Die Berliner S-Bahnkrise – Privatisierung und KundInnenabzocke

Volle Bahnhöfe, sardinenartige Zugreisen und nervenaufreibender Berufsverkehr, all das haben wir in den letzten Wochen und Monaten in Berlin am eigenen Leib erfahren können. Was gibt es für Alternativen?…

Der Berliner Senat droht der S- Bahn Berlin GmbH an, ihren Schienennutzungsvertrag nicht zu verlängern und bis 2017 ein neues privates Unternehmen zu finden, das den Stadtbahnverkehr in Berlin übernehmen soll. Das soll natürlich nur unter der Voraussetzung passieren, dass die katastrophalen Umstände so bleiben oder sich verschlimmern. Nun will die Regierung aber voraussichtlich die Frist noch einmal um einige Jahre verschieben oder sie ganz auf Eis legen. Das alles angeblich nur wegen höherer Gewalt, also der Wetterumstände, dem Schnee.

Ist privat besser?

Aber was wäre, wenn die S-Bahn, die zur Deutsche Bahn AG gehört, den Vertrag verliert und dann ein neues privates Unternehmen den Job für das Schienennetz übernimmt? Wäre es dann besser? Wohl eher nicht, denn  es gibt nicht gerade viel, was sich dadurch ändern könnte. Es mag sein, dass sich ein Unternehmen findet, das es auf die Reihe bekommt, die Züge pünktlich ankommen zu lassen. Das wäre dann aber vor allem deshalb möglich, weil dieses Unternehmen dank staatlicher Subventionierung anfangs noch Reserven hätte – die aber wiederum aus Steuergeldern finanziert werden.

Da stellt sich dann aber die Frage, warum diese Subventionen nicht gleich in den Öffentlichen Verkehr gehen. Klar ist jedenfalls, dass nach einer gewissen Zeit die Arbeitsbedingungen für die Angestellten verschlechtert würden – und auch um die Sicherheit wird es dann wohl nicht mehr allzu gut bestellt sein.

Was bedeutet Privatisierung?

Cie Bahn ist in dieses Schlamassel geraten, weil im Zuge der Umwandlung in eine Deutschen Bahn in eine AG bereits die Profitorientierung des Unternehmens durchgesetzt wurde. So musste sie an gewissen Stellen, wie zum Beispiel den Sicherheitschecks,  Einsparungen vornehmen und an anderen Stellen, wie den Fahrpreisen, mehr kassieren. Es wurde beispielsweise an der Wartung eingespart, also mussten die Bremsen irgendwann versagen.

Und mangelnde Sicherheit, höhere Fahrpreise und sinkender Service sind eben die klassischen Folgen jeder Ausgliederung oder Privatisierung.

Das alles fällt natürlich auch direkt auf die KollegInnen der S-Bahn zurück, denn sie mussten und müssen die Suppe auslöffeln, die der ganz normale kapitalistische Wahnsinn ihnen beschert hat.

Gleichzeitig zu den Fahrpreiserhöhungen werden die Gesetze so geändert, das SchwarzfahrerInnen bereits bei ihrem ersten Vergehen eine Anzeige erhalten und damit gleichzeitig vorbestraft sind. Erschwerend kommt dazu, dass die Strafen für das Erschleichen von Leistungen erhöht werden sollen.

Das führt natürlich auch zu der Frage, was diese Veränderungen mit den Menschen tun, die sich Mobilität nicht mehr leisten können aber trotzdem permanent auf diese Leistungen angewiesen sind? Sie werden früher oder später vorbestraft sein – dieser „Makel“ wiederum führt dazu, dass sie noch schwerer oder gar keine Arbeit finden können und der soziale Abstieg vieler einkommensschwacher Menschen in dieser Stadt und diesem Land sich noch etwas mehr beschleunigt.

Privatisierung als Alternative?

Wäre es nun sinnvoll, auf 2017 zu warten oder gar zu fordern, dass diese Privatisierung schon früher durchgeführt werden sollte? Das Beispiel London zeigt, dass das nicht sehr klug wäre. Dort gibt es viele private Unternehmen, die sich gegenseitig konkurrieren, was dazu führt, dass es sehr hohe Preise im Nahverkehr gibt. In der Nacht gibt es überhaupt keinen Zugverkehr, da sich das Transportsystem sonst nicht rentiert.

Überlegen wir also dieses Modell auf Berlin angewandt: es würde alles noch teuer werden und es würde noch viel weniger Nachtverkehr geben. Das bedeutet noch weniger Mobilitätsmöglichkeiten für sozial Schlechtergestellte, für Jugendliche, aber auch für ArbeiterInnen, die in der Nacht arbeiten müssen. Besonders betroffen wären davon Leute, die in Stadtrandgebieten wie Marzahn oder Rudow wohnen.

Auch wäre eine Privatisierung mit weiteren Entlassungen und Lohnkürzungen verbunden und das neue Unternehmen würde wieder versuchen, so viel Profit wie nur irgend möglich zu erwirtschaften. Das wiederum führt zu ähnlichen Situationen, wie wir sie heute vorfinden, wir hätte das Problem real also nur um einige Jahre aufgeschoben – und das zum Nachteil der BahnmitarbeiterInnen und des proletarischen Geldbeutels.

Der Privatisierung entgegentreten!

Widerstand gegen die Arbeitsbedingungen im Bahnverkehr wurde schon 2007 geleistet. Tausende MitarbeiterInnen traten teils gegen den starken Widerstand der SPD-nahen Gewerkschaftsbürokratie für bessere Arbeitsbedingungen und höhere Löhne ein. Damals haben die MitarbeiterInnen über mehrere Tage gestreikt und es geschafft, den kompletten Bahnverkehr lahm zu legen. Das führte immerhin zu einer Anhebung der Löhne. Heute, 3 Jahre später, wird es wieder Zeit, den Bahnvorstand, die Bundesregierung und den Berliner Senat mit ihren Zukunftsplänen für den Bahnverkehr auszubremsen.

Das werden die KollegInnen der Bahn aber nicht alleine schaffen. Gerade die Situation der S-Bahn betrifft uns alle als KundInnen. Daher wäre hier eine Vernetzung von KollegInnen der S-Bahn und des Fernverkehrs mit allen wichtig, die von der S-Bahn-Krise betroffen sind.

Welche Alternative gibt es?

Letztlich brauchen wir aber nicht nur den aktuellen Kampf gegen Privatisierung, sondern eine Generaldebatte darüber, wie der Bahnverkehr aussehen soll. Soll er nach der Profitlogik des Kapitalismus funktionieren oder gibt es eine andere, eine sozialistische Lösung? Was aber würde eine solche Lösung bedeuten?

Ein von den KollegInnen und den KundInnen selbstverwaltetes Unternehmen. Die MitarbeiterInnen würden dann im Einklang mit den Interessen der Bevölkerung alle Entscheidungen selbst treffen. Die BahnmitarbeiterInnen würden humane Arbeitsbedingungen bekommen und könnten selbstbestimmt und ohne Druck ihren Dienst versehen. Durch Profitgier verursachte Katastrophen und Ausfälle würden ausbleiben, weil ein selbstverwaltendes Unternehmen keinen Grund hat Menschen und  Material bis aufs Zerbrechen auszubeuten.  Es würde der massive Ausbau des öffentlichen Verkehrs bei drastisch gesenkten Preisen vorangetrieben – das ist auch die einzige sozial und ökologisch logische Lösung.

Ein solches selbstverwaltetes Unternehmen ist aber in einem kapitalistischem Wirtschaftssystem undenkbar. Dazu bedarf es einer generellen Umgestaltung der Gesellschaft und einer geplanten Wirtschaft. Und um das zu erreichen, hat gerade im Bereich der Bahn der alte Slogan der ArbeiterInnenbewegung volle Bedeutung: Alle Räder stehen still, wenn dein starker Arm es will!

 

Zum Weiterlesen:

ÖBB: Für besseren Verkehr für alle! (Dezember 2009)

Deutschland nach den Wahlen (Oktober 2009)

SBB-Cargo: Widerstand gegen Privatisierung (April 2008)

Teil 1

Teil 2