Steiermark: Wo ist die Schamgrenze?

Die Wahlen in der Steiermark brachten einen neuerlichen Einbruch der Rechtsextremen in traditionelle Hochburgen der ArbeiterInnenbewegung. Gleichzeitig konnte sich aber auch die KPÖ im Landtag halten. Doch nun stellt sich die Frage: mit wem wird die SPÖ in eine Koalition gehen …

Die SPÖ verlor bei diesen Wahlen insgesamt leicht, allerdings dramatisch in den industriellen Hochburgen der Obersteiermark, wo die FPÖ stark dazu gewann. Beunruhigend, dass vor allem ArbeiterInnen nach Rechts abwanderten, die unmittelbar von der Krise (Kurzarbeit, Arbeitslosigkeit…) betroffen waren. Hier wählte, laut WählerInnenstromanalysen, jede/r vierte FPÖ, bei den nicht Betroffenen waren es hingegen nur sechs Prozent.

Insgesamt war die SPÖ bei ArbeiterInnen mit 46 Prozent stimmenstärkste Partei, die FPÖ konnte mit 16 Prozent jedoch ein überdurchschnittliches Ergebnis erzielen. Die FPÖ bekommt auch unter Jüngeren viel mehr Stimmen als im Schnitt, Männer bis 29 wählten zu 23% die FPÖ.

Die FPÖ in der Verteilungsfrage treffen!

Der steirische Wahlkampf zeigte auch wiederum, dass die Betroffenheitsrhetorik über den Rechtsextremismus der FPÖ sinnlos ist. Bringen wir es auf den Punkt: die potentiellen WählerInnen der FPÖ wissen bereits, dass die FPÖ rechtsextrem und rassistisch ist und in ihr Nazi-Kader an entscheidenden Stellen sitzen (und all das gilt für die steirische FPÖ nochmals in besonderem Maße). Doch die WählerInnen wählen die FPÖ trotzdem, es ist ihnen egal.

Es immer wieder wie ein Mantra aufzusagen, wird kaum etwas verändern. Die FPÖ wirklich zu treffen, bedeutet, ihre Politik für die Reichen ins Zentrum zu rücken, etwa die Gegnerschaft von Strache zu einer „Reichensteuer“.

KPÖ und Kreisky

Erfreulich, dass die steirische KPÖ es geschafft hat, knapp im Landtag zu bleiben. Nach dem Abgang ihres bekanntesten Mandatars, Ernest Kaltenegger, war das keineswegs klar. Sie verlor in der Obersteiermark, wo sie gut verankert ist, nur wenig und schaffte in den meisten Industrieorten Ergebnisse zwischen 4% und 6%, in Graz hingegen gab es einen starken Einbruch.

Allerdings ist die steirische KPÖ wohl weit mehr eine Siebziger-Jahre-Ausgabe der Sozialdemokratie als eine tatsächlich kommunistische Partei. Im Wahlkampf präsentierte sie gar den verstorbenen Ex-Kanzler Bruno („Solange-ich-regiere-wird-rechts-regiert“) Kreisky als potentiellen Wähler der KPÖ und wenn es um Migrationsthemen geht, hält sich die KPÖ oft nobel zurück – offenbar, um WechselwählerInnen mit der FPÖ nicht zu verschrecken.

Rosa Papier ist besonders geduldig …

Interessant wird nun die Wahl des nächsten Landeshauptmanns. Schlussendlich wird wohl eher eine Koalition aus Rot und Schwarz das Ergebnis sein. Aber es ist ekelerregend genug, dass SP-Landeshauptmann Voves auch nur öffentlich darüber nachdenkt, mit der FPÖ zu koalieren.

Doch pikant: im Landtag sitzt nun mit Max Lercher auch der Vorsitzende der SJ Steiermark, der sich im Wahlkampf noch klar gegen eine Zusammenarbeit der Sozialdemokratie mit der FPÖ aussprach. Die SJ brachte am Landesparteitag sogar  den Antrag „Keine Koalition mit FPÖ und BZÖ“ ein, der einstimmig (!) angenommen wurde … was mit den aktuellen Debatten wiederum zeigt, wie unendlich geduldig sozialdemokratisches Papier ist.

Seit der Wahl allerdings ist von Lercher nichts mehr zu hören, dabei wäre es, da SPÖ und FPÖ gemeinsam nur eine Stimme Mehrheit haben, an ihm, mit einem einfachen Statement die rot-blau Überlegungen zu sprengen.

Doch sollten wir uns ohnehin weniger mit dem bürgerlichen Wahlzirkus beschäftigt. Weit wichtiger wäre, in Graz und der Mur-Mürz-Furche, den Großbetrieben des Autocluster Steiermark und den industriellen Zentren der Obersteiermark, erste Ansätze einer unter den Lohnabhängigen verankerten revolutionär-sozialistischen Kraft aufzubauen, die tatsächlich das Potential zur Veränderung dieser Gesellschaft hat.

 

 Zum Weiterlesen:

SPÖ: Ehrlicher Linksschwenk? (Mai 2009)

KPÖ vor der Spaltung (Oktober 2004)

KPÖ: Wohin geht die Reise? (Juli 2003)

Wird die grüne Mark jetzt rot? (März 2003)