Sparen für die Banken

Nach Ablauf von Kurzarbeit und Konjunkturspritzen kann die Arbeitslosigkeit weiter in die Höhe schnellen. Medien und Politik haben die Wirtschaftskrise aber bereits vorbeigewunken. Faymann, Pröll & Co. tüfteln längst an deftigen Sparpaketen, um die Ausgaben der letzten beiden Jahre wieder in die Staatskasse zu spülen. Für jene von uns, die noch Arbeitsplätze haben, fängt damit die Krise erst richtig an.

Das Bankenrettungspaket aus dem Jahr 2008 ließ das österreichische Haushaltsdefizit gehörig in die Höhe schnellen. Im Eilverfahren wurden vor eineinhalb Jahren die unglaubliche Summe von 100 Mrd. Euro bereitgestellt, um die Banken aus ihrer Bredouille zu holen und den Finanzmarkt zu stabilisieren. Von Raiffeisen bis Constantia hatten sich zuvor große wie kleine Banken in den Börsenachterbahnen verspekuliert, im Zuge der Finanzkrise wurden zwischenzeitig herbe Verluste eingefahren. Wie notleidend jene Banken tatsächlich waren, die nun auf Staatsgelder drängten, erfuhr die Öffentlichkeit jedoch nicht. –Das könne die Märkte nur weiter in Unruhe versetzen! An Selbstbewusstsein mangelte es jedenfalls nicht: Raiffeisen- Generalanwalt Konrad ließ der Presse trotzig ausrichten, dass er Staatsbeteiligungen „nur über seine Leiche“ akzeptieren würde.

Wenn die Banken wanken…

Der gemeinsame Druck der Banken ließ die österreichische Politik Pläne für Mitwirkungs- und Kontrollrechte schnell vergessen. Das Paket beinhaltete zu guter letzt 15 Mrd. Euro Direkt-Hilfe, 75 Mrd. Euro Haftungen im Interbankenmarkt und weitere 10 Mrd. Euro für die Staatshaftung (Einlagensicherung). An Direktmitteln (stimmrechtlose Beteiligungen) flossen bisher 1,75 Mrd. an die Raiffeisen Bank, 1,3 Mrd. an Hypo Alpe Adria, 1,2 Mrd. an die Erste Bank, 1 Mrd. an die Volksbanken und eine weitere an die Bawag. Weitere Milliarden wurden als Garantien zur Verfügung gestellt, z.B. 1,6 Mrd. an Kommunalkredit und Constantia und 3 Mrd. für Volksbanken Anleihen.

Die Staatsverschuldung wuchs mit Ende 2009 auf 3,5%. Sie ist damit zwar höher als die EU- Maastricht-Kriterien zulassen würden, verblieb aber deutlich unter den Prognosen des Finanzministeriums von 3,9%. Eine besonders drastische Schuldenentwicklung ist im Gegensatz zu anderen Staaten noch nicht eingetreten. Gegenüber dem Defizit aus Zeiten vor der Krise, das 2008 bei 0,3% lag, ist jedoch ersichtlich, wie viel Geld im letzten Jahr für Banken- und Konjunkturpakete aufgewendet wurde, um einen wirtschaftlichen Zusammenbruch zu verhindern. Dabei war „Verschuldung“ längst zum Kampfbegriff der Neoliberalen geworden, um dem Staat Verschwendertum und Misswirtschaft zu unterstellen. Ist das Kapital selbst in Not, werden solche Dogmen schnell über Bord geworfen – der Banken-Sozialstaat muss her!

Tatsächlich ist nicht nur in der „Notlage“ ein gewisses Maß an Staatsverschuldung der kapitalistischen Logik inhärent. Schließlich ist der Staat über Anleihen selbst längst lukratives Anlageprodukt am Finanzmarkt und präsentiert sich seinen AnlegerInnen gerne attraktiv. Wollen viele AnlegerInnen einem Staat „Kredit“ geben, bedeutet das durchwegs positive Erwartungen des Marktes an die wirtschaftliche Entwicklung und müssen diese Anleihen auch nicht besonders hoch verzinst werden. Nicht nur die Privatwirtschaft, auch der kapitalistische Staat arbeitet immer schon mit Krediten, um aus dem Wirtschaften mit ausgeborgtem Kapital Profite zu lukrieren. Ein solcher Einsatz von Fremdkapital ist in den Finanzmärkten Gang und Gebe. Dort wird`s freundlich „Hebel“ genannt, hier abschätzig „Verschuldung“. Abgelehnt wird Staatsverschuldung in Wirklichkeit nur dort, wo die Gelder in den Sozialbereich wandern, da dieser für die KapitalistInnen unlukrativ ist.

Verschuldung fürs Kapital

Exorbitante Staatsverschuldungen sind deshalb nicht etwa in Zeiten hoher Sozialausgaben zu beobachten. Vielmehr passieren sie z.B. dort, wo der Staat bestimmten Kapitalfraktionen Kriege finanziert (bekanntestes Beispiel sind die USA). Verschuldet sich ein Staat, um hohe Kriegsausgaben zu finanzieren, erhofft er sich aus der positiven Entwicklung eines Kriegs höheren finanziellen Rückfluss, als er an Krediten zurückzahlen muss. Auch in horrend verschuldeten imperialistischen Staaten wie den USA besteht somit kaum Gefahr von Liquiditätsengpässen.

Anderorts verschulden sich Staaten, wenn die „hauseigenen“ Kapitalfraktionen vor dem Abgrund gerettet werden müssen (Argentinien 2001). Letzteres geschah nun auch in der jüngsten Wirtschaftskrise, in deren Zentrum Österreich auch noch seine ganz spezifische Finanzkrise (Meinl, Immofinanz, Hypo, Bawag u.Co.) mitzulösen hat. Hier wurde nicht lange gefackelt und unglaubliche Summen an Staatsgeldern locker gemacht.

Das viele Geld für das Paket wurde insbesondere damit gerechtfertigt, dass die Banken es mit einer 8%igen Verzinsung wieder zurückzahlen müssten – und die hohen Garantien nicht schlagend würden. Ein gutes Geschäft also? Höchst verwunderlich, dass nun die Sanierungsbedürftigkeit des Staates ausgerufen wird. Entweder versickerten demnach die Geldspritzen, ohne dass die Kredite wieder zurückfließen müssen. Oder aber man „saniert“ einmal munter darauf los, ohne darauf zu warten.

Sicher ist: Die staatlichen Ausgaben werden in den nächsten Jahren wieder hereingeholt, jedoch nicht von den Banken selbst. Ganze 10,4 Mrd. Euro will die Bundesregierung in den nächsten vier Jahren einsparen. Pröll u.Co dazu ausweichend: „Alle werden für die Krise bezahlen müssen“. Blicken wir auf die derzeit diskutierten Haushaltsideen, wird schnell klar, dass tatsächlich „wir alle“ bezahlen werden, Banken und Industrie jedoch kaum:

Sparen, dort wo`s wirklich weh tut…

…nämlich allen voran im Bereich Gesundheit. Dem Gesundheitssystem, dem besonders unter der schwarz-blauen Regierung bereits die Daumenschrauben angesetzt wurden, sollen vor allem bei Medikamentenkosten und Spitalsaufenthalten Einsparungen von 1,88 Mrd. Euro entgegenschlagen. Die staatlichen Ausgaben für Medikamente sollen um 40% (!) fallen. Für PatientInnen bedeutet das massive Verschlechterungen und Verteuerungen der Behandlungen.

Auch staatsnahe Betriebe, „Hacklerregelung“ und Pensionsregelungen sollen Kürzungen hinnehmen,  Gehälter und Pensionen im öffentlichen Dienst bis zu zwei Jahren nicht mehr angepasst werden. Die längeren Arbeitszeiten sind erneut in Diskussion, genauso wie Überstundenzuschläge. Für das Sozialministerium wurden 500 Mio Euro Einsparungen veranschlagt, das ist fünf mal soviel, wie Doris Bures für Straßenbau und Infrastruktur einsparen muss. Den Kahlschlag abrunden sollen deftige Kürzungen im Schulbereich, die Null-Lohnrunden und Stellenkürzungen bei LehrerInnen bringen sollen.   

Nur geringe Einsparungen gibt es – Überraschung – im Wirtschaftsministerium. Es sollen ja weiterhin „Investitionsanreize“ geboten werden. In dieser Logik können die Interessen der KapitalistInnen nie angegriffen werden.

Einnehmen, dort wo`s fehlt…

Lohnabhängige und KonsumentInnen, denen vorher die staatlichen Leistungen gekürzt werden sollen, werden auch „einnahmenseitig“ zur Kassa gebeten. Die Erhöhung von Energie- und Tabaksteuern gilt so gut wie ausgemacht. Schlimm trifft den normalen Haushalt jedoch insbesondere eine mögliche Mehrwertsteuererhöhung, da sie die tagtäglichen Ausgaben spürbar erhöht. Welche Steuerbelastungen tatsächlich auf die Lohnabhängigen zukommen, wird erst nach den Wahlen im Herbst entschieden, – offensichtlich bereits in der Erwartung damit Unruhe in der Bevölkerung auszulösen. Seitens der SPÖ sind zwar leise Töne zu vernehmen, Steuerprivilegien abzuschaffen und vermögens- und kapitalbezogene Steuern anzutasten . Die Front von  ÖVP, Banken und der Industrielobbies lässt das jedoch schnell wieder verstummen.

Bereits vor der Krise waren knapp eine Million. Menschen armutsgefährdet. Mit weiteren einnahmenseitigen Belastungen der ArbeitnehmerInnen und KonsumentInnen wird einerseits die Armut jener verschärft, die sie schon betrifft (über die Massensteuern), andererseits die Möglichkeit geschaffen, dass ein weiterer Teil der Bevölkerung in die Armutsfalle rutscht.

Bankensteuer und Manager-Boni

In Diskussion waren bereits Finanztransaktionssteuern, Erbschafts- und Schenkungssteuern, Spekulationssteuern, Abschaffung von Steuerprivilegien für Stiftungen und der Gruppenbesteuerung, sowie die Abschaffung des Bankgeheimnisses, um nur einige der möglichen vermögens- und kapitalbezogenen Einkunftsquellen zu nennen. Aus der Diskussion übrig geblieben ist eine magere Bankensteuer, die 500 Mio Euro einbringen soll und in ihrer Konzeption noch nicht einmal Eckpunkte ausgemacht sind (Pröll will eine Besteuerung ausschließlich „spekulativer“ Transaktionen, Faymann will eine 0,7%ige Abgabe einer verminderten Bilanzsumme). Die breit diskutierte Begrenzung von Manager-Boni wurde lediglich in EU-Empfehlungen gegossen, in Österreich soll es zu keinen signifikanten Änderungen kommen.

Die Pläne zur Bankensteuer werden auch durch die Zahlen zur Steuerleistung vor der Wirtschaftskrise relativiert: Laut Arbeiterkammer hatten sich von 1997 bis 2007 die Jahresüberschüsse der Banken etwa verdreifacht, die Steuerleistung ist dennoch gesunken. Durch Steueroasenregelungen aus der Zeit von Schwarz-Blau wie der Gruppenbesteuerung mussten Banken und Konzerne immer weniger bis gar keine Steuern mehr bezahlen. Unglaublich – die Bank Austria streifte im Krisenjahr 2009 1,1 Mrd. Euro Gewinn ein, die sie nicht versteuern musste, da die Zweigstellen im Osten ihre Verluste gegenrechnen konnten.

Auch sonst sind die Ergebnisse der österreichischen Banken aus 2009 überraschend positiv. Die „marode“ Erste Bank konnte für das Jahr 2009 einen Nettogewinn von 900 Mio. Euro verbuchen, Töchter von Raiffeisen und Bawag gaben ebenfalls bereits Gewinne in Millionenhöhe bekannt. Vor diesem Hintergrund erscheinen die aggressiven Angriffe auf Löhne und Sozialleistungen noch zynischer.

Wer hat`s erfunden?

Auffällig, aber nicht überraschend, ist dabei die Übereinstimmung mit den Krisenpositionspapieren der Industriellenvereinigung. Diese schlägt in ihrer Info-Broschüre „Österreich nach der Wirtschaftskrise – Wege zum Abbau der Schuldenlast“ fast 1:1 jene ausgaben- und einnahmenseitigen Einsparungen vor, die nun seitens der Regierung nach außen getragen wurden.

Wo bleibt der Widerstand?

Werden diese Maßnahmen umgesetzt, kann aus der Wirtschaftskrise rasch eine soziale Krise werden. Wut und Frustration über diese Form des „Krisenmanagements“ entwickeln sich international bereits zu heftigen Auseinandersetzungen, allen voran in Griechenland, aber auch in Italien, Spanien, Frankreich, Portugal (halbe Million im öffentlicher Dienst) und  Großbritannien (Beamte, British-Airways, Eisenbahner,). Die österreichische Regierung befindet sich mit ihren Sparplänen europaweit in guter Gesellschaft – in jedem Land stehen die Lohnabhängigen ähnlichen Angriffen gegenüber. Widerstände dagegen bleiben aber bislang in engen regionalen Grenzen.  

Hierzulande bleibt er momentan auch „brav“ in seinen engen politischen Grenzen. Die Gewerkschaften schimpfen, die SPÖ „überlegt“. Bei Sozialminister Hundsdorfer klingt eine Antwort auf drohende Pensionskürzungen so: „Wir werden uns in unserem Ministerium intensiv mit den Einsparungsvorgaben des Finanzministeriums auseinandersetzen. Zum jetzigen Zeitpunkt kommentieren wir keinerlei Vorschläge rund um Einsparungen.“ ÖVP und Industriellenvereinigung geben, wie oben gezeigt, das Tempo vor. Die europäische Sozialdemokratie ist aufgrund ihrer ganz eigenen politischen Krise quasi handlungsunfähig.

Dass die traditionellen ArbeiterInnenorganisationen versagen, bedeutet aber längst nicht, dass der Protest ausbleibt oder nach rechts ausschlagen muss. Auch im ruhigen Österreich regt sich langsam Widerstand gegen den neoliberalen Frontalangriff, wenn mensch genau hinsieht: Die Auseinandersetzungen bei Shell/Lobau und die jüngsten Streikdrohungen bei Siemens können erste Anzeichen sein. Die Möglichkeit besteht, dass sich solche Proteste ausweiten und zu einer unabhängigen Klassenbewegung werden. Die Voraussetzung dafür ist, dass es die Lohnabhängigen zunehmend schaffen, sich in den Betrieben und außerhalb unabhängig von den bürokratischen Apparaten zu organisieren. Gelingt es einer solchen Bewegung, sich auch international zu vernetzen, wie es in Ansätzen jüngst die Studierenden versuchten, kann sie ein schlagkräftiges Gegengewicht gegen die kapitalistische Konzernpolitik darstellen. Vernetzte internationale Klassenkämpfe könnten dann schnell „systemrelevanter“ sein als die Banken!