„Verkauft doch eure Inseln, ihre Pleite-Griechen!“ titelte die Bild-Zeitung vor etwa einem Jahr. Österreichs „Bild“, die Kronen Zeitung, setzte vor Kurzem noch eins drauf: „Jetzt reicht's: Griechen raus!“ Wir stellen uns gegen die Hetze gegen „die Griechen“ und auf die Seite unserer griechischen KollegInnen.
Seit Monaten „erklären“ uns PolitikerInnen und LeitartikelschreiberInnen verschiedenster Richtungen das Problem mit den Staatsschulden Griechenlands. Durch alle Kommentare zieht sich mehr oder weniger derselbe Tenor: Die griechische Bevölkerung hätte in den letzten Jahren einfach deutlich „über ihre Verhältnisse gelebt“. Die GriechInnen in ihrer Gesamtheit werden als faul und korrupt dargestellt. Mit unseren Steuern würden sie sich nun ein schönes Leben machen. Dazu ein paar Fakten:
Lebensstandard in Griechenland:
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Die tatsächliche Wochenarbeitszeit der angeblich „faulen“ GriechenInnen lag schon vor der Krise bei 44,3 Stunden – und damit höher als im EU-Schnitt.
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Laut OECD gehen in Deutschland Männer im Durchschnitt mit 61,8 Jahren in Rente, in Griechenland sind es 61,9 Jahre (bei geringerer Lebenserwartung).
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2010 lagen die Löhne in Griechenland bei nur 73% des Durchschnitts der Euro-Zone.
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Schon vor den ganzen Kürzungen der letzten Monate lag der Mindestlohn in Griechenland bei 700 Euro. Die große Mehrheit der RentnerInnen musste im Monat mit weniger als 600 Euro auskommen. Das Preisniveau in Griechenland ist aber kaum niedriger als in Deutschland oder Österreich (die Schweiz ist ein Sonderfall, wo Preise und Löhne deutlich höher sind).
Die drastischen Sparmaßnahmen werden den Lebensstandard weiter senken:
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Im öffentlichen Dienst wurden nun die Löhne um bis zu 50% gekürzt.
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Bis 2015 soll jede fünfte Stelle im öffentlichen Dienst gestrichen werden. Und auch in der Privatwirtschaft finden Massenentlassungen statt.
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Alle, die eine Rente von über tausend Euro im Monat beziehen, werden zwanzig Prozent weniger erhalten.
…in „Saus und Braus“ leben nur die griechischen Reichen:
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Nur 2000 Familien besitzen 80% des Vermögens Griechenland
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Griechischen Reiche haben über 200 Milliarden Euro im Ausland gebunkert. (Zum Vergleich: Das Bruttoinlandsprodukt Griechenland betrug 230,2 Milliarden Euro im Jahr 2010.)
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Griechenland gibt 3,6% seines BIP für sein Militär aus. (EU-Schnitt: 1,6%). Eine Reduktion wird von Ländern wie Frankreich oder Deutschland natürlich nicht gefordert, denn diese Staaten sind die Hauptexporteure von Rüstungsgütern nach Griechenland.
Entgegen der anti-griechischen Hetzpropaganda sind die Staatsschulden Griechenlands erst nach der Finanzkrise so stark gestiegen. Schließlich schnürte 2009 auch die griechische Regierung ein Rettungspaket für marode Banken. Erst seit die Finanzmärkte auf eine Pleite des kleinen Landes spekulieren, bekommt dieses kaum noch günstige Zinsen für seine Staatsanleihen.
Hört die Signale – der Märkte
Ende Oktober hat die EU nun eine „Rettung“ Griechenlands (also Schuldenerlass und weitere Finanzspritzen kombiniert mit harten Sparprogrammen) beschlossen. Kurz darauf kündigte der griechische Ministerpräsident Giorgos Papandreou an, die Bevölkerung über die Maßnahmen abstimmen zu lassen. Ein Aufschrei der kapitalistischen Eliten in ganze Europa war die Folge. Sie empörten sich darüber, dass Papandreou die Menschen befragen wollte, anstatt auf die „Signale der Märkte“ zu hören. Es dauerte nicht lange, bis er zurück ruderte.
Wir sehen also: Griechenland befindet sich im Würgegriff der internationale Finanzwirtschaft. Doch genau diese Finanzwirtschaft, bzw. das kapitalistische System an sich hat die Welt ja erst in die gegenwärtige Krise gestürzt. Eine Krise, die nun die einfache Bevölkerung ausbaden darf. Die Herrschenden wissen das und genau deshalb wird mit der Hetze gegen „die Pleite-Griechen“ versucht, Stimmung zu machen und ein Sündenbock präsentiert.
Die griechischen KollegInnen haben gar keine Wahl. Denn was hätte ein Referendum bedeutet? Entweder Annahme des EU-“Rettungspaket“ und der damit verbundenen Sparmaßnahmen. Dies hätte zu einer weiteren Verarmung breiter Kreise der griechischen Bevölkerung geführt. Oder Ablehnung und möglicherweise Staatsbankrott, was ebenso schreckliche Auswirkungen auf den Lebensstandard der griechischen ArbeiterInnenklasse hätte.
Es ist jetzt wichtig, dieser Propaganda entgegenzutreten! Wir sollten unseren FreundInnen und KollegInnen erklären, dass die griechischen ArbeiterInnen nicht streiken, um ihre angeblichen Privilegien zu verteidigen, sondern weil sie ums Überleben kämpfen. Und dass es uns bald genauso wie den griechischen KollegInnen gehen wird, wenn wir uns nicht wehren und uns weiterhin zum Spielball von Politik und Wirtschaft machen lassen.
Zum Weiterlesen:
Gesammelte Artikel der RSO zu Griechenland