Den Nazis und RassistInnen die Straße streitig machen, sie nicht ungestört lassen bei ihren Aufmärschen, Veranstaltungen, Konzerten, Aktionen … das ist eine wichtige Aufgabe für SozialistInnen und AntifaschistInnen. Aber … kann das alles sein? Und wie kann eine wirklich erfolgreiche Strategie gegen das rechtsextreme Pack überhaupt aussehen?
Um geeignete Kampfperspektiven gegen Nazis und RassistInnen zu entwickeln, ist es notwendig, sich auf eine marxistische Analyse des Faschismus zu stützen. Dazu lohnt es, zu Beginn den Aufstieg des Faschismus kurz nachzuzeichnen.
Klassencharakter des Faschismus
Es waren nicht ganz allgemein "die Deutschen" oder "die Österreicher", die den Nazis auf den Leim gingen. Entgegen der Lügen von der "Kollektivschuld" lässt sich anhand der Wahlergebnisse der Weimarer Republik in Deutschland bzw. der 1. Republik in Österreich klar verfolgen, wer die Basis des NS-Regimes war.
Die ArbeiterInnenparteien konnten bei den freien Wahlen zwischen 1919 und 1932 (Deutschland) bzw. 1930 (Österreich) ihre Stimmenanteile im Wesentlichen halten – wer sich im Gegensatz dazu de facto in die NSDAP auflöste, waren die bürgerlich-konservativen und deutschnationalen Parteien (in Österreich gab es zuvor bis 1938 noch die katholische Variante des Faschismus). Das Großkapital und seine Parteien hatten auf den Faschismus als den härtesten und erbittertsten Feind der ArbeiterInnenklasse gesetzt – aus Angst vor der sozialistischen Revolution. Der Faschismus entstand als eine kleinbürgerliche Massenbewegung, die die ökonomische Verzweiflung dieser Schichten ausdrückte. Diese Bewegung wurde von der krisengeschüttelten herrschenden Klasse als Rammbock gegen die ArbeiterInnenbewegung eingesetzt und gestützt.
Natürlich gab es auch genügend ArbeiterInnen, die mit den Nazis sympathisierten oder aktiv bei diesen mitmachten. Doch war der Faschismus niemals ein dominantes Phänomen der ArbeiterInnenklasse. Wer also – wie es etwa die Strömung der so genannten Antideutschen tut – "die Deutschen" für den Faschismus verantwortlich macht, erzählt nicht nur die historische Unwahrheit, sondern ist auch zynisch und ignorant gegenüber dem Widerstand der ArbeiterInnenbewegung gegen den Faschismus.
Faschismus heute
Aktuell strebt die KapitalistInnenklasse kein faschistisches Herrschaftssystem an. Der Mainstream des Establishments gibt sich sogar „antifaschistisch“. Dennoch haben rechtsextreme und faschistische Kräfte auch heute eine wichtige Funktion für das Großkapital: Sie kanalisieren Wut über soziale Missstände in eine rassistische Richtung und sie bedrohen die ArbeiterInnenbewegung und die Linke. Wo die herrschende Klasse hier steht, zeigt sich regelmäßig im Verhalten des bürgerlichen Staates in Bezug auf Konfrontationen zwischen Nazis und Linken.
Heute wählen auch viele ArbeiterInnen rechtsextrem bzw. stellen junge Arbeiter(innen) sogar eine wichtige Basis für Nazi-Banden dar. Dennoch sind die Rechtsextremen/Nazis auch heute eine Kraft im Interesse des Großkapitals. Sie schaffen Sündenböcke, lenken von der Verantwortung des Systems für die Krise ab und stellen Bluthunde dar, die die KapitalistInnen bei Bedarf von der Leine lassen können. Dass die Funktionärsschichten und Entscheidungsträger der rechtsextremen und faschistischen Parteien in der Regel aus dem (Klein-) Bürgertum kommen, zeigt ihren Klassencharakter zusätzlich.
Rechtsextreme Parteien wie die Republikaner in Deutschland, die Allianza Nationale in Italien oder die FPÖ in Österreich setzen auf Wahlpopulismus, rassistische Hetze und eine Modifizierung des bestehenden Systems in eine autoritäre Richtung. Faschistische Organisationen wie die NPD in Deutschland, die BNP in Britannien oder der BFJ in Österreich setzen demgegenüber stärker auf Straßenmobilisierungen und eine „neue Ordnung“. Die Grenzen zwischen FaschistInnen und Rechtsextremen sind dabei nicht scharf. Das Bekenntnis der KapitalistInnenklasse zur „Demokratie“ ist ohnehin sehr konjunkturell und so konnte aus den österreichischen Christlich-Sozialen in den 1930er Jahren der Austrofaschismus entstehen. Und auch heute haben die rassistischen Einwanderungsgesetze der „Festung Europa“ ebenso mörderische Folgen wie die Übergriffe der faschistischen Schläger.
Einheit der DemokratInnen?
Dieselben PolitikerInnen, die sich „antifaschistisch“ geben, exekutieren die rassistische Abschottungspolitik der EU – und zwar bis hin zu Sozialdemokratie und Grünen. Und es ist dasselbe politische Establishment, das die Banken und Konzerne mit Milliarden bedient und die Kosten der Krise den Lohnabhängigen auf den Rücken lädt. Das schafft Ärger und Wut, die mehr als berechtigt sind, aber teilweise nach rechts und rassistisch ausschlagen und die Basis für Erfolge der Rechtsextremen und Nazis schaffen.
Beim Kampf gegen den Faschismus geht es deshalb nicht nur um dumme Nazi-Glatzköpfe. Es geht um eine gesellschaftliche Situation und es geht um die Frage, wie wir dieser Situation und der rassistischen Stimmung am besten begegnen. Antifa-Streetwar ist keine ausreichende politische Antwort.
Viele AntifaschistInnen orientieren sich heute auf ein Bündnis „aller DemokratInnen“, weil sie sich so eine möglichst breite Front gegen die Nazis erhoffen. Real landen sie dann in einer Front mit dem neoliberalen Establishment, das für die sozialen Angriffe verantwortlich ist. Die einzigen, die von einem solchen „Antifaschismus“ profitieren, sind die Rechtsextremen, die bequem „Antifaschismus“ mit der neoliberalen arbeiterInnenfeindlichen Politik gleichsetzen können.
Antifaschismus = Klassenkampf
Revolutionäre SozialistInnen begreifen den Kampf gegen rechtsextreme und faschistische Formationen nicht als Bündnis der „DemokratInnenen“, nicht als „Volksfront“, sondern als Teil des Klassenkampfes gegen das kapitalistische System, das diese Formationen hervorbringt. SozialistInnen dürfen nicht als VerteidigerInnen des herrschenden Systems erscheinen, sondern müssen als dessen konsequenteste GegnerInnen auftreten. Nur durch Klassenkampf und antikapitalistischen Internationalismus als realistische Option für die von sozialen Verschlechterungen Betroffenen kann der faschistischen und rechtsextremen sozialen Demagogie der Boden entzogen werden.
Mit humanistischen Appellen im Gleichklang mit den neoliberalen Regierung und ihren Medien werden wir wenige überzeugen. Wir brauchen vielmehr eine fassbare und realistische Alternative zur rassistischen Hetze. Wir müssen erklären, wer von miserablen Löhnen und überhöhten Mieten für MigrantInnen profitiert, wir müssen erklären, dass niedrige Löhne und hohe Mieten für Einzelne Lohndruck und Mietdruck für alle arbeitenden Menschen bedeuten.
Der Klassenkampf ist der entscheidende Hebel, um gegen die Nazis und Rechtsextremen vorzugehen. Wir brauchen die Lohnabhängigen, die ArbeiterInnenklasse – denn die Arbeiterenden, das sind diejenigen, die die Gesellschaft am Funktionieren halten, aber auch zum Erliegen bringen können. Und in sozialen Kämpfen zeigt sich für die KollegInnen auch sehr schnell, wo ihre wahren Verbündeten sind: Die Rechtsextremen und Nazis werden sich schnell abwenden. Auf der anderen Seite stehen in solchen Kämpfen KollegInnen verschiedener Herkunft gemeinsam für ihre Rechte ein und gehen gemeinsam auf die Straße. Und die Aufgabe von RevolutionärInnen ist es, diese Kämpfe zu unterstützen und ihnen eine systemüberwindende und sozialistische Perspektive zu geben. Deshalb ist der Aufbau einer revolutionären Organisation in der ArbeiterInnenklasse unsere zentrale Aufgabe.