RSO zu Umgruppierungen

In den meisten Ländern sind die revolutionären Kräfte heute auf eine Vielzahl von Organisation aufgeteilt. Diese Situation ist insgesamt sehr negativ. Mit unserem Text wollen wir einen Beitrag leisten zu den Debatten um Umgruppierungen, die es derzeit in einer Reihe von Ländern gibt.

 1. Die Zersplitterung der revolutionären Kräfte und die Frage der Umgruppierung

In den meisten Ländern sind die revolutionären Kräfte heute auf eine Vielzahl von Organisation aufgeteilt. In einigen Ländern haben manche dieser Organisationen einen gewissen Einfluss in Teilen der ArbeiterInnenklasse oder/und der Jugend, dieser Einfluss ist aber sehr begrenzt. In anderen Ländern existieren alle Organisationen real fernab der Klassenkämpfe und haben keine Möglichkeit, auf sie Einfluss zu nehmen. Diese Situation ist insgesamt sehr negativ.

Wir verstehen die Zersplitterung der revolutionären Linken als enormen Mangel für die Beeinflussung oder Durchführung von politischen und sozialen Kämpfen. Wir denken, dass es die Schlagkraft von möglichst großen Organisationen benötigt, um der organisierten Macht des Kapitalismus die organisierte Macht der ArbeiterInnenklasse entgegenzusetzen – mit dem schlussendlichen Ziel des Aufbaus einer sozialistischen Gesellschaft, erreicht durch eine sozialistische Revolution. Wir glauben, dass keine der heute existierenden Organisationen oder Strömungen dieses Ziel allein erreichen wird und kann, dass also Neugruppierungen und Fusionen eine der notwendigen Antworten auf die Schwäche der revolutionären Bewegung sind.

Diese Überlegungen, die wir mit vielen anderen Kräften teilen, führen zur Frage, wie diese Situation überwunden werden kann. „Umgruppierung“, also die Neuformierung der Kräfte der (revolutionären) Linken kann verschiedene Formen annehmen. Es kann breitere linke Formationen unter Einschluss von RevolutionärInnen geben. Es kann (Wahl-)Bündnisse verschiedener revolutionärer Organisationen geben. (In diesen beiden Fällen müssen die revolutionären Organisationen unbedingt ihre eigenen Strukturen aufrecht erhalten.) Und schließlich können verschiedene revolutionäre Kräfte ein so hohes Maß an Übereinstimmung feststellen, dass eine getrennte Existenz nicht zu rechtfertigen ist und sie miteinander verschmelzen. Wir wollen uns im Folgenden vor allem mit dem letzten Fall, mit Fusionen von revolutionären Organisationen beschäftigen. Und wir wollen die Frage beleuchten, unter welchen Bedingungen aus unserer Sicht heute solche Fusionen erfolgversprechend sein können.

Mit unserem Text wollen wir einen Beitrag leisten zu den Debatten um Umgruppierungen, die es derzeit in einer Reihe von Ländern gibt. Wir wollen aber auch nicht verhehlen, dass wir die Chancen für wirklich große internationale Umgruppierungen der revolutionären Linken heute sehr skeptisch einschätzen. Viele Organisationen haben eine lange Geschichte und werden ihre eigenen Traditionen und programmatischen Besonderheiten wohl erst dann hintan stellen, wenn sie das Gefühl haben, dass es tatsächlich einen „großen Wurf“ gibt, eine neue große Organisation also, die tatsächlich einen relevanten Unterschied macht. Wir sehen aber derzeit nicht, wo im internationalen Maßstab die Katalysatoren für diesen großen Wurf sein könnten. Doch Größe ist nicht alles, jeder Organisationsentwurf müsste natürlich erst noch dahingehend geprüft werden, ob er tatsächlich einen Fortschritt darstellt.

Dennoch kann es sicherlich auch heute in kleinerem Rahmen national wie international erfolgreiche Zusammenarbeit, Zusammenschlüsse und Neugruppierungen geben. Und da, wo es breite Übereinstimmungen gibt, sollten alle Organisationen über den eigenen Tellerrand blicken.

2. Die Krise und die Umgruppierung der Linken

Die tiefste Wirtschaftskrise des Kapitalismus seit Jahrzehnten hat auch zu Bewegungen auf der Linken geführt. In vielen Ländern sind die Erwartungen der revolutionären und linken Organisationen und Kräfte auf einen deutlichen Aufschwung der politischen Organisationen nicht eingetreten. Offensichtlich bietet der Reformismus für breite Massen immer noch ein „realistischeres“ Konzept als jene, die den Kapitalismus radikal überwinden wollen.

Das führt zu Verunsicherung, zu Frustration, in manchen Fällen sogar zu Hoffnungen in den Linksreformismus (die zum Scheitern verurteilt sind, wie die Bilanzen linksreformistischer Regierungsbeteiligungen gut zeigen). In einigen Ländern führen die aktuellen Fragen aber auch zu Debatten um eine Neugruppierung der Kräfte. Solche Debatten sind prinzipiell positiv, vor allem, wenn sie etwa dazu beitragen, dass sich revolutionäre Kräfte einander unvoreingenommen nähern und miteinander diskutieren.

Wir anerkennen auch das Bemühen vieler AktivistInnen um die Überwindung der Schwäche der revolutionären Linken. Wir denken, dass viele AktivistInnen in den aktuellen Kämpfen auch wichtige Erfahrungsprozesse durchmachen (die teils auch zum Bemühen führen, die Aufsplitterung der revolutionären Linken zu überwinden). Wir wollen in diesen Debatten nicht völlig abseits stehen, sondern nach unseren Möglichkeiten auch unsere Ideen und Konzepte vorstellen, einbringen und zur Diskussion stellen.

Bei vielen aktuellen Umgruppierungs-Projekten sehen wir dennoch große Fragen und auch Probleme. Die Benennung dieser Probleme halten wir für zentral und in einer solidarischen Debatte auch für notwendig. Es ist offensichtlich, dass die Krise und die gleichzeitige relative Schwäche der Linken viele nach einem schnellen (scheinbaren) Ausweg suchen lassen. Sie suchen Abkürzungen im Weg zum Organisationsaufbau, indem sie über real vorhandene substantielle Differenzen hinwegsehen und auf Basis fauler Kompromisse oder auf nur rein theoretischer oder rein praktischer Übereinstimmung eine scheinbare Vereinheitlichung anstreben. Solche Versuche sind auf Sand gebaut und sind zumeist zum Scheitern verurteilt, weil spätestens bei den ersten realen Tests die vorher unter den Tisch gekehrten Fragen hervorbrechen, die neue Organisation lähmen und in interne Zwists zerfallen lassen.

Wir haben in verschiedenen Ländern immer wieder Versuche zur Umgruppierung gesehen, die schon im Ansatz oder nach kurzer Zeit gescheitert sind oder gerade dabei sind, zu scheitern. Meist ist das dann der Fall, wenn es sich bei den Teilnehmenden um eine Ansammlung sehr kleiner Gruppen handelt, vermischt mit einzelnen AktivistInnen, die oft bereits mehrere Organisationen durchlaufen haben (und sich aus bestimmten Gründen nirgends eingefügt haben/einfügen konnten). Solche Projekte sind meist mehr eine Spielwiese als eine reale Chance.

Tatsächliche Möglichkeiten bieten sich vor allem da, wo es reale Bewegungen gibt und wo neue Schichten in Kämpfe eintreten und sich auch an solchen Projekten beteiligen. Hier kann dann allerdings die Gefahr bestehen, dass die politischen und organisatorischen Fragen nicht ausreichend debattiert werden.

Ein warnendes Beispiel ist hier sicher die NPA (Neue antikapitalistische Partei) in Frankreich, das zweifellos mit Abstand bedeutendste Umgruppierungsprojekt im Europa der letzten Jahre.. Eine in sich bereits politisch völlig heterogene Organisation, die LCR (Revolutionär Kommunistische Liga), hat 2009 die NPA gegründet. Die LCR war eine wesentliche Größe in Frankreich, ihre besten Ergebnisse bei nationalen Wahlen lagen bei über 4%. Viele kleinere Organisationen der revolutionären Linken sind dem Ruf gefolgt und in die NPA eingetreten, sie konnte auch relativ viele davor nicht-organisierte Menschen gewinnen. Doch die LCR war bereits davor extrem heterogen, ihr „rechter“ Flügel suchte die Anbindung an die Sozialdemokratie und die KP, zentrale Debatten waren durch Kompromisse überdeckt worden, es gab innerhalb der Partei Strömungen, die kaum mehr als revolutionär zu bezeichnen waren. Nun führte die neue Lage mit einer weiteren Verwässerung der Programmatik zu einer weitgehenden Desintegration (Ganze Strömungen schlossen sich der neuen reformistischen Linksfront rund um die Linkspartei und die KPF an). Die NPA ist heute in einer existentiellen Krise, es wird sich weisen, wie lange und in welcher Form sie weiterexistiert. Letztlich erwies sich dieses Sammelprojekt eher als Katalysator zur Auflösung der LCR, einer Organisation, die ihre eigenen politischen Hausaufgaben nicht gemacht hatte. Es kann für Organisationen absolut legitim sein, sich auch an einem Sammelprojekt zu beteiligen, wo die Ausgangsbedingungen politisch sehr unbefriedigend sind (falsch fänden wir, es zu initiieren). Doch ist es dann absolut unerlässlich, die eigenen Strukturen als Strömung aufrecht zu erhalten, sich auf ein Scheitern vorzubereiten.

Wir glauben, dass auch und gerade in Zeiten der Krise neue Organisationen nur dann eine langfristige Chance haben, wenn sie auf einem soliden Fundament gebaut sind. Umgruppierungen um jeden Preis und ohne ausreichende Übereinstimmung halten wir für nicht sinnvoll, weil sie aller Voraussicht nach keinen Bestand haben werden.

3. Der Trotzkismus und seine Zersplitterung

Nach dem Zweiten Weltkrieg konnte die 1938 gegründete Vierte Internationale den Praxistest nicht bestehen. Die Tradition zur linksoppositionellen Bewegung vor dem Zweiten Weltkrieg war gebrochen. Die Vierte Internationale war in vielen Fragen orientierungslos und passte sich an sozialdemokratische und stalinistische Parteien an. Aus dieser Entwicklung resultierten zahlreiche Abspaltungen von der Hauptströmung der Vierten Internationale, die allerdings oft selbst wiederum Anpassungstendenzen zeigten oder im Gegenzug in völliges Sektierertum abglitten. Heute sehen wir mit allen großen internationalen Strömungen, die sich auf den Trotzkismus beziehen, substantielle Differenzen. Für uns ist in unserer Bewertung anderer Strömungen auch nicht der Bezug auf ein bestimmtes Erbe entscheidend, sondern die aktuelle Politik und Herangehensweise.

Entgegen vieler Vorurteile ist Aufsplitterung keine trotzkistische Besonderheit. Auch andere Strömungen der radikalen Linken teilen diese Situation. Das ist kein Zufall, denn auch die Gründe für diese Zersplitterung sind keine Besonderheiten des Trotzkismus. Die meisten Organisationen spielen heute real kaum eine oder keine Rolle im Klassenkampf ihres Landes. Es gibt also keinen Praxistest, keine reale Überprüfung, welche Ideen oder Arbeitsweisen uns dem Ziel einer sozialistischen Gesellschaft näher bringen. Und so gibt es dann Debatten zwischen verschiedenen Organisationen oder innerhalb von Organisationen – oft in unsolidarischen und harten Worten – über nebensächliche politische Abstraktionen und Ideen, die für die konkrete Arbeit kaum eine Bedeutung haben (oder überhaupt über persönliche Animositäten). Oft geht es dann um eine „theoretische Reinheit“, die letztlich aber in ihrer Spitzfindigkeit keinerlei reale Entsprechung mehr hat und nur noch dazu dient, die „GegnerInnen“ zu konfrontieren.

Und umso kleiner die Gruppen werden, umso größer ist die Bereitschaft, sich noch mehr zu zersplittern. In der Sicht mancher Beteiligter macht es keinen Unterschied, wenn sich eine kleine Gruppe in zwei noch kleinere Gruppen spaltet, Verstärkt wird dieses Phänomen dadurch, dass – oft männliche – Kader lieber ihr kleines Revier abgrenzen als in vergrößerten Strukturen Einfluss zu verlieren (und eine bestimmte Art von isolierter Kleingruppe sicher auch einen bestimmten Typus von Aktiven anzieht). Oft wird schließlich der ideologische „Hauptfeind“ in anderen revolutionären Organisationen oder sogar in der eigenen Struktur gefunden anstatt im Klassengegner – und dann als solcher behandelt. Gleichzeitig gibt es durch die Isolation auch keinen Druck eines Umfeldes, sich auf die Gemeinsamkeiten und zentralen Fragen zu konzentrieren.

Wir müssen aber auch sagen, dass die Trennung von AktivistInnen nicht prinzipiell falsch ist und die Einheit prinzipiell gut. Wenn etwa eine vormals revolutionäre Organisation aufhört, revolutionäre Politik zu machen (beispielsweise einer bürgerlichen Regierung beitritt oder sich an Sozialabbau beteiligt), dann werden RevolutionärInnen versuchen, den Kurs zu korrigieren. Wenn das nicht möglich ist, dann wird eine Trennung zur bitteren Notwendigkeit.

Keine Strömung, auch unsere nicht, kann heute legitimerweise von sich behaupten, den „einzig wahren“ Trotzkismus zu repräsentieren. Wenn wir also heute mit anderen GenossInnen diskutieren, dann diskutieren gleichberechtigt RevolutionärInnen über den richtigen Weg. Wir haben natürlich klare Vorstellung und zentrale Überzeugungen und werden diese in Debatten verteidigen. Aber zu dieser Überzeugung gehört auch Selbstreflexion, Bescheidenheit und das Wissen, dass wir die Wahrheit nicht für uns gepachtet haben.

Wir sind der Überzeugung, dass aus keiner der heutigen Strömungen linear weltweite Massenparteien der revolutionären ArbeiterInnenklasse wachsen werden. Davor wird es einen Prozess von Ausdifferenzierungen, Fusionen und auch Trennungen geben. Die Idee mancher Strömungen, heute die einzigen TrotzkistInnen oder gar MarxistInnen zu sein, ist überheblich und trägt auch nicht dazu bei, solidarisch mit anderen zu diskutieren. Wenn nur die eigenen Ideen marxistisch sind, müssen die anderen notgedrungen unmarxistisch sein. Ein fruchtbarer Austausch wird so kaum möglich sein. (Und oft wird diese Idee in kritischen Situationen dann sogar prinzipienlos in die eigene Organisation geholt, die jeweils andere Fraktion wird dann pauschal „unmarxistisch“.)

4. Die Struktur trotzkistischer Organisationen und die Frage der Umgruppierung

Die meisten trotzkistischen Organisationen fügen sich in einen internationalen Gesamtrahmen. Das hängt mit der unbedingten internationalistischen Tradition des Trotzkismus zusammen, dieses Prinzip verteidigen wir natürlich. Wir müssen aber auch fragen, was das heute konkret bedeutet.

Viele trotzkistische Strömungen versuchen, so viele internationale Sektionen wie möglich aufzubauen – ob diese nun aus einer Person oder aus tausenden bestehen, wird dabei oft außen vor gelassen. Die Frage, ob die Gründung einer eigenen Sektion überhaupt politisch gerechtfertigt ist, ob es eine eigene politische Herangehensweise gibt, die sich so sehr von anderen unterscheidet, dass sie getrennt existieren soll, wird selten gestellt (und wenn, dann sehr schnell positiv beantwortet). Und somit werden neue Sektionen ein Selbstzweck, um die eigene „Internationale“ größer und wichtiger erscheinen zu lassen.

Im Gegenzug braucht so ein Aufbau natürlich personelle, zeitliche und finanzielle Ressourcen – die dann wiederum in den Ländern fehlen, wo es vielleicht bereits erste Ansätze einer realen Verankerung gibt. Oft entstehen so kleine Satelliten, die selbst kaum existieren könnten. In anderen Fällen sind es sehr kleine Gruppen in verschiedenen Ländern, die voller Stolz eine neue „Internationale“ gründen, real aber aus geographischen, sprachlichen, zeitlichen Gründen überhaupt nicht in der Lage sind, ihre jeweilige Politik gegenseitig zu verfolgen und wo dann in Relation zur sonstigen Arbeit enorm viel Zeit und Ressourcen allein darin verwendet werden, diesen internationalen Zusammenschluss überhaupt am Leben erhalten zu können, er zum Selbstzweck wird. Solche Zusammenschlüsse bestehen eher auf dem Papier als real. Unserer Meinung nach muss jeder Zusammenschluss sich durch ein gemeinsames Verständnis von Aktivität definieren, eine gemeinsame theoretische Basis, einen breiten internationalen Austausch und eine gemeinsame Vorstellung von den heutigen Aufgaben der meist kleinen revolutionären Organisationen.

Internationale Verpflichtungen bringen allerdings auch andere Fragen mit sich. Wie sollen zwei Organisationen sich in einem Land miteinander verschmelzen, wenn beide gleichzeitig in verschiedenen internationalen Zusammenhängen organisiert sind und sich diesen verpflichtet fühlen? Wir können natürlich die Frage stellen, warum sich in solchen Fällen nicht die internationalen Zusammenhänge vereinigen, und, wenn das nicht möglich scheint, ob die Nähe der beiden Organisationen im nationalen Rahmen wirklich so groß ist (und im Gegenzug, wie groß die Nähe der nationalen Sektion zu ihrem eigenen internationalen Zusammenhang ist). Doch gibt es oft auch gute Gründe, warum die Zusammenarbeit zwischen zwei Gruppen in einem Ort oder einem Land besser funktioniert als zwischen zwei in etlichen (unterschiedlichen) Ländern agierenden internationalen Organisationen.

Diese Fragen sind nicht abschließend zu beantworten und auch von Fall zu Fall unterschiedlich. Doch klar ist für uns, dass es sinnvoll ist, dass Organisationen, die vor Ort eine sehr ähnliche Politik machen, auch eine enge Kooperation miteinander suchen.

5. Wie wollen wir uns umgruppieren und mit wem?

Umgruppierung ist kein Selbstzweck. Als revolutionäre Organisationen verfolgen wir damit ein klares Ziel, einen Vorteil für die revolutionäre Bewegung. Wir bringen in Umgruppierungsdebatten unsere Überzeugungen ein, was erforderlich ist, um eine revolutionäre Organisation aufzubauen. Dazu gehören für uns unter anderem eine prinzipienfeste Politik im Sinne der ArbeiterInnenklasse und eine Ausrichtung der politischen Arbeit auf die ArbeiterInnenklasse, ein klares Bekenntnis zu einer revolutionären Umgestaltung der Gesellschaft und eine entsprechende Praxis, eine internationalistische und antiimperialistische Politik, eine Absage an jede Form von Diskriminierung aufgrund von Herkunft, Geschlecht oder sexueller Orientierung sowie ein solidarischer und demokratischer Umgang in der Organisation.

Jede Diskussion kann interessant und bereichernd sein. Doch Diskussionen und Umgruppierungen müssen sorgfältig ausgewählt werden, jede organisierte Debatte benötigt auch Zeit und (finanzielle) Ressourcen. Es wird für uns letztlich keinen Sinn machen, intensiv mit Strömungen zu diskutieren, wo wir bereits zu Beginn wissen, dass wir unüberwindbare andere Vorstellungen haben. Wenn wir uns also dazu entscheiden, mit anderen organisierten Linken in Diskussionen einzutreten, müssen zumindest kleine Chancen auf Erfolg bestehen. Wir konzentrieren unsere Diskussionen also gezielt dort, wo eine gewisse Einigkeit über Aufgaben und Ziele besteht und wo solidarische Diskussionen und ein Umgruppierungsprozess möglich erscheinen.

Weil wir von der Notwendigkeit bestimmter Aufgaben überzeugt sind, machen die offensichtlichen Gemeinsamkeiten einen fruchtbringenden Diskussionsprozess vor allem mit anderen TrotzkistInnen sinnvoll – und hier wiederum mit jenen, die nicht nur in Worten zum Erbe der frühen Kommunistischen Internationale und der Linken Opposition stehen, sondern sich auch in ihrer Politik so verhalten. Wir glauben also nicht, dass der reine Bezug auf den Trotzkismus ausreicht. Wir messen Organisationen allgemein nicht an einer bestimmten Tradition oder an einem bestimmten Etikett, sondern an ihrer realen Politik.

Es entstehen heute auch teils breitere neue Formationen unter Einbeziehung verschiedenster linker Strömungen. Es kann sinnvoll und richtig sein, dass sich RevolutionärInnen mit einer eigenen Politik an solchen Formationen beteiligen. Nachdem wir diese Formationen für einen Schritt in eine richtige Richtung, nicht aber für ein geeignetes Werkzeug zur Systemüberwindung betrachten, werden wir unbedingt eigene Strukturen aufrecht erhalten, um so unserer Politik Gehör zu verschaffen und unabhängig agieren zu können.

Die Basis jeder effektiven Neugruppierung ist für uns ein revolutionäres Programm und eine revolutionäre Praxis. Wir haben kein Interesse daran, linksreformistische Strukturen zu initiieren, wie es heute manche Organisationen aus der Tradition des Trotzkismus vorschlagen (etwa mit Losungen „für eine neue ArbeiterInnenpartei“). Wir denken, dass es möglich ist, in solchen Organisationen zu arbeiten, wenn sie bestehen, doch sehen wir keinen Sinn darin, selbst erst reformistische Organisationen zu initiieren, um dann in den von uns aufgebauten Organisationen für eine wiederum revolutionäre Politik argumentieren zu müssen – und Gefahr zu laufen, dass wir selbst, wenn wir uns nicht durchsetzen, eine neue Organisation gegründet haben, die sich dann den „Sachzwängen“ des Kapitalismus unterwerfen wird. Unser Focus sollte die Propagierung revolutionärer Positionen und der Aufbau revolutionärer Strukturen sein, denn nur diese sind ein Vehikel einer grundlegenden Veränderung.

6. Wie kann eine Neugruppierung erfolgreich sein?

Wir stehen für einen langfristigen Austausch, der zu einer tiefen Übereinstimmung führt. Wir glauben, dass eine Neugruppierung Geduld und eine tiefgehende Übereinstimmung braucht, damit die neue Organisation dann auch in stürmischen Zeiten Bestand hat.

Wir vereinigen uns aufgrund politischer Theorie, gemeinsamer Konzepte, Vorstellungen und Praxis. Wir denken, dass eine Vereinigung nicht allein auf formaler Einigkeit basieren kann. Oft werden unzählige gemeinsame Papiere veröffentlich, doch real gibt es kein gemeinsames Verständnis der politischen Aktivität. Ein gemeinsamer Bezug auf den Trotzkismus allein ist ebenfalls wenig entscheidend, darunter verstehen viele Menschen viele unterschiedliche Dinge. Auch nur auf die Theorie oder nur auf die Praxis zu achten, wird längerfristig zum Zerfall von neuen Projekten führen. Denn aus veränderten Rahmenbedingungen ergeben sich bei unterschiedlicher Theorie bzw. Praxis völlig unterschiedliche Schlussfolgerungen. Bei mangelnder realer Übereinstimmung kann es auch schnell passieren, dass solche Projekte sich von der ursprünglichen Zielsetzung wegentwickeln. Die entscheidenden Fragen für uns sind: Welche Analyse der Gegenwart haben wir? Welche Strategie verfolgen wir, um der Revolution näher zu kommen? Welche Taktiken dienen dieser Aufgabe am besten?

Wir denken, dass eine starke Organisation auch ein stabiles Fundament benötigt. Wenn wir also Debatten führen, dann tun wir das ernsthaft. Wir machen zeitliche und finanzielle Ressourcen frei, geben diese Debatten genug Raum und führen sie über einen ausreichend langen Zeitraum, in dem wir die theoretische und praktische Übereinstimmung testen.

Für uns geht es in Debatten vor allem darum, unsere Ideen vorzustellen und eventuell andere GenossInnen / Strömungen zu Diskussionen anzuregen und gleichzeitig selbst von anderen zu lernen – und uns natürlich im Idealfall mit ihnen zusammenzutun. Es kann sein, dass sich im Verlauf einer Diskussion einzelne GenossInnen uns annähern und ihre Organisation verlassen wollen und andere aus dieser Organisation nicht überzeugt sind und sich wieder von uns entfernen. Wir werden dann die GenossInnen nicht zurückweisen, die mit uns arbeiten wollen, doch wir haben kein vorrangiges Interesse daran, andere Organisationen zu verkleinern, um dort einzelne AktivistInnen zu gewinnen.

Einen Erfolg einer Diskussion bemessen wir nicht nur an schnellen Fusionen (die oft kurzfristig und überhastet statt finden und dann wieder aufgelöst werden müssen). Es kann auch viele andere Optionen wie (regelmäßige) Zusammenarbeit, gemeinsame Interventionen, Absprachen, Aktionseinheiten oder Wahlplattformen geben, die sowohl als Zwischenschritte wie als heute realistische Ebene der Zusammenarbeit absolut sinnvoll sein können.

Zentral für jede Debatte sind für uns ein solidarischer Umgang und ein solidarischer Diskussionsstil. Wir wollen nicht andere „entlarven“, sondern wir stellen in solidarischer Form unsere Konzepte vor, sind bereit, zuzuhören und auf einer genossenschaftlichen Weise über unsere und andere Konzepte zu diskutieren. Ein solidarischer Stil und Umgang sowie ein Verständnis für den Wert innerorganisatorischer Demokratie sind nicht nur ein guter Schutz vor Spaltungen sondern auch notwendig für Vereinigungen und Umgruppierungen. Es müssen alle informiert sein, es muss ausreichend Instrumente zur Information aller geben und Entscheidungen müssen breit debattiert und getroffen werden.

7. Zusammenfassung

  • Wir halten eine Umgruppierung revolutionärer Kräfte für wichtig und notwendig. In Debatten stellen wir unsere Konzepte solidarisch vor, bieten sie zur Diskussion an und wollen so unsere Ideen und Arbeitsweisen populär machen.

  • Erfolgreich wird eine Umgruppierung aus unserer Sicht dann sein, wenn sie auf einem stabilen Fundament steht. Dieses resultiert aus einer Übereinstimmung in aktuellen sowie grundsätzlich-theoretischen Fragen und aus einer Übereinstimmung in den Fragen der praktischen Arbeit.

  • Um ein solches Fundament zu schaffen, braucht es Zeit, Ressourcen und einen ernsthaften und solidarischen Austausch, der von der gesamten Mitgliedschaft der beteiligten Organisationen getragen wird. Daher führen wir Debatten auch ausgewählt und zielgerichtet.

  • Überhastete Fusionen oder Neugruppierungen, die nur das Ziel haben, kurzfristig stärker zu werden, lehnen wir ab, weil wir sie nicht für langfristig erfolgversprechend halten.

  • Eine breite Übereinstimmung wird am ehesten mit Strömungen möglich sein, die aus einer ähnlichen Tradition kommen wie wir – wobei das allein wenig aussagt, es geht vielmehr um die aktuelle Politik einer Organisation.

  • Es sind nicht nur volle Fusionen möglich, sondern auch die Mitarbeit in breiteren Formationen oder die organisierte Zusammenarbeit mit anderen RevolutionärInnen. In diesem Fällen halten wir es für wesentlich, unsere eigenen Strukturen aufrecht zu erhalten, um unsere politischen Ideen präsentieren zu können.

  • Wesentlich erscheint uns in allen Debatten ein unvoreingenommener Zugang, der nicht bereits im Vorfeld die eigene Position zur einzig revolutionären erklärt. Keine Organisation kann heute für sich beanspruchen, die einzig revolutionäre zu sein. Wenn wir unsere Position erklären, hören wir gleichzeitig zu und lernen. Gleichzeitig sind wir nicht beliebig, wir haben unsere Ideen, stehen dazu und argumentieren dafür.

  • Die Zersplitterung des trotzkistischen Spektrums halten wir für ein Problem. Oft werden Spaltungen mutwillig und ohne reale Basis durchgeführt. Vor allem kleine Organisationen haben die Neigung, um nebensächliche Fragen noch kleiner zu werden. Gleichzeitig ist aber nicht jede Trennung unberechtigt, manchmal wird sie notwendig.

  • Der internationale Aufbau der meisten trotzkistischen Organisationen folgt dem richtigen Prinzip des Internationalismus, in der Praxis sind die meisten Organisationen aber weit davon entfernt, tatsächlich international funktionieren zu können und internationale Standpunkte auf der Basis eines tiefen gemeinsamen Verständnisses zu entwickeln.

  • Wenn es an einem Ort oder in einem Land verschiedene Organisationen gibt, die eine ähnliche Politik machen, sollten diese nach engen Kooperationen streben, auch wenn sie verschiedenen internationalen Organisationen angehören.

  • Die Debatten, die wir mit anderen Organisationen und Strömungen führen, sind kein Selbstzweck. Wir wollen damit zum Aufbau einer revolutionären Internationale beitragen und mit diesem Werkzeug das kapitalistische System überwinden!