Die Situation der griechischen ArbeiterInnenklasse ist extrem hart. Im Rahmen eines Aufenthalts in Griechenland besuchten Aktivisten der RSO-Berlin auch ein bestreiktes und besetztes Stahlwerk und konnten ein Interview mit Sophia, einer Streikunterstützerin, führen.
Die Region Aspropyrgos, in der die bestreikte Fabrik liegt, ist eines der wichtigsten industriellen Ballungszentren in Griechenland und liegt ca. 20 Kilometer entfernt von Athen. Auf den ersten Blick wirkt die Fabrik, vor welcher die Streikenden stehen, wie eine baufällige Ruine. Schon der erste Eindruck der Fabrik lässt erahnen, unter welchen Bedingungen die 380 Beschäftigten arbeiten müssen.
Doch noch schlimmer als die Arbeitsbedingungen sind die neuen Pläne des Unternehmers. Die monatlich1000 Euro, die die ArbeiterInnen bisher erhalten haben, sollen nun auf 500 Euro dramatisch reduziert werden. Auch bisherige Errungenschaften der ArbeiterInnenbewegung wie die Durchsetzung der 40-Stundenwoche werden angegriffen. Die Wut der ArbeiterInnen ist also sehr verständlich.
Wir sprachen mit Sophia, der Frau eines Streikenden:
RSO: Wie sind die Arbeitsbedingungen in der Fabrik und was wird hier hergestellt?
Sophia: Hier wird Baustahl hergestellt, und das bei Temperaturen bis zu 110 Grad. Der Zustand der Fabrik ist wirklich schlimm und gefährdet die Gesundheit der ArbeiterInnen. Fast jeden Tag gibt es Verletzungen. Letztes Jahr ist ein Arbeiter gestorben, weil die Sicherheitsvorkehrungen viel zu alt sind.
Hier sind ja an die 100 Leute versammelt. Ist das immer so und wie ist die Stimmung der Streikenden?
Es sind wirklich fast immer alle Leute da, die ihr hier seht. Wir können einfach nicht nach Hause gehen, denn von den 500 Euro können wir nicht leben. Ihr müsst euch vorstellen, einige der Arbeiter haben Familien mit bis zu 6 Kindern und das bei, in den letzten Jahren, stark gestiegenen Lohnnebenkosten. (Anmerkung: Die Lebenshaltungskosten in Griechenland sind fast so hoch wie in Deutschland.)
Eine Form von Organisierung der ArbeiterInnen herzustellen, ist ja die Grundlage für einen solchen Streik, wie ihr ihn führt. Wie seid ihr damit umgegangen und was für Lösungen habt ihr gefunden?
Von Anfang an hat uns ein gleiches Interesse geeint. Denn keiner hier ist bereit, sich dermaßen hinters Licht führen zu lassen und für einen solchen Hungerlohn zu arbeiten. Einmal in der Woche treffen wir uns jetzt, um aufgrund von dem was passiert ist, zu entscheiden wie es weitergehen soll. Dabei hat jeder die gleichen Rechte und wir setzen um, was durch die Mehrheit beschlossen wurde.
Wie schafft ihr es denn das alles durchzuhalten, wovon lebt ihr zurzeit?
Viele Leute kommen her, um uns zu unterstützen und jede/r einzelne freut uns. Bauern, die von unserem Streik hörten, brachten uns ganze Ladungen Kartoffeln und auch andere Lebensmittel. Aber selbst von weiter her haben wir schon viel Unterstützung erlebt. fast jeden Tag kommen Leute so wie ihr heute. Es waren bisher Menschen aus Malaysia, Indonesien, Kanada, Italien, USA und jetzt auch Deutschland da. Viele von ihnen lassen eine kleine Spende da.
Die Presse ignoriert uns auch nicht mehr so wie am Anfang, weil es nach 40 Tagen eines ununterbrochenen wilden Streiks einfach nicht mehr geht. Oft kommen Kamerateams her und interviewen Leute. Vor allem die ArbeiterInnen aus der Region sehen, was hier passiert und viele von ihnen unterstützen uns, denn sie haben Angst, dass in ihren Industrien das gleiche passiert. Deshalb müssen wir gewinnen. Wir stehen jetzt an vorderster Front aber viele sind mit uns!
Wie reagieren denn die Gewerkschaften und die Regierung auf euren Streik?
Die lassen sich hier nicht blicken. Die Gewerkschaften haben uns gesagt, dass wir Verständnis für die Kürzungen haben müssen. Sie meinten, dass die Kürzungen nur für vier Monate gelten und nach der Krise würden wir wieder die vollen Löhne bekommen. Aber die Regierung nimmt nur alles weg und wird uns nichts wiedergeben. Wir haben sie gewählt, aber sie vertreten uns nicht – wir müssen also selbst etwas tun!
Vielen Dank für das Gespräch und viel Erfolg!