Aliens und Politik – Filmrezension zu –„District 9–“

Der Science-Fiction Film „District 9“ (2009) hebt sich angenehm vom Fantasy- und Science-Fiction-Einheitsbrei der letzten Jahre ab. Aber nicht nur die filmische Umsetzung ist interessant, sondern besonders die Story dahinter. Denn die Aliens finden sich in der Rolle von diskriminierten und marginalisierten Flüchtlingen wieder.

Bereits zu Beginn des Filmes wird klar, dass es sich hier nicht um einen (ganz) klassischen „Außerirdischen“-Film handelt. Bei denen läuft die Story oft so (oder zumindest so ähnlich) ab: irgendwelche fiesen Aliens bedrohen die Menschheit und diese muss nun heldenhaft gerettet werden. Mit dabei ist in solchen Filmen dann auch meistens eine gehörige Portion Nationalismus und machistisches Heldentum. Stark geht es dabei auch oft um die Schaffung und das Zeigen einer äußeren Gefahr, die dann gemeinsam bekämpft werden muss. So kann wieder einmal gezeigt werden, dass Polizei, Armee und die Regierung dein „Freund und Helfer“ sind. Hier sind die Parallelen zu Vorstellungen rund um den „Krieg gegen den Terror“ und dem „Kampf der Kulturen“ nur zu real. „District 9“ kann hier nicht so leicht eingeordnet werden.

Die Story

In „District 9“ stranden Aliens in ihrem Raumschiff über Johannesburg (Südafrika). Nach mehreren Monaten wird das Raumschiff geentert und vorgefunden werden fast verhungerte Außerirdische, die keine Anstalten machen die ErdenbewohnerInnen sofort zu eliminieren. Ratlos darüber, was mit den „BesucherInnen“ nun passieren soll, werden sie im „District 9“ untergebracht: ein Alien-Slum (mit Ghetto-ähnlichen Zuständen). Über die Jahre hinweg wachsen die Probleme mit den „Gästen“ und der Unmut der Bevölkerung ihnen gegenüber.

Sie sollen daher „District 9“ (und damit die Stadt) verlassen und bekommen ein Zeltdorf, ein Flüchtlingslager mit Konzentrationslager-ähnlichen Zügen, in der Wüste „zur Verfügung“ gestellt. Eine wichtige Rolle kommt dem privaten Militär-, Waffen- und Sicherheitskonzern MNU (Multinational United) zu, der für die Überwachung der Aliens und ihres „Wohnbezirks“ verantwortlich und auch deren Umsiedlung durchsetzen soll – er profitiert somit maßgeblich von der Stimmung gegen die Insektoiden.

Bei der Räumung des Alien-Slums infiziert sich der Leiter der Operation Wikus van de Merwe (Hauptdarsteller Sharlto Copley) mit einer unbekannten Flüssigkeit – und mutiert langsam selbst zum Außerirdischen. Dadurch wird er zum heiß begehrten (Versuchs-) Objekt seiner Firma MNU. Denn aufgrund seiner Transformation ist er nun fähig, die sehr schlagkräftigen Waffen der Außerirdischen, die nur mittels Alien-„Fingerabdrücken“/DNA in Betrieb genommen werden können, zu verwenden.

Ihm gelingt allerdings die Flucht aus den Versuchslaboren und er wird nun selbst zum Gejagten. Dabei trifft er in „District 9“ auf den Alien, der die Flüssigkeit mit der er sich infiziert hatte, hergestellt hat und erfährt, dass diese zur Inbetriebnahme des Mutterschiffes (und damit für eine Rückreise) mühsam entwickelt wurde. Sie machen einen Deal: der infizierte Wikus van de Merwe hilft dem Alien die beschlagnahmte Flüssigkeit zu organisieren, dafür verwandelt dieser ihn zurück in einen Menschen.

Apartheid und Rassismus gegen Aliens

Die Story und der Film sind freilich mit relativ klassischen Attributen des Science-Fiction bzw. von Alien-Filmen ausgestattet. In mancherlei Hinsicht hebt er sich aber auch angenehm davon ab. Zunächst einmal nehmen die Aliens eine „verkehrte“ Rolle ein: diesmal sind sie die Ausgegrenzten und Bedrohten. Dabei ist auch die Auswahl des Schauplatzes nicht zufällig: der Regisseur Neill Blomkamp, der selber aus Südafrika stammt (sowie der Hauptdarsteller auch), wollte damit Apartheid und Rassismus thematisieren. Außerdem sollte so der „Rassen“frage (speziell in Südafrika) mit den ausgegrenzten und ghettoisierten Aliens eine weitere Dimension hinzufügt werden. Der Titel des Films ist angelehnt an den in Kapstadt real existierenden „District Six“, in dem hauptsächlich SklavInnen, ArbeiterInnen und MigrantInnen lebten und in dem ab 1968 ausgedehnte Zwangsumsiedlungen durchgeführt wurden.

Im Film werden auch die Lebensbedingungen der BewohnerInnen von „District 9“ nachgezeichnet: soziales Elend, Hausung in Baracken, Gewalt, Schwarzmarkt… Umstände, wie sie in Slums auf der Tagesordnung stehen. Die Anfeindungen durch die Bevölkerung werden in Zusammenhang mit diesen elenden Existenzbedingungen gezeigt. Die Aliens werden von der menschlichen Bevölkerung zumeist abwertend als „prawns“ (Krabben) bezeichnet. Vielfach erinnert die Diktion auch an typische rassistische Argumente in Migrations- und Asyldiskursen: die Versorgung und Unterbringung der „Gäste“ koste viel Geld, sie würden sich ohnehin nicht anpassen, sie wären Störenfrieden, sie würden stehlen und wären gewalttätig…

Und auch mit der Umsiedlung ist eine rassistische Gesamtkriminalisierung verbunden: Jedes Alien ist vermeintlich gemeingefährlich, wird mit rigoroser Gewalt behandelt und ständig mit der Waffe bedroht. Um die Aliens „legal“ aus dem Ghetto zu zwingen, bedarf es ihrer Unterschrift unter einen standartisierten Vertrag. Diese wird ihnen mit Täuschung, Bedrohung oder Gewalt „entlockt“ – eine Wahl haben sie dabei offensichtlich nicht.

Interessant ist auch die Darstellung des Konzerns MNU (wenn auch für einen Science-Fiction Film nicht unbedingt ein sonderlich innovatives Element). Damit werden die „Privatisierung“ von Krieg und öffentlicher Gewalt, die Verbindungen zwischen Politik und privaten Konzernen sowie die unmittelbaren materiellen Interessen von Kapitalfraktionen an Rassismus, militärischen/kriegerischen Konflikten und Überwachungsstaat thematisiert – so wie sie etwa auch in den Kriegen im Irak und in Afghanistan besonders stark zu Tage getreten sind.

Doch nur klassische Science-Fiction?

Wie es typisch für Science Fiction ist, dessen politische Ansätze nur rudimentär vorhanden sind, kann und/oder will „District 9“ keine gesellschaftliche Alternative oder Überwindungsperspektive bieten. Das Elend, die rassistische Unterdrückung sowie die damit verbundene Kriminalität und Gewalt beherrschen auch am Ende der Geschichte das Alien-Ghetto.

Eindeutig vom Apartheidstaat Südafrika inspiriert, wird der jahrzehntelange Kampf der Schwarzen um zumindest politische Gleichstellung (und das darauf folgende ANP -Neo-Apartheids-Regime), filmisch überhaupt nicht verarbeitet oder thematisiert. Der Widerstand der Massen wird reduziert auf die Aktionen Einzelner (van de Merwe und sein Alien-Kumpel Christopher Johnson). Von einer gemeinsamen Kampfperspektive der menschlichen und außerirdischen ProletarierInnen gar nicht erst zu reden.

Auch die Wahl, dass ausgerechnet der rassistische MNU Bürokrat van de Merwe die Außerirdischen rettet, weil er plötzlich selbst zum Alien wird, scheint bevormundend und gesteht den Aliens nur sehr indirekt (über Johnson) eine eigene Befreiungsperspektive zu. Sein Wandlungsprozess erscheint nicht als Erkenntnis in die gemeinsamen Interessen von unterdrückten Außerirdischen und Menschen, sondern als moralisch-idealistische Selbstaufgabe.

Sehr lange ist sein Kampf von rigorosem Opportunismus getragen, der die Aliens seinen eigenen Interessen, der Rückverwandlung, opfert. Als er sich plötzlich wandelt, ist dies mit selbstloser Aufopferung verbunden, wo er seine Interessen plötzlich für die der Außerirdischen opfert. Der gemeinsame Kampf für die zusammenlaufenden Interessen scheint ausgeschlossen. Mehr als eine moralische Anklage, dass der Unterdrückerstaat sich bessern solle, bleibt nicht über.

Auch wenn Story und Umsetzung freilich nicht frei von Hollywood-Anklängen sind, ist „District 9“ dennoch weit davon entfernt ein typischer „Blockbuster“ zu sein. (Auch wenn der Regisseur Peter Jackson („Herr der Ringe“) als Produzent fungierte). Allerdings ist der Film auch kein richtiger Independent-Streifen, was alleine schon die relativ klassische Dramaturgie und nicht-ungewöhnliche Action- und Kampfszenen zeigen.

Interessant macht den Streifen, neben den Hintergründen der Geschichte, auch die filmische Umsetzung – eine Mischung aus „normalem“ Erzählfilm und dokumentarischen Elementen. So werden Teile der Geschichte immer wieder aus der Perspektive einer Handkamera, die den Hauptprotagonisten Wikus van de Merwe begleitet, gezeigt. Daneben fließen auch Fernsehberichte und Bilder von Überwachungskameras ein.

„Alive in Joburg“

Die zentralen Story- und Stilelemente von „District 9“ beruhen auf dem Kurzfilm „Alive in Joburg“ (2005), bei dem Regisseur und Hauptdarsteller auch beteiligt waren. Dieser ist unter verschiedenen Gesichtspunkten eigentlich noch weitaus interessanter. Als Kurzfilm fehlt ihm der „klassische“ Aufbau eines Spielfilms. Besonders machen ihn allerdings die gezeigten Interviews, in denen es in erster Linie um die Probleme, die die Flüchtlinge bzw. „BesucherInnen“ bringen, geht. Während es freilich so wirkt als wären damit die Aliens gemeint, wurden in den Interviews ursprünglich SüdafrikanerInnen über die Flüchtlingswelle aus Simbabwe befragt. So bekommen die zunächst fiktional wirkenden, schaurigen Interviews eine reale Grundlage, zwischen realen Menschen.

Resümee

„District 9“ ist weder von der Story noch vom Filmischen ein besonders außergewöhnlicher Film. Gegenüber den vielen Fantasy- und Science-Fiction-Blockbustern (Independence Day, Herr der Ringe, Harry Potter…) mit ihren offen reaktionären bis äußerst problematischen Inhalten und „klassischen“ Themen und Darstellungen hebt er sich dennoch angenehm ab. Er zeigt, wenn auch nicht als erster und einziger, dass Science-Fiction-Filme nicht zwangsweise mit Nationalismus, reaktionären Weltrettungsfantasien und Naturalisierungen von gesellschaftlichen Hierarchien einhergehen müssen und setzt einen Kontrapunkt zum vorherrschenden Einheitsbrei (von fiesen Aliens bis zu ehrenhaften Königen und Rittern; Frauen bleiben bei diesen Heldengeschichten eben meistens auch Außen vor).

Darüber hinaus wird dabei wieder einmal sichtbar, dass auch Filme sowie Kultur allgemein ein Produkt der Gesellschaft und ihrer Widersprüche selbst sind und somit auch ein „Spiegel“ der Gesellschaft. Auch wenn „District 9“ kein offen anti-rassistischer und radikal-kritischer Film ist, ist er dennoch eine solide und interessante Umsetzung einer spannenden, teilweise offen politischen Story und zu empfehlen (besonders für FreundInnen von Science-Fiction). Ergänzend oder als Alternative kann auch der Kurzfilm „Alive in Joburg“ empfohlen werden.