Wien: Proteste der IE-Studierenden

Ende März verkündete das Rektorat der Universität Wien plötzlich, dass die Finanzierung des Masterstudiums für die Internationale Entwicklung nicht mehr gesichert sei – entgegen der zuvor abgegebenen Versprechungen. Dies führt für die Studierenden zu Verzögerungen, Widerstand regt sich. Die Zukunft der IE in ihrer jetzigen Form steht auf dem Spiel.

Der Studiengang der Internationalen Entwicklung an der Universität Wien befand sich während seiner über 30jährigen Geschichte ständig prekärer Situationen und Veränderungen ausgesetzt. 2002 wurde er schließlich als individuelles Diplomstudium etabliert und mit Winter 2009 in ein Bachelorstudium umgewandelt, wobei die Uni Wien von Anfang an ein anschließendes Masterstudium versprochen hatte.

Internationale Entwicklung war schon immer ein interdisziplinär ausgerichtetes Projekt, das sich mit dem Begriff der „Entwicklung“ (vor allem auf globaler Ebene) auseinandersetzt, und kritisch Fragestellungen von Entwicklungszusammenarbeit und internationaler Politik untersucht. Dabei werden unter anderem politikwissenschaftliche, soziologische, ökonomische und historische Perspektiven einbezogen. Das Studium ist dabei, was nicht sonderlich überraschen wird, durch eine größtenteils eher linke Ausrichtung seiner Inhalte und Lehrenden aufgefallen.

In den letzten Jahren erfreute es sich immer größerer Beliebtheit, alleine das Bachelorstudium umfasst bereits 1500 Studierende, eine weitere beachtliche Zahl studiert noch im alten Diplomstudienplan. Durch den Druck der Studierenden über Jahre hinweg und im Zuge der Audimax-Bewegung wurde für die Internationale Entwicklung 2010 ein lange eingefordertes eigenes „Institut“ geschaffen, das real aber auch nicht viel mehr als ein neues Büro darstellt.

Fortschreitende Umstrukturierungen

Mit der Schaffung eines Instituts gingen aber weitere Veränderungen einher, die auch die Inhalte des Studiums betreffen. Aufgrund von auslaufenden Verträgen, prekärer Arbeitssituation und Überlastung mit Lehre, sowie keiner Möglichkeit zur Forschung oder Habilitierung waren im letzten Jahr einige der ursprünglichen Lehrenden, die maßgeblich am Aufbau der IE beteiligt waren und sie jahrelang durch ihre Lehre mitgeprägt haben, gezwungen zu gehen. Die IE selbst hatte keine fixen Professuren, diese wurden erst mit dem Institut genehmigt. Mit den neuen ProfessorInnen ging dabei eine Veränderung einher, die von der grundsätzlich eher progressiven Ausrichtung des Studiums zunehmend abrückt. Die Universität hat hier durch ihre jahrelange Unterfinanzierung der IE schließlich ihren Willen durchgesetzt.

Master kommt also nicht!

Das versprochene Masterstudium hätte im Winter 2011 anlaufen sollen. Der Studienplan dafür ist bereits ausgearbeitet worden und vom Senat, der für die inhaltlichen Fragen der Studienpläne zuständig ist, bestätigt. Bevor es jedoch zur zweiten Anhörung kommen konnte, kam ein überraschendes Schreiben von Universitätsrektor Winkler, in welchem dem Senat mitgeteilt wurde, dass das Masterstudium nicht finanziert werden könne. Im Zuge der Verhandlungen des Institutes mit dem Rektorat ließ der Rektor schließlich auch inhaltliche Einwände verlauten (für die er gar nicht zuständig ist) und den Wunsch, den Master auf Englisch einzuführen, womit eine Zugangsbeschränkung möglich werden würde. Sogar das bestehende Bachelorstudium wurde von Seiten des Rektors plötzlich problematisiert und es wurden Bestrebungen sichtbar, auch hier weitere Veränderungen herbeizuführen.

Da im Herbst die ersten Studierenden den Bachelor abschließen werden und mit dem Masterstudium beginnen wollen, ist von Seiten der Studierenden der Druck hoch, gegen diese plötzliche Meinungsänderung zu protestieren. Nach dem derzeitigen Stand der Verhandlungen kommt der Master jedoch frühestens 2012, und auch das ist sehr ungewiss.

Wohin führt das?

Die Aussagen des Rektorats lassen eine zukünftige Ausrichtung erkennen, die auf ein englischsprachiges, elitäres Internationale Entwicklung-Studium hinzielt. Inhaltlich soll der Fokus sich lieber auf Ökonomie und Recht verlagern, was zeigt, dass das Rektorat ein Studium sehen möchte, das mehr in die Richtung von Diplomatie und International Relations geht. Es droht eine Ausrichtung auf den Entwicklungsmainstream und eine reine praxisorientierte Beschäftigung mit Entwicklungszusammenarbeit. So kann das Studium gleich als eine Ausbildung für große internationale Organisationen wie die UNO funktionieren und Wien noch besser als internationalen Standort etablieren. Eine geistes- und sozialwissenschaftliche, vor allem kritische Auseinandersetzung mit der Thematik und auch mit linker Theorie ist in den Augen der Universität natürlich weit weniger „nützlich“ und prestigeträchtig. Die Einsparungen an der IE und die Änderung der Ausrichtung des Studiums passen sich in den neoliberalen Umbau der Universitäten der letzten Jahre/Jahrzehnte ein. Es sollen jene Studienrichtungen gefördert werden, die „der Wirtschaft“ was bringen. Weiters steigen die Leistungsanforderungen kontinuierlich und durch verschiedene, offene wie versteckte, Zugangsbeschränkungen wird Studieren noch mehr zum Luxus für Leute mit einem entsprechenden finanziellen Hintergrund.

Aktiv kämpfen!

Die Entstehung und das Überleben der Internationalen Entwicklung gingen bis jetzt bereits maßgeblich auf den Druck von unten, insbesondere die Proteste der Studierenden zurück. Diese Geschichte zeigt, dass langanhaltender Kampf hier schon viel erreicht hat. Allerdings muss der Kampf auch von den Lehrenden mitgetragen werden. Der Streik am 1. April im Zuge eines Aktionstages war ein Schritt in diese Richtung, mit dem zunehmenden Wegbrechen kritischer Lehrender wird der gemeinsame Kampf allerdings immer schwieriger. Vor allem jetzt gilt es, den Kampf für dieses Studium fortzusetzen. Es wurden bereits einige Protestmaßnahmen gesetzt, dafür ist es aber wichtig, dass der Kampf anhaltend bleibt und wir uns für unsere Sache organisieren!

Dazu wird es letztlich jedoch auch eine Verbreiterung der Widerstandsbasis über die Universitäten hinaus brauchen. Das wird jedoch nur funktionieren wenn nicht unspezifische Forderungen nach „Mehr Bildung!“ im Mittelpunkt stehen, sondern die Rolle von Bildung, Universitäten und Studierenden im Kapitalismus mitbedacht wird.

Zum Weiterlesen:

RSO-Themenschwerpunkt „Uni-Proteste“

http://ie.univie.ac.at/das-institut/geschichte/chronologie/