AKH: “Die KollegInnen sind unzufrieden und wütend.”

Teilweise seit über 8 Jahren arbeiten ca. 1000 KollegInnen im Allgemeinen Krankenhaus (AKH) in Wien auf den Stationen Seite an Seite mit Gemeindebediensteten als Leih- bzw. ZeitarbeiterInnen über die Fremdfirma AGO. Jetzt aber sind ihre Arbeitsplätze in Gefahr. Nun haben KollegInnen gemeinsam mit dem Betriebsrat eine Kampagne ins Leben gerufen. In einem Interview mit www.sozialismus.net spricht ein Mitglied des Betriebsrats über die drohenden Job-Verluste, die Stimmung unter den KollegInnen und Protestaktionen der Beschäftigten.

 

Zur Zeit kämpfen die KollegInnen von AGO im AKH um ihre Arbeitsplätze. Kannst du uns kurz erzählen, wie es überhaupt zu dieser Situation gekommen ist? Warum sind die Jobs in Gefahr?

2010 hat die Leiharbeitsfirma AGO [Akademischer Gästedienst in Österreich GmbH, Anm. der Redaktion] den Zuschlag für die Reinigung im AKH erhalten. Im Jahr 2011 sind Gerüchte über Absprachen und Bestechung beim Vergabeverfahren – Stichwort: Vergabeskandal – an die mediale Öffentlichkeit gelangt. Auch in Folge des entstandenen öffentlichen Drucks ist nun der Auftrag von Seiten des AKH neu ausgeschrieben worden. Die KollegInnen der AGO hatten bis vor kurzem keine Information darüber, wie es mit ihnen weitergehen wird. Es war unklar, wann der Auftrag neu vergeben wird und ob sie ihre Jobs behalten können. Eine offizielle Kündigung des Vertrags gibt es auch jetzt noch nicht. Viele KollegInnen arbeiten schon seit Jahren im AKH, sind gut eingearbeitet und bei den KollegInnen der Gemeinde Wien beliebt. Aktuell läuft der Vergabeprozess. Da die Neuausschreibung nur für Reinigungsfirmen gilt, kann sich die AGO als Leiharbeitsfirma gar nicht bewerben.

Welche Gefahren bestehen durch die Neuvergabe für die KollegInnen?

Für die KollegInnen könnte die Neuvergabe bedeuteten, dass sie entweder ihren Job im AKH verlieren und durch MitarbeiterInnen der neuen Firma ersetzt werden. Sie wissen auch nicht, ob sie in die Firma, die den Zuschlag erhalten wird, übernommen werden. In jedem Fall würde das aber Lohneinbußen von rund einem Drittel bedeuten, da sie dann im schlechter bezahlten Reinigungs-Kollektivvertrag laufen würden. Der Großteil der ReinigerInnen sind ältere Frauen die wahrscheinlich nur schwer einen ähnlich bezahlten Job finden würden. Auf jeden Fall ist zu erwarten, dass sich durch die Vergabe an eine Reinigungsfirma die Arbeitsbedingungen weiter verschlechtern werden.

Was würde das für die Versorgungsqualität im AKH allgemein bedeuten?

Die Qualität würde sich zunächst einmal verschlechtern, wenn langjährig eingearbeitete KollegInnen durch neue ReinigerInnen ersetzt werden würden. Durch die Fremdvergabe würde im Gegensatz zur Leiharbeit die Reinigung nicht mehr vom AKH organisiert, sondern von einer völlig unabhängigen privaten Firma und wäre damit der Profilogik noch stärker unterworfen. Dass in der Marktwirtschaft Profite vor Hygiene gehen ist kein Geheimnis. Multiresistente Keime nehmen schon jetzt zu und jedes Jahr sterben viele Menschen durch Infektionen in Krankenhäusern. In anderen Ländern kann man sehen, dass durch Fremdvergabe der Reinigung auch diese Keime und Infektionen zunehmen und kaum mehr in den Griff bekommen werden.

Wie ist momentan die Stimmung unter den KollegInnen?

Für die KollegInnen geht es um ihren Job und ihre Zukunft. Durch die Ungewissheit sind die meisten KollegInnen unzufrieden und wütend. Sie wollen wissen was mit ihnen passieren soll. Viele haben schon Erfahrungen mit Reinigungsfirmen und wollen auf keinen Fall wieder in so einer arbeiten. Viele sind bereit um ihren Arbeitsplatz zu kämpfen und fragen sich, warum sie den Vergabeskandal ausbaden sollen, an dem sie keine Schuld haben. Ebenso sehen sie nicht ein, warum die Gemeinde Wien, die sich öffentlich derzeit besonders sozial gibt, ihnen gegenüber alles andere als sozial agiert.

Welche Aktionen gab es bis jetzt von Seiten der AGO-Beschäftigten?

Auf einer Betriebsversammlung im März haben hunderte KollegInnen diskutiert, dass sie nicht passiv auf ihre Kündigungen warten, sondern ihre Zukunft selbst mitbestimmen wollen. Es wurde eine Kampagne für die Übernahme in die Gemeinde gestartet. Mit tausenden Infoflugblättern wurde und wird weiterhin versucht auf die Probleme der LeiharbeiterInnen und ihre Anliegen hinzuweisen. Ebenso wurden durch die KollegInnen bisher tausende Unterschriften zur Unterstützung ihres Kampfes und ihrer Forderungen gesammelt. Zuspruch kam sowohl von Beschäftigten der Gemeinde im AKH sowie aus anderen Krankenhäusern, aber auch von PatientInnen und Beschäftigten anderer Branchen.

Am 1. Mai wurde am Rathausplatz eine kollektive Unterschriftensammlung organisiert, bei der versucht wurde, die SPÖ-Basis zu informieren, mit zuständigen FunktionärInnen aus SPÖ und Gewerkschaft zu diskutieren und weitere Unterstützung zu bekommen. Die KollegInnen werden ihre Bemühungen fortführen, sich weiterhin untereinander vernetzen und für weitere Unterstützung einsetzen.

Wie kann es jetzt weiter gehen?

Es muss genügend Druck aufgebaut werden um die Gemeinde zu Verhandlungen zu drängen. Es kann nicht sein, dass die SPÖ Wien eine große Kampagne gegen Privatisierung führt und gleichzeitig in der Stadtregierung weitere Auslagerungen, mit Verschlechterungen für KollegInnen und PatientInnen, beschließt. Alle KollegInnen, die das wollen, sollen von der Gemeinde übernommen werden! Immerhin arbeiten viele schon seit Jahren dort. Schluss mit Fremdvergabe und Leiharbeit, für sichere Arbeitsbedingungen in der Gemeinde Wien!

 

Zum Weiterlesen:

 

Blog der AGO-Beschäftigten

Flugblatt zur Kampagne gegen Leiharbeit

Unterschriftenliste zur Unterstützung der KollegInnen

 

RSO-Betriebsflugblatt "Klartext" zum Thema Privatisierungen in Wien

RSO-Betriebsflugblatt "Klartext" zum Thema Gesundheitssystem