In Osteuropa sind rechtsextreme und faschistische Parteien in einer Reihe von Ländern sehr stark. Nach dem Zusammenbruch des Stalinismus konnten diese Parteien in ein Vakuum vorstoßen. Es gibt häufig organisierte gewalttätige Übergriffe, vor allem auf Roma/Romnija und Sinti und auf Schwule und Lesben.
Rechtsextreme und faschistische Parteien sind in Osteuropa und den Westbalkan-Staaten ein wichtiges Phänomen. Die Parteien sind dabei sehr unterschiedlich, so gibt es rechtsextreme Parteien ebenso wie faschistische, es gibt einen unterschiedlichen Zugang zu Religion, etwa betont pro-katholisch wie in Polen, eher auf das orthodoxe Christentum ausgerichtet wie in Serbien oder nicht religiös wie viele kleinere faschistische Gruppen.
Die wichtigsten rechten Parteien sind Jobbik (Bewegung) in Ungarn, Ataka (Angriff) in Bulgarien, die Großrumänien-Partei, die Liga der polnischen Familien sowie Samoobrona (Selbstverteidung) in Polen, die Liberal-Demokratische Partei in Russland, die Slowakische National Partei, die Serbische Radikale Partei, die Allianz „Alles für Lettland“ sowie die „Partei der Wiederauferstehung des Volkes“ in Litauen. Ein Sonderfall ist die Kroatische demokratische Union (HDZ), die eine rechte Sammelpartei von konservativ bis faschistisch ist.
In Litauen und der Slowakei sind die rechtsextremen Parteien aktuell Teil der Regierungsmehrheit, in der Vergangenheit gab es Regierungsbeteiligungen von Rechtsextremen/FaschistInnen in Serbien und Polen, in Kroatien regierte die HDZ mit absoluter Mehrheit.
Zusammenbruch des Stalinismus
Nach dem Zusammenbruch des Stalinismus in Osteuropa und der Sowjetunion zwischen 1989 und 1991 bestand dort ein Vakuum im Parteienspektrum. Es gab keine traditionellen Parteistrukturen, die meisten Parteien entwickelten sich – oft auf sehr undurchsichtige Weise – aus den ehemaligen stalinistischen Staatsparteien oder/und, wie in Ostdeutschland, aus ehemaligen pseudounabhängigen Blockparteien der stalinistischen Staatspartei.
In einzelnen Ländern konnten sich aber auch bereits davor vorhandene oppositionelle Strömungen in Parteiform zu einer relevanten Stärke zusammenfinden, etwa die Gewerkschaft Solidarność in Polen rund um Lech Wałęsa, die sich zu einer rechtsbürgerlichen Partei formte oder das Bürgerforum als Zusammenschluss bürgerlicher DissidentInnen in Tschechien rund um Václav Havel.
In etlichen Ländern konnte auch die KP überleben, entweder als linksreformistische Partei mit Bezug auf die ehemalige stalinistische Staatspartei – etwa die KPRF in Russland, die KSČM in Tschechien, oder die Linkspartei in der ehemaligen DDR – oder gewendet als sozialdemokratische Partei – etwa die MSZP in Ungarn, die SLD in Polen, oder die SD in Slowenien.
Parteienlandschaft im Umbruch
Doch insgesamt gründete sich das Parteienspektrum in den meisten Ländern nach 1989 neu und sehr schnell und stand somit auf sehr schwachen Füßen.
Das bedingte und bedingt einen sehr schnellen Wandel. Es kann vorkommen, dass Parteien die Regierung stellen und bei den nächsten Wahlen kaum mehr ins Parlament einziehen, aktuell ist das in Ungarn zu beobachten.
Auch die Bereitschaft, „Neues“ auszuprobieren, ist höher, da es – außer zu den ehemaligen stalinistischen Staatsparteien – keine traditionellen Parteienbindungen gibt. Deklariert linke Parteien haben es insgesamt schwer, weil „linke“ Ideen oft durch den Stalinismus diskreditiert sind. Das ist natürlich von Land zu Land verschieden, in Russland, Tschechien oder der Ex-DDR etwa konnten sich die Ex-KPen als Parteien links der Sozialdemokratie halten (wobei es in Russland keine Sozialdemokratie im europäischen Sinn gibt).
Etwas anders sieht es mit gewendeten KPen aus, die nun sozialdemokratische Parteien sind. In vielen Ländern, etwa Polen, Ungarn oder Bulgarien, konnten sie immer wieder die Regierungsverantwortung übernehmen (was in Hinblick darauf interessant ist, dass gerade Ungarn und Polen aktuell als Länder mit einer durchgehend weit rechts stehenden Bevölkerung erscheinen). Mit ihrer reformistischen Sozialabbau-Politik haben die sozialdemokratischen Parteien allerdings in vielen Ländern zum Aufstieg rechtsextremer Parteien entscheidend beigetragen.
Ein aktuelles Beispiel dafür ist Ungarn, wo auf die sozialdemokratische Sozialabbau-Regierung unter Gyurcsány im Jahr 2010 eine 2/3 Mehrheit der rechtskonservativen FIDESZ und der Einzug der rechtsextremen Jobbik mit 16% ins Parlament folgte.
Konservative Hauptparteien stehen weit rechts
Die konservativen Hauptparteien sind in Mittel- und Osteuropa tendenziell „rechter“ bzw. rechtspopulistischer als vor allem in Mitteleuropa und den skandinavischen Ländern. Als Beispiele mögen die Putin-Partei „Einiges Russland“, die FIDESZ in Ungarn oder die polnische PiS der Kaczyński-Zwillinge (von denen einer mittlerweile bei einem Flugzeugabsturz ums Leben kam) dienen.
Besonders auffallend ist die Situation am Westbalkan, wo der BürgerInnenkrieg des zerfallenden Jugoslawiens eine wichtige Rolle im Parteibildungsprozess gespielt hat. So hatte die Hrvatska demokratska zajednica / Kroatische demokratische Union (HDZ) nach dem Krieg eine absolute Mehrheit in Kroatien, sie bezog sich dabei immer wieder sehr positiv auf die Zeit des Faschismus und war eine Art Sammelpartei von konservativ bis faschistisch. International ist sie Mitglied der europäischen Volkspartei. Ob sie aktuell der hier vorgenommenen Liste mit rechtsextremen Parteien zugeteilt werden kann, ist sicher diskussionswürdig. Politisch gibt es gute Gründe dafür, wenn es aber um das Phänomen des Aufkommens (neuer) rechtsextremer Parteien geht, ist die Situation am Westbalkan sicher außergewöhnlich.
In Serbien ist die Situation vielleicht ein wenig einfacher zu bewerten als in Kroatien, weil sich neben nationalkonservativen Parteien und den nationalistischen StalinistInnen auch eine faschistisch/rechtsextreme Partei herausgebildet hat, die Srpska Radikalna Stranka / Serbische Radikale Partei (SRS), die in der Vergangenheit bis zu 29& der Stimmen erhielt und von 1998 – 2000 als Minderheitspartnerin in der Regierung saß.
Wenn der Kaiser kommt …und geht
Die soziale Situation in Osteuropa lässt populistische „Heilsbringer“ als sehr attraktiv erscheinen, vor allem, wenn sich diese auf eine angeblich bessere Vergangenheit beziehen – so war etwa in Bulgarien die NDSW, die Partei des ehemaligen Zaren Simeon II. von Sachsen-Coburg und Gotha, sehr einflussreich. Sie ist auch ein gutes Beispiel für das Auf und Ab der Kräfte: Von 2001 bis 2005 regierte sie allein, von 2005 bis 2009 als Minderheitspartei in einer Koalition, dann flog sie aus dem Parlament.
Dieser positive Bezug auf eine nationalistisch aufgeladene Vergangenheit ist natürlich auch ein klassischer Wesenszug rechtsextremer und faschistischer Parteien. In den Staaten Mittel- und Osteuropas und am Westbalkan ist das zusätzlich oft mit der Frage strittiger Gebiete verknüpft, wo von rechten Parteien – meist unter Hinweis auf existierende Minderheiten in Nachbarländern oder historische Grenzen – neue Grenzziehungen verlangt werden.
Das bringt die rechten Parteien natürlich untereinander oft in Widersprüche, so streiten etwa die Großrumänien-Partei einerseits und die ungarische Jobbik andererseits über die Frage der Grenzziehungen, weil beide von einem „Großungarn“ bzw. „Großrumänien“ träumen, auf Kosten des jeweils anderen Landes – was nicht gut zusammengeht.
Teils gibt es auch klare positive Bezugnahmen auf den Faschismus bzw. die NS-Herrschaft, etwa in Kroatien oder Lettland (dort noch verstärkt durch eine massive antirussische Hetze).
In Ländern, die erst neu entstanden sind, sind diese nationalistischen Bezüge oft zusätzlich aufgeladen durch den mit (BürgerInnen)-Kriegen einhergehenden Nationalismus (Kroatien, Serbien) oder/und durch den Prozess der Nationsbildung (Slowakei).
Feindbilder der osteuropäischen Rechten
Die Feindbilder osteuropäischer rechtsextremer Parteien sind oft ein wenig anders als jene in Westeuropa. Vor allem Roma/Romnija und Sinti spielen in vielen Ländern eine wichtige Rolle als zentrales Feindbild, etwa in Bulgarien, Rumänien, Serbien, der Slowakei, Tschechien oder Ungarn.
Stark im Zentrum steht auch eine meist eine sehr offene Feindschaft gegen Schwule, Lesben und Transgender, die etwa in organisierten Angriffen auf die Gay-Pride-Paraden gipfelt (oder deren angeblich „vorbeugendem“ Verbot durch die Behörden). Solche Auseinandersetzungen um Gay-Pride-Paraden gab es unter anderem in Bulgarien, Estland, Kroatien, Lettland, Litauen, Polen, Rumänien, der Slowakei, Russland, Serbien und Ungarn.
Speziell für Russland zu nennen wäre noch eine starke Feindschaft gegen Menschen aus dem Kaukasus, speziell aus Tschetschenien, aber auch gegen MigrantInnen aus anderen ehemaligen Sowjetrepubliken. Teils veranstalten tausende Rechtsextreme in Moskau, aber auch in anderen Städten, regelrechte Hetzjagden auf MigrantInnen. Ein Sonderfall ist die ehemalige DDR, wo die Feindbilder sich denen der Neonaziszene Westdeutschlands angeglichen haben.
Antisemitismus
Im Unterschied zu Westeuropa wird in Osteuropa viel offener gegen JüdInnen gehetzt, während in Westeuropa von Rechtsextremen (im Gegensatz zu den meisten FaschistInnen) aktuell oft eine angebliche Pro-Israel-Haltung in Mode ist, etwa bei den Spitzen von FPÖ, der italienischen AN oder der niederländischen PVV (deren Parteichef Wilders Israel als „erste Verteidigungslinie des Westens“ bezeichnet).
Hintergrund des Verhaltens dieser Parteien ist einerseits, sich regierungsfähig zeigen zu wollen, andererseits der Versuch, so auf „korrekte Weise“ an Vorurteile gegen Menschen aus dem arabischen Raum anschließen zu können.
Es gibt hier aber sicherlich auch reale Unterschiede zwischen Neugründungen wie der PVV oder traditionell antisemitischen Parteien wie der FPÖ oder dem französischen FN. Dort wird spätestens in der zweiten Funktionärs-Reihe dann auch in Westeuropa der klassische Antisemitismus wieder offenbar oder es gibt gegenteilige Signale an die Kernschichten (so besuchte FPÖ-Vorsitzender Strache die israelische Holocaus-Gedenkstätte Yad Vashem und trug dabei eine Nazi-Burschenschafter-Mütze).
Ausblick
Insgesamt stellt die extreme Rechte in den Staaten Osteuropas und am Westbalkan eine ernste Gefahr dar. Es geht dabei vor allem um die Gefahr, die für all jene besteht, die den Rechtsextremen nicht in den Kram passen. Speziell zu nennen wären Roma/Romnija und Sinti, Schwule und Lesben, JüdInnen und in Russland Menschen aus dem Kaukasus.
Für die Zukunft können autoritäre „Lösungen“ in einzelnen Ländern nicht völlig ausgeschlossen werden. Aktuell sind etwa Ungarn und vor allem Russland nur mit Abstrichen als Staaten mit voll ausgebildeten bürgerlich-demokratischen Standards zu bezeichnen.
Aktuell ist eine Machtübernahme durch die extreme Rechte in keinem Land absehbar, wobei es vor allem in Ungarn und der Slowakei einen sehr starken Einfluss der extremen Rechten auf die Regierung gibt (in Ungarn von außen, in der Slowakei als Teil der Regierung). Doch der politisch-gesellschaftliche Einfluss der Vorurteile, die die extreme Rechte propagiert, reicht in vielen Ländern weit über die Ergebnisse an der Wahlurne hinaus.
Im vierten und vorletzten Teil unserer Serie, der in Kürze erscheint, werden wir uns einem weiteren Themenbereich zuwenden:
Teil 4:„Feindbilder, WählerInnen, Politik und Probleme rechtsextremer Parteien“
Abschließen werden wir unsere Serie mit
Teil 5:„Lichterketten sind zu wenig! Was tun gegen Rechts?“