Niederlassungsfreiheit statt Gefängnisse für Flüchtlinge!

Die Debatte um ein neues Flüchtlingslager in Österreich ist fast durchgehend von rassistischen Mustern geprägt. Nun sollen Flüchtlinge sogar eingesperrt werden. Doch auch die VerteidigerInnen von Flüchtlingslagern in der derzeitigen Form bleiben in einer problematischen Logik gefangen

Seit Wochen gellt der Kampfschrei „Eberau“ durch die österreichischen Medien. Das kleine Dorf im Süd-Burgenland ist zu sehr unerwarteter Bekanntheit gelangt. Offenbar wollte die ÖVP-Innenministerin Fekter dem sozialdemokratischen Landeshauptmann des Burgenlandes, Hans Niessl, ein verfrühtes Ei für den kommenden Landtagswahlkampf legen – Niessl schoss zurück und das Bumerang-Ei hat perfekt getroffen. Das Lager Eberau ist tot und Niessl wurde zum Verteidiger der burgenländischen Scholle gegen die „bösen Ausländer“..

SPÖ macht RechtsextremistInnen überflüssig!

Doch weit spannender als die kleinen Untergriffigkeiten zwischen ÖVP und Sozialdemokratie sind die Argumentationsmuster auf SP-Seite. Niessl, Faymann, Darabos und Co argumentieren in bester FPÖ-Manier, lamentieren über die angeblich kriminellen Flüchtlinge. Niessl: „Die Frau Innenministerin hat 270 Polizisten aus dem Burgenland abgezogen, und statt der 270 Polizisten bringt sie jetzt die Asylanten ins Burgenland. Das ist ein sehr schlechter Tausch. Also insofern haben wir mit steigender Kriminalität zu kämpfen.“ Laut Niessl sind also Flüchtlinge offenbar schlicht Kriminelle bzw. mit diesen gleichzusetzen. Der aus dem Burgendland stammende SP-Verteidigungsminister Darabos und Kanzler Faymann assistieren mit Forderungen nach Volksbefragungen und der Sorge um „unsere Wertegemeinschaft“ (Darabos im Interview mit der „Presse“).

In den letzten Jahren konnten wir solche Formulierungen vor allem aus dem Munde von FPÖ-Hetzern vernehmen. Doch die SPÖ verteidigt hier durchaus alte Traditionen. Bereits in den 1990ern, als die FPÖ ihren Aufstieg begann, schickte die SPÖ mit Franz Löschnak, Caspar Einem und Karl Schlögl drei Innenminister ins Rennen, die die Politik der FPÖ umsetzten, um so den Freiheitlichen das Wasser abzugraben. Löschnak wurde gar von Jörg Haider – keineswegs zu Unrecht – als „mein bester Mann in der Regierung“ bezeichnet. Und auch der liberal-hochgelobte Einem agierte politisch nicht wesentlich anders – Menschen wurden dann eben abgeschoben, während er mit seinen traurigen Tränensäcken betrübt war.

Die SPÖ-Strategie ging aber natürlich nach hinten los. Die Sozialdemokratie selbst hatte den rassistischen Boden aufbereitet und nun wählten die Menschen den blauen Schmied, nicht den blass-rosa Schmiedl. Kurzfristig mögen also mit einer solchen Strategie Wahlen zu gewinnen sein, langfristig sind sie der Weg in die Niederlage – und das keineswegs ausschließlich oder primär auf wahltaktischer Ebene.

Warum flüchten Menschen?

Denn natürlich kann es nicht primär um Wahltaktik gehen – es muss vor allem darum gehen, wie mit MitgrantInnen umgegangen wird, die hier leben wollen oder leben müssen.

Manche Menschen packt hin und wieder die Abenteuerlust, doch nur sehr wenige Menschen aus Tschetschenien, Afghanistan oder dem Irak kommen nach Österreich, weil es hier so schön ist und sie schon immer mal die Alpen sehen oder das Mozart-Geburtshaus besuchen wollten. Menschen flüchten vor unwürdigen Zuständen – und dabei unterscheiden wir nicht zwischen der Flucht vor Krieg oder direkter Verfolgung und der Flucht vor Armut, Elend oder Umweltzerstörung. Gerade das Burgenland als sehr armes Bundesland hat eine lange Geschichte der Auswanderung und Flucht vor der Armut, bis heute wird Chicago wohl zu Recht als die größte Stadt des Burgenlandes genannt.

Und der heutige Wohlstand des Nordens ist unmittelbar auf der Ausbeutung des Südens aufgebaut. Ein wenig billig, die Grenzen der Festung Europa dichtzumachen, wenn dann Menschen ein Stück vom Kuchen wollen, den sie gebacken haben. Stattdessen müssten natürlich weltweit Austauschverhältnisse geschaffen werden, die es Menschen ermöglichen, frei zu entscheiden, wo sie leben wollen, anstatt sie zur Flucht zu zwingen.

Wer Flüchtlinge aber illegalisiert, schafft damit zwangsläufig einen billigen Arbeitsstrich. Die Flüchtlinge müssen, um zu überleben, um sehr wenig Geld und mit miesesten Arbeitsbedingungen für (österreichische oder besser gestellte migrantische) Bosse schuften. Daneben werden sie noch als LohndrückerInnen missbraucht, so dass es für alle zu einer verschlechterten Arbeitssituation kommt.

Keine Flüchtlingsgefängnisse!

Eberau war als „Erstaufnahmezentrum“ tatsächlich völlig ungeeignet. Der Orwell´sche Neusprech ist dabei übrigens sehr interessant, denn viele Flüchtlinge müssen über Jahre in diesen „Erstaufnahmezentren“ leben. Nennen wir das Kind also weiter beim Namen und sprechen von Flüchtlingslagern.

In ihrer grenzenlosen Weisheit war Ministerin Fekter zum Schluss gekommen, dass ein Ort mit wenigen hundert EinwohnerInnen und kaum Infrastruktur im abgeschiedensten Teil des infrastrukturell unterentwickelten Süd-Burgenlands der geeignete Ort für mehrere hundert oftmals traumatisierte Flüchtlinge ist. Die Frage ist erlaubt, was die gute Dame gegessen oder geschluckt hat.

Die Ablehnung durch die ortsansässige Bevölkerung aus infrastrukturellen Gründen wäre also nicht völlig aus der Luft gegriffen. Doch müssen wir auch klar sagen, dass in den Wortmeldungen, die wir kennen, eindeutig eine rassistische Note die Oberhand hatte und nicht etwa die Frage der Infrastruktur, verbunden mit einem klaren, grundsätzlichen Bekenntnis zur Aufnahme von Flüchtlingen.

Doch natürlich liegt der Ortswahl auch ein realpolitisches Kalkül zu Grunde. In Eberau und ähnlichen Orten haben die Flüchtlinge keinen Zugang zu RechtsanwältInnen und Flüchtlings-NGO´s, keine ausreichende psychologische Betreuung und medizinische Versorgung, keine Möglichkeit einer sinnvollen Freizeitbeschäftigung und keine Möglichkeit, sich „schwarz“ ein wenig Geld zu ihren absurd niedrigen Bezügen aus der Grundversorgung dazuzuverdienen. Die Ortswahl Eberau ist also schlicht ein Versuch, die Flüchtlinge abzuschotten und zur Wieder-Ausreise zu bewegen.

Für volle Niederlassungsfreiheit!

Erschwert wird der Zynismus der Ortswahl Eberau noch dadurch, dass Flüchtlinge im offenen Verfahren ab Anfang des Jahres den politischen Bezirk nicht mehr verlassen dürfen, in dem sie sich aufhalten. Das bedeutet im Fall Eberau, dass Flüchtlinge sich über Jahre nur mehr im politischen Bezirk Güssing im abgelegenen Süd-Burgenland bewegen dürfen.

Diese Gesetzesänderung ist aber auch auf Traiskirchen zugeschnitten, dem bekanntesten Lager in Österreich, nur wenige Kilometer südlich von Wien. RechtsanwältInnen, BetreuerInnen, ÄrztInnen, PsychologInnen, …. sitzen in Wien, aber die Flüchtlinge dürfen die paar Stationen mit der Badner Bahn nicht fahren, um sie zu besuchen.

Nun geht Frau Fekter gar noch weiter und will Flüchtlinge, die oft gerade aus Kriegsgebieten kommen, nach der Ankunft bis zu 28 Tage im Lager einsperren – um sie dann in ihrem Idealszenario sofort wieder abschieben zu können. FPÖ-Oberhetzer Strache geht natürlich noch weiter und will gleich Fußfesseln für alle AsylwerberInnen.

Doch auch die VerteidigerInnen von Flüchtlingslagern in der derzeitigen Form kommen in ein problematisches Fahrwasser. Denn die aktuellen Lager sind tatsächlich völlig ungeeignet. Sinnvoll wären wirkliche Erstaufnahmezentren in den großen Städten des Landes wie Wien, Graz und Linz, die den Namen „Erstaufnahme“ verdienen. Dort müsste es Betreuungseinrichtungen geben, insbesondere muttersprachlich unterstützte medizinische und psychologische Hilfe, die freiwillig in Anspruch genommen werden kann. Die Menschen brauchen Wohnraum, bei voller Niederlassungsfreiheit entweder in größeren Wohneinheiten oder in Einzelwohnungen. Und es muss freien Zugang zum Arbeitsmarkt geben, der Menschen nicht auf Jahre zu BittstellerInnen macht und sie in Schwarzarbeit, Illegalität oder Prostitution treibt.

Die Debatte um Eberau ist ein Lackmus-Test. Offenbar entscheidet sich die Sozialdemokratie (wieder einmal), den Weg des blanken Rassismus zu gehen. Grüne und andere Links-Liberale verbleiben mit ihrer Kritik ebenfalls völlig in der Logik des begrenzten Zugangs – und kommen damit zwangsläufig genauso wie die SPÖ und die bürgerlichen Parteien zur Verteidigung von Abschiebungen und den Zäunen rund um die Festung Europa.

Doch gerade in Zeiten der Krise liegen die notwendigen Antworten auf der Hand: jede Spaltung der ArbeiterInnenklasse, egal ob innerhalb eines Landes oder anhand von Ländergrenzen nützt ausschließlich den Bossen. Viele sehen das heute nicht und breite Teile der ArbeiterInnenklasse haben rassistische Vorurteile. Überzeugungsarbeit tut not. Doch wird diese nicht fruchten, wenn sie ausschließlich humanistisch argumentiert. Weit wichtiger wird sein, den gemeinsamen Klassenkampf in den Vordergrund zu stellen. Die Kernfrage ist: Mit wem hast Du mehr gemeinsame Interessen? Mit Deinem österreichischen Boss oder mit Deiner migrantischen Kollegin?“

Der rassistischen Hetze und den rassistischen Vorurteilen setzen wir also die berühmten Worte aus dem kommunistischen Manifest von Karl Marx und Friedrich Engels entgegen: „Die Arbeiter haben kein Vaterland. Man kann ihnen nicht nehmen, was sie nicht haben. (…)Die Proletarier haben nichts (…) zu verlieren als ihre Ketten. Sie haben eine Welt zu gewinnen. Proletarier aller Länder, vereinigt euch!“

 

 Zum Weiterlesen:

Thesen zu Rassismus und Antirassismus