Die Krise des österreichischen Gesundheitssystems setzt sich fort, der Wiener Krankenanstaltenverbund ist ein Beispiel dafür, wie sie auf den Rücken der Beschäftigten abgewälzt werden soll. Florian Weissel und Sarah Ott analysieren die Hintergründe.
Bereits seit einiger Zeit wird in den Medien immer wieder vom bestehenden Ärztemangel berichtet, JungärztInnen wandern ins lukrativere Ausland ab, wo sie sowohl bessere Arbeitsbedingungen, als auch Bezahlung und Anrechnungen ihrer Ausbildung vorfinden. Das Problem wird durch die EU-Vorgabe von einer Wochenarbeitszeit von maximal 48 Stunden noch weiter verschärft. In anderen EU-Ländern wurde diese Richtlinie schon längst umgesetzt, aber in heimischen Spitälern gibt es nach wie vor Wochendienste mit über 70 Stunden. Letzte Frist für eine Lösung dieses Problems ist der 1.1.2015, danach werden Strafzahlungen an die EU fällig.
Klarerweise fordert eine Arbeitszeitreduzierung aber jede Menge neues Personal. Anstatt jedoch beispielsweise die Zugangsbeschränkungen auf den Medizin Unis aufzuheben will Sozialminister Hundsdorfer eine neue Opting-out-Regelung ins Parlament einbringen, die es erlaubt mit ÄrztInnen individuelle Verträge über längere Arbeitszeiten zu schließen um die Regelung weiterhin zu umgehen. Das könnte von der EU zwar bis 2021 akzeptiert werden, allerdings ist das mit Sicherheit keine akzeptable Lösung und verschlechtert die Arbeitsbedingungen von vor allem jungen ÄrztInnen noch weiter. Und klarerweise wollen ÄrztInnen auch gar nicht länger arbeiten, sondern bessere Arbeitsbedingungen und Entlohnung. Zusätzlich dazu soll ab Mitte 2015 die Ausbildung der TurnusärztInnen nach neuen gesetzlichen Grundlagen erfolgen und das neu eingeführte Klinisch Praktische Jahr für Medizin StudentInnen wird erstmals stattfinden, was die Situation noch weiter verschärft.
Neue „Zusammenarbeit“
Der Krankenanstaltenverbund (KAV) reagiert nun auf den Ärztemangel mit einer Abwälzung des Problems auf das Pflegepersonal, indem eine weitere Regelung bezüglich der Zusammenarbeit von Medizin und Pflege eingeführt wird. Im Grunde sollen diplomierte KrankenpflegerInnen (DGKP) mehr Tätigkeiten, die bisher von ÄrztInnen durchgeführt wurden, übernehmen. Das umfasst beispielsweise die „Verabreichung von Arzneimitteln, Vorbereitung und Verabreichung von subkutanen, intramuskulären und intravenösen Injektionen,Vorbereitung und Anschluss von Infusionen bei liegendem Gefäßzugang, ausgenommen Transfusionen, Blutentnahme aus der Vene und aus den Kapillaren, Setzen von transurethralen Blasenkathetern zur Harnableitung, Instillation und Spülung, Durchführung von Darmeinläufen, Legen von Magensonden“.
Rechtlich wird diese Kompetenzverschiebung durch den §5 des Gesundheits- und Krankenpflegegesetz gedeckt in dem diese Tätigkeiten als „mitverantwortlicher“ Tätigkeitsbereich definiert sind, bei dem Pflichten und Verantwortlichkeiten genau festgelegt sind: „Arzt/Ärztin trägt die Verantwortung für die Anordnung. DGKP trägt die Verantwortung für die Durchführung der angeordneten Tätigkeit“. Außerdem muss „die ärztliche Anordnung vor Durchführung der betreffenden Maßnahme in der jeweiligen Krankengeschichte schriftlich dokumentiert sein (keine pauschale Delegation)“, was noch mehr bürokratische Anforderungen bedeutet, die laut einer IFES-Umfrage zum Thema Spitalsreform heute schon von 58 Prozent des Pflegepersonals als zeitliche Belastung gesehen werden.
Mehrbelastung für Pflege
Die neue Arbeitsaufteilung bedeutet unter den Bedingungen der bereits jetzt bestehenden strukturellen Unterbesetzung eine enorme Mehrbelastung. Und das in einer Situation in der nicht einmal jede zweite Pflegekraft glaubt bis zum Pensionsalter durchzuhalten, die Mehrheit klagt über Rückenschmerzen und/oder psychische Belastung. Auch wenn teilweise davon die Rede ist auf manchen Stationen eine zusätzliche Pflegekraft zur Verfügung zu stellen, so ist das noch lange nicht ausreichend, wenn man den Umfang der zusätzlichen Tätigkeiten in Betracht zieht. Österreich liegt was die Anzahl des Pflegepersonals betrifft unter dem EU-15 Durchschnitt und man muss eigentlich von einem gravierenden Mangel an Pflegekräften sprechen. Laut der bereits genannten IFES-Umfrage sind die Hauptprobleme Zeitdruck, Stress und offensichtliche Personalknappheit. Außerdem gehen die meisten davon aus, dass Arbeitsbelastung und Zeitdruck noch weiter ansteigen werden und sich das Arbeitsklima verschlechtern wird.
Angesichts dieser Ergebnisse wäre es also vielmehr angebracht für mehr Personal zu sorgen und die körperlichen und psychischen Belastungen zu verringern anstatt durch neue Aufgabenbereiche für noch mehr Belastung und Stress zu sorgen. Es braucht genügend finanzielle Mittel für ausreichend Personal, Ausbildung, Forschung und ausreichend große Krankenhäuser in denen genug Platz für alle PatientInnen ist und diese nicht in Gangbetten liegen müssen. Dazu ist es unumgänglich von politischer Seite dafür zu sorgen, dass der Gesundheitsbereich ausreichend finanziert wird.