Zur Roma-Abschiebung aus Frankreich

Die so genannte „Sicherheitsoffensive“ des französischen Präsidenten Sarkozy hat zu internationalem Aufsehen geführt.. Sein „nationale Krieg gegen Kriminelle“  ist dabei in erster Linie eine rassistische Stimmungsmache gegen ImmigrantInnen im Allgemeinen und die Minderheit der Roma im Besonderen.

Präsident Nicolas Sarkozy und seine konservative französische Regierung stehen seit Tagen in der Kritik von MenschenrechtlerInnen sowie linken Parteien/Organisationen und sogar EU- und UNO-PolitikerInnen zeigen sich öffentlich besorgt über die Vorgänge in Frankreich. Der Grund dafür ist die von Sarkozy und seinem Innenminister Brice Hortefeux ausgerufene „Sicherheitsoffensive“.

Vorgehen der Staatsmacht

Die ausgerufene „Sicherheitsoffensive“ begann vor wenigen Wochen mit der Räumung von „illigalen“ Romasiedlungen in ganz Frankreich. Insgesamt gibt es über 600 dieser Siedlungen, in denen oftmals viele hundert oder gar tausend Menschen unter extrem schlechten Bedingungen leben müssen. Über 60 Siedlungen, in denen es meist nicht einmal eine Kanalisation gibt, wurden seither schon durch die französische Staatsmacht geräumt. Dabei ging die Polizei wie so oft enorm brutal vor, stürmte die Siedlungen in martialischen Kampfmonturen und trennte Eltern und Kinder von einander, um den Druck auf die Roma-Familien zu erhöhen, einer „freiwilligen“ Ausreise zuzustimmen. Das harte Vorgehen der französischen Polizei gegen Roma ist dabei nichts Neues: Anfang dieses Sommers hatten Polizisten einen 22-jährigen Mann bei einer Verkehrskontrolle erschossen und den darauf folgenden wütenden Protest der Roma, bei dem Autos in Flammen aufgingen und auch eine Polizeistation angegriffen wurde, brutal unterdrückt. Diese Auseinandersetzungen mit der Polizei im Norden Frankreichs dienten Sarkozy dann als Vorlage im Kampf gegen die „kriminellen Roma“. So meint der französische Präsident zu wissen, dass die Ausschreitungen „die Probleme, die das Verhalten von manchen fahrenden Leuten und Roma verursacht“, verdeutlichen. Mit dieser Einschätzung steht der Präsident in seiner Regierung aber nicht alleine da.

Rassistische Äußerungen der Regierung

Die Familienministerin der französischen Regierung ist der Ansicht, dass die Räumung und Vertreibung der Roma in deren eigenem Interesse sei. So seien die hygienischen Bedingungen in den Siedlungen so schlecht, dass es vor allem im Interesse der Kinder sei, daran etwas zu ändern – die Siedlungen also zu räumen und die Familien abzuschieben.

Innenminister Brice zeigte sich zuletzt verwundert darüber, was für große Autos viele Roma fahren würden, wo sie doch meist gar keine Arbeit hätten. Ebenfalls aus dem Lager der Regierung war zu hören, dass die Roma-Lager Quelle von Drogenschmuggel, Kinderarbeit und Prostitution seien und dass dementsprechend zu handeln sei.

Die Roma werden von der französischen Regierung also als Sündenböcke für die vielen innenpolitischen Probleme Frankreichs missbraucht, welche durch die wirtschaftlichen Schwierigkeiten sowie eine verfehlte Politik der Regierung massiv zugenommen haben. Nicht zuletzt die katastrophalen Umfragewerte für Sarkozys UMP dürften für die rassistische „Sicherheitsoffensive“ ausschlaggebend gewesen sein.

„Freiwillige“ Rückkehr

Bis Ende August sollen ca. 700 Roma aus Frankreich abgeschoben werden – die meisten nach Bulgarien und Rumänien. Dabei bekommen die Ausgewiesenen 300 Euro pro erwachsener Person und 100 Euro pro Kind, um der „freiwilligen“ Ausreise zuzustimmen. Das Absurde daran ist, dass die abgeschobenen Roma als europäische Staatsbürger das Recht haben, sofort wieder nach Frankreich einzureisen. Dort müssen sie jedoch nach drei Monaten einen Arbeitsplatz, Studienplatz oder genug Geld vorweisen können, um in  Frankreich bleiben zu können, ansonsten droht ihnen eine erneute Abschiebung. (Die Bewegungsfreiheit gilt also nicht für alle Menschen auf Dauer, sondern nur für diejenigen, die es sich leisten können.) Einwanderungsminister Eric Besson will aus diesem Grund eine Datei einführen, in der die abgeschobenen Roma registriert werden, sodass sie nicht „doppelt kassieren können“.

Rassismus gegen Roma

Weitgehend unbeachtet von der Öffentlichkeit wurden auch schon letztes Jahr 10.000 Roma  aus Frankreich ausgewiesen, von denen jedoch zwei Drittel inzwischen wieder eingereist sind. Diese Rückkehr ist wenig verwunderlich, denn in Osteuropa, wo ein Großteil der 10 Millionen europäischen Roma lebt, sind die Armutsraten noch höher und die Chancen auf einen Arbeitsplatz und ein Leben ohne Armut noch wesentlich geringer als in Westeuropa. Zudem wächst der Rassismus gegen Roma in Osteuropa in den letzten Jahren massiv an. Immer häufiger erscheinen Nachrichten über Morde und Progrome an Roma. So wurde in Tschechien der Roma Ota Absolon von Faschisten ermordet, während kurze Zeit später drei Angehörige der Roma nur schwerverletzt eine Hetzjagd überlebten. In der Slowakei wurden sechs Kinder mishandelt – weil sie Roma waren. Auch in Ungarn gibt es mit der Rechtsentwicklung einen zunehmenden Rassismus gegen Roma.

Die Angriffe auf Roma sind jedoch nicht aus den Osten Europas beschränkt. In der Nähe von Neapel wurde eine Siedlung der Roma mit Molotow-Cocktails angegriffen, und hunderte Roma mussten unter „Polizeischutz“ weggebracht werden.

Rassismus und „Innere Sicherheit“

Die Offensive der Regierung Sarkozy gegen Roma steht in einem breiteren Zusammenhang. Das Thema „Innere Sicherheit“ wird mit rassistischen Angriffen nicht nur auf Roma, sondern ganz Allgemein auf ImmigrantInnen, besonders mit muslimischem Hintergrund, verknüpft. Sarkozy übernimmt damit die Linie der rechtsextremen Nationalen Front (FN). Mit vollem Recht kann sich deren Vizepräsidentin Marine Le Pen, die Tochter des  langjährigen Parteiführers Jean-Marie Le Pen, darüber freuen, dass der Staatschef jene Vorstellungen bestätigt habe, für die die Nationale Front seit dreißig Jahren stehe.

Neben der Verschärfung der Angriffe auf Roma plant die Regierung auch eine dramatische Erleichterung des Entzugs der Staatsbürgerschaft für straffällig gewordene Eingebürgerte mit Migrationshintergrund. Die französische Staatsbürgerschaft sei, so Sarkozy, ein Verdienst, dessen man sich würdig erweisen müsse.

Das kalkulierte Schüren rassistischer Stimmungen soll dabei ablenken von den Schwierigkeiten der Regierung Sarkozy und den geplanten sozialen Angriffen. Sarkozy ist tief in den Spendenskandal um die L‘Oréal-Erbin Liliane Bettencourt verstrickt. Und die Regierung plant tiefe Einschnitte in das soziale Netz Frankreichs. Das Schüren rassistischer Vorurteile dient dabei perfekt zur Legitimation der Aufrüstung des Staatsapparats.

Kampf gegen Rassismus – Kampf gegen Abschiebungen!

Auch wenn der Kampf gegen Abschiebungen aufgrund Sarkozys rassistischer Stimmungsmache gegen die Roma als ein sehr aktuelles Thema erscheint, ist es ein alltägliches Problem. Abschiebungen, Abriegelung der Festung Europa und das dazugehörende Abschiebeknastsystem sind Elemente des staatlichen Rassismus, die schon zu „normal“ sind, als dass sie noch viel Aufmerksamkeit bekommen würden.

Umso wichtiger ist es, den Gedanken an eine freie, klassenlose Gesellschaft ohne Grenzen nicht aufzugeben! Der Kampf gegen Rassismus und Abschiebung ist ein zentrales Element unseres Klassenkampfes für eine sozialistische Gesellschaft!

Die Vorantreibung des Klassenkampfes, des gemeinsamen Kampfes von in- und ausländischen ArbeiterInnen in den Betrieben und auf der Straße, ist das beste Mittel, um die rassistische Spaltung zurückzudrängen und gegen die rechtsextremen und staatlichen RassistInnen vorzugehen. Ein erster Schritt in Richtung eines heißen Klassenkampf-Herbstes in Frankreich kann der Generalstreik am 7. September werden.

 

 

Zum Weiterlesen:

Die Geschichte der Roma im Burgenland (2004)

Hungerrevolten in Mitteleuropa (zum Aufstand der slowakischen Roma, 2004)

Solidarität mit Mario Bango! (2001)

 

Smash Racism!

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Was ist Rassismus? Wie kann er bekämpft werden? Eine marxistische Analyse. Marxismus-Sondernr. 32, Februar 2010, Preis: 2,5 Euro / 4 SFR


 

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In großen Teilen der Welt spielt Rassismus eine zentrale Rolle bei der Spaltung der Lohnabhängigen und Ausgebeuteten. Angesichts der Krise des Kapitalismus setzt die herrschende Klasse verstärkt auf Rassismus. Der Kampf dagegen wird in den kommenden Jahren eine wesentliche Herausforderung für die ArbeiterInnenbewegung darstellen.

Rassistische Antworten auf soziale Probleme kommen dabei nicht nur von der extremen und konservativen Rechten. Die Sozialdemokratie und die von ihr beherrschten Gewerkschaftsführungen tragen die standortchauvinistische Politik der „Festung Europa“ voll mit.

Viele der in der Linken verbreiteten Texte zum Thema Rassismus sind oberflächlich. Wir versuchen in der vorliegenden Broschüre eine tiefer gehende und grundlegende Analyse. Wir arbeiten heraus, wie marxistische Positionen zu Rassismus, „Festung Europa“ etc. aussehen können. Wir zeigen, warum Antirassismus mit Klassenkampf verbunden werden muss, um ernsthafte Erfolge erzielen zu können.

Der Haupttext dieser Broschüre sind die RSO-Thesen zu Rassismus und Antirassismus. Sie beschäftigen sich mit der Entstehung des modernen Rassismus im Rahmen von Kolonialismus und Kapitalismus ebenso wie mit Konzepten von „Rassenauslese“, mit dem offiziell „antirassistischen“ Rassismus, auf den der Mainstream des Establishments in den letzten Jahrzehnten setzte, ebenso wie mit dem Verhältnis von Rassismus und extremer Rechter, mit verschiedenen Formen des Rassismus wie mit den verschiedenen antirassistischen Kampfstrategien.

Dazu kommen ein Text, der sich mit der „Festung Europa“, also der rassistischen Abschottungspolitik  der EU (inklusive Deutschland und Österreich), beschäftigt, und ein Beitrag, der die Migrationspolitik der Schweiz behandelt.

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