Bericht vom LO-Fest 2010

Bei traumhaftem Wetter fand am Pfingstwochenende in der Nähe von Paris wieder die traditionelle Fête de Lutte Ouvrière statt, Europas größtes trotzkistisches Fest. RSO-AktivistInnen aus Wien und Zürich waren mit dabei und holten sich mehr ab als nur einen Sonnenbrand…

Das Fest von Lutte Ouvrière (LO, „ArbeiterInnenkampf“) ist wohl das einzige trotzkistische Fest Europas, das schon vom Flugzeug aus zu sehen ist. Auf dem bewaldeten Gelände im Dorf Presles nördlich von Paris kommen an den drei Tagen ca. 35000 BesucherInnen zusammen. Ein großer Teil davon sind ArbeiterInnen aus größeren Betrieben, was die Verankerung von LO widerspiegelt, die regelmäßig mehrere hundert Betriebsflugblätter in ganz Frankreich herausgibt.

Politisch, aber nicht aufdringlich

Im Gegensatz zu von Parteien organisierten „Volksfesten“ hierzulande wird auf der Fête de Lutte Ouvrière ein niederschwelliges Angebot nicht mit einem unpolitischen Ansatz verwechselt. So ist es einerseits möglich, sich ausschließlich Bands, Theater, Zirkus oder Kinofilme anzusehen, das Mittelalterdorf und den Waldlehrpflad zu besuchen oder sich in sechs Meter Höhe in einem Hochseilgarten über das Festgelände zu schwingen. Andererseits aber haben Interessierte ständig die Möglichkeit, an etlichen Infoständen zu diskutieren, in politischer Literatur zu schmökern und an zahlreichen Veranstaltungen teilzunehmen. In der Cité des Sciences, der „Stadt der Wissenschaft“, können ArbeiterInnen, die nie die Chance hatten eine Universität zu besuchen, Vorträge von WissenschaftlerInnen besuchen und mit diesen direkt in Kontakt treten. Fast alle Angebote sind kostenlos (10 Euro Eintritt für alle drei Tage), sogar der viertelstündliche Shuttle-Bus aus Paris.

Einzigartig ist auch, dass ein Fest dieser Größe vollständig von politischen AktivistInnen organisiert und getragen wird. Selbst an den zahlreichen Gastroständen mit kulinarischen Spezialitäten aus allen Teilen der Welt stehen ausschließlich AkivistInnen und SympathisantInnen von LO und ihrer Schwesterorganisationen in anderen Ländern. Anders als bei kommerziellen Festen erlaubt die gemeinsame Planung und Durchführung ein sehr differenziertes Angebot bei gleichzeitig ziemlich günstigen Preisen.

Feiern und kämpfen

Wir selbst haben das Fest genutzt, um uns zu informieren, zu diskutieren und uns mit GenossInnen aus anderen Ländern und Kontinenten auszutauschen. So wohnten wir etwa einer lebhaften Podiumsdiskussion zwischen VertreterInnen von LO und NPA (Nouveau Parti Anticapitaliste, Neue Antikapitalistische Partei) bei, besuchten eine Veranstaltung mit ArbeiterInnen aus verschiedenen französischen Automobilfabriken oder lauschten der kämpferischen Rede der LO-Sprecherin Nathalie Arthaud. Daneben trafen wir uns beispielsweise mit GenossInnen aus Griechenland, Argentinien oder Haiti für Diskussionen und Informationsaustausch.

Einer der bewegendesten Momente des Festes war sicherlich die Rede einer Genossin aus Haiti, die während des Erdbebens ihren Sohn verloren hatte. Gemeinsam mit anderen haitianischen TrotzkistInnen berichtete sie in einer großartigen Veranstaltung über die aktuelle Situation auf der Karibikinsel. Es wurde klargestellt, dass die 300.000 Menschen nicht wegen des Erdbebens an sich, sondern hauptsächlich wegen der katastrophalen sozialen und ökonomischen Lage der großen Mehrheit auf Haiti sterben mussten. Geschildert wurde auch die beeindruckende Solidarität der einfachen Bevölkerung („auf eine Person, die durch Hilfsorganisationen mit Spürhunden gerettet wurde kamen 100, die von der Bevölkerung mit bloßen Händen ausgegraben wurden“) und der politische Kampf der GenossInnen gegen religiöse Sekten, die das Beben als Strafe Gottes darstellen. Mit minutenlangen Standing Ovations versuchte das Publikum den GenossInnen Mut zu machen, ihre Arbeit weiterzuführen – denn der Kampf geht weiter!

Weiter geht auch unsere politische Arbeit in Deutschland, Österreich und der Schweiz, für die wir uns in Frankreich neue Motivation und Inspiration geholt haben. Unterstützung dafür können wir immer gebrauchen! Und wer weiß: Vielleicht fahren wir ja nächstes Jahr gemeinsam zum LO-Fest…

 

Fotos vom Fest

Videos vom Fest