…lautet der Titel unseres aktuellen Betriebsflugblatts im Wiener Gesundheitsbereich.
Es geht um unsere Gesundheit!
Lange Zeit wurde behauptet, das österreichische Gesundheitssystem sei eines der besten auf der Welt. Doch sowohl als Beschäftigte als auch als PatientInnen sehen wir immer wieder, dass es an allen Ecken und Enden krankt.
Dass unser Gesundheitssystem nach den Bedürfnissen der Angestellten und PatientInnen ausgerichtet ist, wird uns vielleicht noch in der Schule beigebracht. Denn die Realität lehrt uns etwas anderes…
2-Klassen-Medizin
Die Gesundheitsindustrie und manche Ärztinnen und Ärzte bereichern sich systematisch am öffentlichen Gesundheitssystem. Die Medikamentenkosten sind zwischen 1997 und 2005 um 70% gestiegen, was den Pharmafirmen fette Gewinne beschert hat. Es gibt niedergelassene (Fach-) ÄrztInnen, die irrwitzige Einkünfte verbuchen, zu guten Teilen aufgrund der – nicht immer nachvollziehbaren – Leistungen, die sie den öffentlichen Kassen verrechnen.
Auch die 2-Klassen-Medizin, vor der oft gewarnt wird, ist längst Wirklichkeit geworden. Die so genannten „SonderklassepatientInnen“, die über eine private Zusatzversicherung verfügen, bekommen schneller Untersuchungs- und Operationstermine und bessere medizinische Betreuung. Die Behandlung der SonderklassepatientInnen und PrivatpatientInnen wird weitgehend in der Dienstzeit der oberen ÄrztInnen, in der sie vom öffentlichen Gesundheitssystem bezahlt werden, durchgeführt. Während die PrimarärztInnen privat abkassieren, werden die teuren medizinischen Leistungen öffentlich finanziert.
Sparen und privatisieren?
Oft wird behauptet, das Gesundheitssystem wäre nicht mehr finanzierbar, die Kosten würden „explodieren“ – die Lösung seien Einsparungen und Privatisierungen. In Wirklichkeit aber sind die Gesundheitsausgaben in den letzten zwei Jahrzehnten nur geringfügig gestiegen: Von 8,4% des BIP im Jahr 1990 auf 11% im Jahr 2010. Dass die Krankenkassen trotzdem verschuldet sind, hat mehrere Gründe. Immer mehr Menschen machen Niedriglohnjobs, von denen sie kaum leben können (und wo entsprechend niedrige Beiträge gezahlt werden). Krank werden sie aber trotzdem – oder gerade deswegen! Außerdem haben die Unternehmen rund eine Milliarde Euro Schulden bei den Kassen. Das heißt, sie zahlen die vorgeschriebenen Beiträge nicht! Und nicht zuletzt liegt es an der erwähnten Bereicherung durch Pharmakonzerne und privilegierte ÄrztInnen.
Ein privates Gesundheitssystem wäre auch nicht billiger als ein staatlich organisiertes, wie das Beispiel USA zeigt. Dort ist die Krankenversorgung weitgehend privatisiert, trotzdem ist das System das mit Abstand teuerste der Welt. Und besser für unsere Gesundheit wäre es erst recht nicht. So sterben etwa in den USA rund sechs Kinder auf 1.000 Lebendgeburten, in Österreich nur vier. Eine zunehmende Privatisierung würde die Schere zwischen den Reichen und Privilegierten auf der einen und der Masse der Beschäftigten und PatientInnen auf der anderen Seite nur weiter öffnen.
Arbeitsdruck steigt
Schon jetzt steigt der Arbeitsstress in den Pflegeberufen immer mehr an (mehr dazu auf der Rückseite).Obwohl laut AK-Studie von 2011 jede/r dritte Beschäftigte im Wiener Gesundheitssystem von Burn Out bedroht ist, kommen vom KAV-Management nur Pläne für neue Einsparungen.
Reinigung, Wäscherei oder Küche in Spitälern werden ausgegliedert, damit sie billiger werden – auf Kosten der Löhne und Arbeitsbedingungen der dort Beschäftigten. PatientInnen müssen lange Wartezeiten in Kauf nehmen. Oder es gibt Massenabfertigung, in der ein genaues Eingehen auf die Einzelnen kaum mehr möglich ist.
Beschäftigte wehren sich
Erinnern wir uns zurück: Mit dem „Bankenrettungspaket“ hat die Regierung den Banken 15 Milliarden Euro geschenkt. (Übrigens: So marode sind diese Banken gar nicht: Allein die Erste Bank und die Raiffeisen Bank haben 2010 469 Millionen Euro an ihre AktionärInnen ausgeschüttet). Und für gute Sozialleistungen und Arbeitsbedingungen im Sozial-/ Gesundheitsbereich soll kein Geld da sein?
Immer mehr Menschen wollen sich diesen Wahnsinn nicht mehr gefallen lassen. Gerade im Gesundheitsbereich kämpfen die Beschäftigten in vielen Ländern entschlossen dagegen, dass sie für die Krise der Banken bezahlen sollen. In den USA fand im September 2011 der größte Streik im Pflegebereich in der Geschichte des Landes statt. In Kalifornien streikten 23.000 KrankenpflegerInnen gegen die Senkung von Zulagen. In Großbritannien kam es letzten Dezember zum größten Streik seit Jahrzehnten. Auch der Gesundheitssektor beteiligte sich, Rettungsdienste kamen nur bei lebensgefährlichen Verletzungen zum Einsatz. Und in Griechenland (Kilkis) wurde – wegen der Sparpolitik der Regierung – vor kurzem sogar ein ganzes Krankenhaus von den Beschäftigten besetzt und unter Selbstverwaltung weitergeführt.
Wenn für die Versorgung aller PatientInnen sowohl die Zeit als auch das Geld fehlt und große Teile des Personals systematisch kaputtgearbeitet werden, dann verkommt doch auch unser Gesundheits- zu einem Krankheitswesen! Es wird Zeit, dass wir das, was in der Medizin gilt, auch darüber hinaus anwenden: Symptome lindern, Ursachen bekämpfen.