Korruption gehört zu ihrem Geschäft

Dies ist der Leitartikel unserer Betriebsflugbätter in Berlin, die wir gemeinsam mit der SAS verteilen. Wir setzen uns diesmal mit dem Korruptionsskandal in der Türkei auseinander – einer Korruption, die untrennbar mit dem Kapitalismus verbunden ist.

Die turbulenten Ereignisse in der Türkei in den letzten Wochen zeigen ganz offen die Korruption zwischen Big Business und Regierung. Und das unter anderem beim Bauprojekt des Istanbuler Flughafens – eine Geschichte, die uns nur allzu bekannt vorkommen sollte! Was ist im Einzelnen passiert? Führende Regierungsmitglieder und deren Familien wurden von der türkischen Justiz wegen Bestechungsvorwürfen verhaftet oder vorgeladen und mussten zurücktreten. Aber das ist nur die Spitze des Eisberges.

Tatsächlich ist die Korruption allgegenwärtig. Die zentrale türkische Baubehörde TOKI, die dem Premierminister Erdogan direkt unterstellt und öffentlicher Kontrolle völlig unzugänglich ist, steht im Mittelpunkt der Ermittlungen. Die offenbar gegen Bestechungsgelder erteilten Baugenehmigungen kurbelten die Investitionen an und brachten Geld ins Land. Dass für solche Bau-Spekulationen Zehntausende Menschen aus ihren Wohnungen verdrängt wurden, spielte keine Rolle. Wieso auch? Der Profit stimmte. Und es hat in den Taschen vieler Mächtiger ordentlich geklimpert.

Ein autoritäres Regime, zerfressen von Machtkampf und Korruption

Erdogan hat auf die Ermittlungen reagiert, indem er Hunderte Staatsangestellte aus Polizei, Justiz und Medien strafversetzt hat, so dass es zu einem öffentlichen Kräftemessen zwischen Justiz und Regierung kam. Ist die Justiz deshalb jetzt ein Beschützer der Demokratie? Wohl kaum: Es ist eine Auseinandersetzung früher verbündeter und jetzt verfeindeter Cliquen. Hinter dem Justizapparat steht die Bewegung des konservativen islamischen Geistlichen Gülen. Solange diese noch mit Erdogan gemeinsam Geschäfte machen konnte, verstand man sich sehr gut. Erst nachdem Erdogan mit ihr brach, wurde die Korruption zum Problem der Nation.

Zweifellos, die Situation in der Türkei ist dramatisch. Die Opfer dieser Politik sind die Armen und Arbeitenden des Landes. Die Wirtschaft wuchs – für die Arbeiter_innen gab es Knüppel, wenn sie auch nur einen Krümel vom Kuchen wollten. Erst vor einem halben Jahr ist die Bevölkerung massenhaft auf die Straßen gegangen: gegen Arbeitslosigkeit und die hohen Preise, den brutalen Druck auf Arbeit und die Polizeirepressionen. Der Auslöser der Proteste war schon damals der korrupte Sumpf rund um die TOKI. Der Gezi-Park im Zentrum Istanbuls sollte – und soll – der um sich greifenden Bau-Spekulation geopfert werden. Für das nächste Shoppingcenter oder den nächsten Büro-Komplex.

Die Sorgen der Unternehmensverbände

Die deutschen und internationalen Unternehmen und Finanziers sind nun sehr besorgt. Ein Korruptionsskandal in der Türkei! Was soll das für die Wirtschaft bedeuten? Von einem „Drama für die gesamte Region und Europa“ spricht der Präsident des deutschen Groß- und Außenhandelsverbands Anton Börner. Doch das Leben der armen Bevölkerung ist den Unternehmen egal. Sie beweinen die „wirtschaftliche Instabilität“. Sie haben Angst vor den „Auswirkungen“ des Korruptionsskandals. Die Korruption selbst ist nicht das Problem. Was sind die deutschen Investitionen anderes als Koffer von Geld für den Regierungsapparat?

Die 5.600 deutschen Unternehmen in der Türkei fürchten vor allem um ihre Milliardengeschäfte: 35 Mrd. Euro flossen allein im letzten Jahr zwischen Deutschland und der Türkei. Sie fürchten, dass es nicht bei den 20.000 Menschen bleiben wird, die nun erneut wieder auf der Straße waren.

Welche Lösung?

Natürlich muss die Korruption bekämpft werden. Doch dabei können die Arbeitenden weder auf den Justizapparat vertrauen, noch auf internationale Institutionen, die angeblich die Korruption bekämpfen wollen. Sie wollen sie nur auf das im Kapitalismus „normale“ Maß begrenzen, so dass niemand dagegen protestiert. Auch sie machen sich darüber Sorgen, dass der Skandal sich in eine wirkliche Regierungskrise verwandeln könnte. Das wäre nur wünschenswert, denn die derzeitige Regierung ist bis ins Innerste verrottet.

Doch alle Unternehmen und herrschenden Eliten sind sich einig: Sie wollen sich selbst bereichern und ihre Herrschaft festigen – wo ist der Unterschied zur offenen Korruption? Es ist gesellschaftlicher Reichtum, erarbeitet von den Arbeiter_innen, der in privaten Taschen versinkt, egal ob von Regierungsapparat oder Unternehmen. Ein wirkliches Ende der Korruption gibt es nur mit dem Ende der Ausbeutung. Und das ist nur gegen die Bosse und ihre politischen Gehilfen zu erreichen.