–„Ich will keinen Ball, ich will eine Schule!–“

Die WM wird weiter von Protesten und Kritik begleitet. In der aktuellen Vorderseite unserer Betriebsflugblätter in Berlin nehmen wir Stellung zu den profitablen Geschäften der FIFA auf dem Rücken der Arbeitenden und der armen Bevölkerung. Derzeit sind alle Augen auf die Fußball-Weltmeisterschaft in Brasilien gerichtet. Ganz am Rande der spannenden Fußballmatches sieht man immer wieder die Brasilianische Bevölkerung auf der Straße. Demonstrationen, Proteste und sogar Streiks sind auch ein Teil der Schlagzeilen aus dem sonst so Fußball-verrückten Land. Schon vor einem Jahr waren in wochenlangen Protesten Millionen Menschen auf die Straße gegangen. Sie waren empört darüber, dass korrupte Politiker_innen für die WM die öffentlichen Kassen plündern und damit die Taschen der Konzerne füllen, während für das Gesundheitswesen und die Bildung angeblich kein Geld da sei und die Fahrkarten für die städtischen Busse so teuer geworden sind, dass ein Drittel des Lohns dafür draufgeht. Eine häufige Parole lautete: «Ich will keinen Ball, ich will eine Schule» («Não quero bola, quero escola»).

„Copa para quem?“ – WM für wen?

Diese WM ist die teuerste aller Zeiten. Mit 8,5 Milliarden, übersteigt sie die Kosten der WM in Südafrika und Deutschland zusammen. Damals, im Jahre 2007, als Brasilien den Zuschlag für die Austragung der Weltmeisterschaft bekam, hieß es noch vom Präsidenten des brasilianischen Fußballverbands: „Die WM ist eine private Veranstaltung bei der keinerlei öffentliche Ausgaben für sportliche Veranstaltungen getätigt werden.“ Tatsächlich wurden nur 1,6% der Stadionkosten von privaten Investoren getragen. Die restlichen Gelder zahlt die öffentliche Hand. Und das in einem Land in dem Armut und soziales Elend an der Tagesordnung sind.

Die Gewinne der WM dagegen fließen natürlich in private Taschen. So wird allein die FIFA unversteuert mindestens 4 Milliarden Dollar einnehmen. Doch auch deutsche Firmen und Konzerne verdienen an den 12 WM-Stadien ordentlich mit: So etwa die Architekturbüros "gmp" für die Städte Manaus, Belo Horizonte und Brasilia und "Schulitz + Partner" für die neue Arena in Salvador. Dazu kommen Sicherheitssysteme von Bosch und Siemens, Fahrstühle von ThyssenKrupp oder auch 100.000 Liter BASF-Farbe für das Maracana-Stadion in Rio. Einen dauerhaften Nutzen für die Bevölkerung haben die Stadion- und Infrastrukturbauten im Zuge der WM nicht. Angesichts der vielen Toten bei den Bauarbeiten und der doch eigentlich dringend benötigten Krankenhäuser und Schulen – ein kompletter Wahnsinn.

Die Armut vertuschen

Doch nicht nur die Verschwendung von öffentlichen Geldern treibt die Brasilianer_innen auf die Straße. Schnell wurde ihnen klar, dass sie bei diesem internationalen Großereignis eigentlich nur ein Störfaktor sind. Schon lange im Vorfeld nutzte die Regierung die WM als Anlass die Armen aus den Favelas –  den Slums der Großstädte – zu vertreiben. Über 250.000 Menschen wurden zwangsumgesiedelt. Für die meisten von ihnen bedeutet es nichts anderes als Obdachlosigkeit – für Ersatz sorgt die Regierung kaum. Sie täuscht Sorge um die Sicherheit der Städte vor, um die Favelas zu räumen oder zu besetzen. Doch die bisherige Praxis zeigt deutlich, dass es um die Schaffung von lukrativen Immobiliengeschäften geht: Innenstadt-Aufwertung durch den Bau von Luxushotels und Bars. Mit den Sorgen der Bevölkerung haben diese Maßnahmen nichts zu tun, denn bei einem Durchschnittlohn von 280 € geht es eher ums Überleben als um ein Feierabendbier.

Möge die Bevölkerung gewinnen

Doch die Bevölkerung zeigte bereits vor einem Jahr, dass sie nicht passiv die Angriffe der Regierung und der Konzerne hinnimmt. Auch heute prangert sie die Politik der sozialdemokratischen Regierungspartei PT  an, welche nun schon jahrelang eine Verbesserung der Lage der Menschen im Land verspricht und gleichzeitig Milliarden in die WM steckt.

Noch vor einigen Tagen wurden gerade öffentliche Bereiche wie Straßenreinigung, Öffentlicher Nahverkehr und das Bildungssystem bestreikt um gegen die Sparkurse in diesen Sektoren zu kämpfen und auf die prekäre Lage aufmerksam zu machen.

Auch hierzulande wird uns weiß gemacht, dass keine Gelder für Krankenhäuser, den Nahverkehr oder Schulen da wären. Und auch hier gibt es Großbauprojekte wie Flughäfen und Stadtschlösser, bei denen massenweise öffentliche Gelder verschleudert werden. Auch hier werden Großereignisse wie die WM genutzt um unbemerkt von der Öffentlichkeit die nächsten Schweinereien für die Bevölkerung durchs Parlament zu winken. Es wäre nicht das erste Mal, dass die Politik im Schatten der WM die Kassen auffrischt: Im Sommermärchen 2006 wurde die Mehrwertsteuer erhöht, zur WM 2010 der Krankenkassenbeitrag.  Und so könnten wir uns von den Brasilianern nicht nur in Bezug auf den Fußball vielleicht etwas abgucken, sondern auch von ihren Kämpfen, die trotz Angriffe und Beschwichtigung der Regierung weitergehen.