus zieht alles in den Dreck, was er anfasst. Wie es Romario, ehemaliger Spitzenstürmer der brasilianischen Nationalmannschaft ausgedrückt hat: „Unser Sport wird von Führungsleuten ausgesaugt, die in ihren Ehrentribünen bleiben und auf die Millionen anstoßen, die auf ihre Bankkonten fließen.“

Dazu kommt der größere Skandal, der sich auf den WM-Baustellen in Katar abspielt: Laut Internationalem Gewerkschaftsbund sind seit der Vergabe 2010 insgesamt 1.200 Arbeiter aus Indien und Nepal auf den Baustellen umgekommen; mindestens weitere 4.000 Arbeiter werden bis 2022 sterben, sofern sich an den unmenschlichen Arbeits- und Lebensbedingungen in Katar nichts ändert. Aus deren Ausbeutung wie aus der Ausbeutung aller anderen Arbeitenden speisen sich die Profite der weltumspannenden Konzerne, die mit den von der FIFA organisierten Großereignissen ihren Reibach machen. Diese kapitalistische Ausbeutung ist der eigentliche Skandal, der beseitigt werden muss!