Hungersnot in Ostafrika: Der Kapitalismus versagt, Menschen sterben!

Teile von Ostafrika befinden sich in der weltweit schlimmsten Hungersnot seit Jahren. Medien und Hilfsorganisationen rufen zum Spenden auf. Doch was sind eigentlich die Hintergründe? Was haben westliche Spekulanten und islamische Rebellen damit zu tun? Und gibt es wirklich zu wenig Nahrung?

In Ostafrika herrscht die schwerste Dürre seit 60 Jahren, von ihren Auswirkungen sind bis zu zwölf Millionen Menschen betroffen oder gefährdet. Betroffen sind Gebiete in Kenia, Äthiopien, Dschibuti und besonders Somalia. Es sind bereits zehntausende Menschen gestorben, allein in den vergangenen drei Monaten sollen 29.000 Kinder unter fünf Jahren verhungert sein. Hunderttausende Menschen flüchten aus den Dürregebieten in Städte und Flüchtlingslager.

Zerstörung der Agrarstruktur

Auch wenn es eine reale und schlimme Hungersnot gibt, heißt das nicht, dass es keine fruchtbaren Gebiete in Ostafrika geben würde. Das Problem ist, dass riesige Landflächen billig an ausländische Konzerne verkauft oder verpachtet werden und nicht für den Bedarf im eigenen Land verwendet werden. Weltweit ist bereits eine landwirtschaftliche Fläche in der Größe von einem Viertel Europas von diesem „Land Grabbing" betroffen und steht damit der ansässigen Bevölkerung nicht mehr zur eigenen Versorgung zur Verfügung. Besonders betroffen ist der Osten Afrikas und hier Äthiopien.

Auf diesen Landflächen werden Lebensmittel, Pflanzen zur Erzeugung von Biotreibstoff oder Blumen angebaut um dann in den reichen Industriestaaten oder auf der arabischen Halbinsel verkauft zu werden. Für die lokale Bevölkerung bedeutet das Umsiedlungen, immer weniger nutzbare landwirtschaftliche Fläche und Wasserknappheit, während die Ernte und die Profite in die reichen Länder gehen.

Dahinter stehen Verträge zur Liberalisierung der Landwirtschaft, die den afrikanischen Ländern vom Westen aufgezwungen wurden. Darin wird festgeschrieben, dass Agrarsubventionen für die eigene Bevölkerung abgebaut werden müssen, gleichzeitig aber die Märkte für die hochsubventionierten Agrarprodukte aus der EU und Nordamerika geöffnet werden müssen. Das führt dazu, dass Kleinbauern/bäuerinnen ihre Produkte im eigenen Land nicht mehr verkaufen können und ihre Betriebe verkaufen müssen. Dadurch werden die Strukturen vor Ort zerstört, die eine solche Hungersnot verhindern könnten.

Spekulation mit Nahrungsmitteln

Seit Beginn der aktuellen Finanz- und Wirtschaftskrise ist die Zahl der weltweit chronisch Hungernden von 850 Millionen auf über 1000 Millionen angestiegen. Das liegt vor allem an den schnell steigenden Lebensmittelpreisen. Schon 2009 hat diese Situation zu Hungerrevolten in Lateinamerika und Afrika geführt.

Wegen der wirtschaftlichen Einbrüche im Banken- und Immobiliensektor suchten sich die großen AnlegerInnen ein neues Feld für ihre Vermögen und spekulierten vermehrt mit Agrarrohstoffen und Nahrungsmitteln. Zeitweise wurde eine Milliarde Dollar zusätzlich in den Rohstoffmarkt gepumpt, durch die scheinbar höhere Nachfrage stiegen die Preise für viele wichtige Grundnahrungsmittel wie Weizen oder Mais auf den doppelten bis vierfachen Wert an. Für Menschen in armen Ländern, die den Großteil ihres Einkommens für Nahrungsmittel ausgeben müssen, bedeuten diese Preisanstiege oft eine schreckliche Katastrophe.

Nur drei Prozent der Geschäfte mit Rohstoffen finden real statt, also Geschäfte, in denen Waren transportiert, verarbeitet oder wirklich verkauft werden. Die restlichen 97 Prozent sind reine Spekulation, durch die sich Anleger hohe Renditen erwarten. Der Reichtum der großen Anleger ist also auf dem Hunger der Ärmsten aufgebaut.

Katastrophe mit Ansage

Die Hungerkrise in Ostafrika ist nicht unerwartet ausgebrochen. Die Dürre und der Wassermangel zeichneten sich schon seit Jahren ab, ein riesiges Viehsterben der geschwächten Tiere durch Unterernährung und damit verbundene Epidemien war schon 2009 in Gange. Da ein großer Teil der BewohnerInnen der Region von Viehhaltung lebt, waren die katastrophalen Folgen absehbar.

Obwohl die Krise also alles andere als plötzlich hereingebrochen ist, wurden von den reichen Staaten nicht rechtzeitig Gelder bereitgestellt, um die Katastrophe zu verhindern. Im Gegenteil haben die USA ihre humanitäre Hilfe von 237,4 Millionen Dollar 2008 auf 99,6 Millionen im Jahr 2009 und nur mehr 28 Millionen im Jahr 2010 gesenkt. Kein Wunder, schließlich muss ja Geld in die Kriege und Besatzungen in Afghanistan, im Irak und jüngst in Libyen gepumpt werden.

Auch jetzt wird bei weitem nicht ausreichend Geld zur Verfügung gestellt. So hat Deutschland die Hilfe zwar von einer Million auf 30 Millionen Euro erhöht, gleichzeitig aber erst vor kurzem leichtfertig einen 100 Millionen Euro Kredit für die libyschen Rebellen beschlossen. Und im Verhältnis zu den Milliarden, die für die Rettung der Banken und Konzerne da waren, ist dieser Betrag geradezu lächerlich.

Im deutschsprachigen Raum haben wir es in den populären Tageszeitungen mit einem wahren Spendenmarathon zu tun. Hier sollen wieder mal die Privatpersonen für das Unheil einstehen, dass die Staaten und Konzerne angerichtet haben.

Wohin geht das Geld?

Nicht so viel Zeit ließen sich die westlichen Regierungen, als ihre Frachtschiffe vor Somalia von „Piraten“ überfallen wurden. Die Piraten sind letztendlich ehemalige Fischer, deren Lebensgrundlage durch die Überfischung des Meeres durch jährlich ca. 700 ausländische Fischkutter zerstört wurde, und die nun versuchen, durch Überfälle ihren Lebensunterhalt zu finanzieren. Laut einer Studie über die Plünderung der somalischen Fischbestände, haben die fremden Fangflotten erheblich mehr Protein aus Somalias Gewässern entnommen, als von Hilfsorganiationen in Form  von humanitärer Hilfe zur Verfügung gestellt worden ist.

Somalia liegt an einem wichtigen Knotenpunkt, über den Öl für den Weltmarkt transportiert wird. Die großen Industrienationen haben nicht gezögert, innerhalb weniger Tage Kriegsschiffe vor der Küste Somalias zu versetzen und dort für viel Geld zu stationieren, um ihre Schiffe zu schützen. Aber hier ging es ja nicht um Menschenleben, sondern um den Profit der westlichen Konzerne. Jetzt weigern sich die Staaten sogar, die stationierten Schiffe zur Bekämpfung der Hungersnot einzusetzen, weil es bereits ohnehin zu spät sei!

Islamisten als Hauptschuldige?

In den Medien wurden die Hauptschuldigen für die Not in Somalia schnell gefunden: Die islamisch-fundamentalistische Al-Schabab Miliz, die große Teile des Landes regiert und einen BürgerInnenkrieg gegen die Regierung führt, würde die Hilfslieferungen verhindern.

Es  ist zweifellos alles andere als schön unter der Herrschaft einer fundamentalistischen Miliz zu leben, gleichzeitig ist allerdings auch die somalische Regierung nicht vom Volk gewählt, und kann lediglich durch Unterstützung ausländischer Truppen ihren Einfluss halten, der sich nur über Teile der Hauptstadt Mogadischu erstreckt.

Dass Lebensmittellieferungen verhindert werden, ist so nicht ganz richtig. Einigen ausländischen Hilfsorganisationen ist die Arbeit in den von den Fundamentalisten regierten Gebieten verboten, andere können aber frei agieren und berichten auch nicht von großen Problemen.

Ein wichtiger Grund, warum Hilfsorganisationen zögerten, dort aktiv zu werden, ist dass die USA harte Strafen für die, für Hilfsorganisationen zwangsläufig notwendige, Zusammenarbeit mit Al-Schabab angedroht hat. Al-Schabab wird von der US-Regierung als Terrororganisation eingestuft, erst vor kurzem wurde diese Bestimmung zur Zusammenarbeit etwas gelockert.

Was tun?

Die Hungerkrise zeigt in mehrerlei Hinsicht das Elend des Kapitalismus auf. Es verhungern hunderttausende Menschen, obwohl genug Nahrung da wäre. Aber der kapitalistische Markt kennt nur kaufkräftige Nachfrage und keine Verteilung nach Grundbedürfnissen. Der Kapitalismus schafft es für einen großen Teil der Weltbevölkerung nicht, auch nur eine Grundversorgung herzustellen.

Viele westliche Konzerne und Staaten sind heute durch die Ausbeutung der afrikanischen Länder und die Zerstörung der Agrarstrukturen direkt beteiligt an all dem Elend. Sei es durch Spekulation, Landkauf, ungleiche Verträge oder militärische Interventionen. Gleichzeitig waren, und sind sie jetzt nicht bereit, dafür zu zahlen.

Für uns in den westlichen Industriestaaten muss der Kampf gegen Hunger und Elend in den armen Ländern zentral mit dem Kampf gegen unsere verlogenen Regierungen und die heimischen Konzerne verbunden sein. Die VerursacherInnen sollen zahlen! Aber weder durch private Spenden noch aus den Steuern der Lohnabhängigen. Die notwendigen Gelder sollten aus den Gewinnen der Unternehmen und Reichen genommen werden, die sich durch das Elend bereichert haben. Das werden sie aber nicht einfach von selbst tun, sondern dafür gilt es zu kämpfen!

 

Links zum Weiterlesen:

Die globale Nahrungsmittelkrise (Juni 2008)

"Krisenherd" Somalia (April 2007)