Mumia Abu-Jamal: Wettlauf gegen den Tod

Der afroamerikanische Journalist und politische Aktivist Mumia Abu-Jamal sitzt nunmehr seit 1981 unter fragwürdigen Umständen wegen Mordes in einer US-amerikanischen Todeszelle. Seine Situation wird immer prekärer, so hat im April 2009 der Oberste Gerichtshof das Urteil gegen ihn bestätigt.

Mumia Abu-Jamal ist in einem Gefängnis im US-Bundesstaat Pennsylvania inhaftiert, er wird des Mordes an Daniel Faulkner, einem Polizisten aus Philadelphia beschuldigt. In Pennsylvania wird, wie in anderen US Bundesstaaten auch, großer Wert auf die Unterbindung von Abtreibung und Sterbehilfe gelegt, gleichzeitig werden Menschen, zu Haufe vom Staat hingerichtet. Mittlerweile ist Mumia zu einem Mythos geworden. Ein Mythos gegen die Anwendung der Todesstrafe, gegen den Rassismus in Amerika.

An Mumia Abu-Jamals Schuld bestehen ernsthafte Zweifel. Er wurde unter mysteriösen Umständen, mit Hilfe widersprüchlicher Zeugenaussagen und dem Urteil einiger rassistischer Geschworener verurteilt. Dreizehn der fünfzehn vorgeschlagenen schwarzen Jurymitglieder wurden von der Staatsanwaltschaft abgelehnt und durch weiße Geschworene ersetzt. Verfahrensleiter war Richter Albert F. Sabo (Spitzname: "Judge Dead", auf deutsch: "Richter Tod").

Die Hintergründe

Am 9.Dezember 1981 soll Mumia den Polizisten, als dieser gerade Mumias Bruder "kontrollierte" (auf ihn einschlug), erschossen haben, bevor er selber niedergeschossen wurde und schwer verletzt überlebte. Im Juni 1982 wurde Mumia dann zum Tode verurteilt. Es folgten Berufungsverhandlungen vor Staats- und Bundesgerichten, verschwundene Akten, gefälschte Gutachten, angesetzte Hinrichtungstermine, deren Aufschiebung und sogar das Geständnis eines Mafia Auftragsmörders, Arnold Beverly, an Stelle Mumia Abu Jamals auf Daniel Faulkner geschossen zu haben. Genutzt hat es nichts.

Die letzte Chance, das Verfahren neu aufzurollen, ein entsprechender Beschluss des US Surpreme Courts, wurde von diesem im April 2009 abgelehnt. Mit nun schon über 28 Jahren Haftzeit sitzt Mumia länger im Gefängnis als er in Freiheit gelebt hat und die Staatsanwaltschaft von Philadelphia setzt alles daran, auch noch die Vollstreckung der Todesstrafe zu erreichen. Eine entsprechende richterliche Anordnung könnte unmittelbar bevorstehen.

Repression mit System

Mumia war der Polizei schon seit seinem 15. Lebensjahr ein Dorn im Auge. Von diesem Zeitpunkt an wurde Mumia aufgrund seiner Aktivitäten bei der Black Panther Party, einer nur Schwarzen vorbehaltenen Partei der radikalen Linken , vom FBI beobachtet. Die Panthers, eine Massenbewegung mit zehntausenden UnterstützerInnen, waren seit ihrer Gründung in den späten 1960ern massiver Repression ausgesetzt, dutzende von ihnen wurden von Polizei und FBI ermordet, bis sie schließlich in den 1970ern zerschlagen wurden. Die Mitgliedschaft bei den Panthers war an sich nicht illegal, doch wurde sie Mumia während des Prozesses immer wieder von der Staatsanwaltschaft "vorgeworfen".

Mumia pflegte auch freundschaftliche Kontakte zu Mitgliedern der MOVE Kommune in Philadelphia, einer antirassistisch und antikapitalistisch orientierten Wohngemeinschaft, auf deren Haus bei ihrer Zwangsräumung und Zerschlagung 1985 von der Polizei eine 200 Pfund Benzinbombe aus einem Polizeihubschrauber abgeworfen wurde, die 11 Personen tötete, darunter 5 Kinder. "Selbstverständlich" sitzt im Gegensatz zu Mumia keiner der verantwortlichen Polizisten dafür im Todestrakt.

Die politische Dimension von Mumias Falls wird aber erst dann in Gänze offensichtlich, wenn vor Augen geführt wird, dass er kein Einzelfall ist, sondern es gleich eine ganze Reihe "Mumias" in den USA und darüber hinaus gibt. Leonard Peltier etwa, er ist war Mitglied des indigenen AIM (American Indian Movement). Er sitzt seit 1976 in lebenslanger Haft, weil er bei einer Schießerei während eines Polizeiangriffs auf ein Indianerreservat zwei FBI Agenten erschossen haben soll – während die Tötung des Einwohners Joe Stuntz bei diesem Angriff durch Kugeln der Bundespolizei nie untersucht wurde.

So wie die Panthers wurde auch das AIM (das mit den Panthers eng zusammenarbeitete) militärisch zerschlagen, es wurden ebenfalls zahlreiche AktivistInnen ermordet, manche durch Autobomben, andere „verschwanden“ einfach, ermordet entweder durch die staatstreuen Stammesmilizen in den Reservaten oder direkt durch die Todesschwadronen des FBI und seines Counter Intelligence Program (COINTELPRO). Alleine auf der Pine Ridge Reservation wurden im Zeitraum von 1973 bis 1976 324 AIM-AktivistInnen und -SympathisantInnen ermordet!

Und auch unpolitische Schwarze wurden Opfer der rassistischen Repressionsmaschine: Der schwarze Sportlehrer Troy Davis sitzt seit 1989 im US-Bundesstaat Georgia im Gefängnis. Er ist seit 1991 zum Tode verurteil, weil er einen Polizisten erschossen haben soll. Sieben von neun Zeugen in diesem Fall haben ausgesagt, dass sie von den ermittelnden Polizisten erpresst und bedroht wurden, wider besseres Wissen gegen Davis auszusagen. So sollte der Öffentlichkeit und vor allem den eigenen Polizisten schnell ein passender Täter präsentiert werden.

No Justice, No Peace

An solchen Fällen wird deutlich, dass der Knast und die Todesstrafe nicht nur – aus einem archaischen Rechtsverständnis heraus – eine Art der Bestrafung für VerbrecherInnen/MörderInnen ist, sondern ein hervorragendes politisches Machtinstrument für die Herrschenden gegen die eigenen Untertanen.

Recht ist immer das Recht der Herrschenden (die ja schließlich die Gesetze machen, nach denen geurteilt wird) und in Gesellschaften die auf kapitalistischer Ausbeutung, Rassismus und imperialistischer Expansion fußen, sind die Unterdrückten dieses Systems schon strukturell "im Unrecht".

Mumia Abu Jamal ist im Staatsgefängnis „S.C.I. Greene“ in Pennsylvania inhaftiert. 95% der Wärter in diesem Gefängnis sind weiß, wohingegen 98% der Insassen Afroamerikaner sind. Leute wie der Abu-Ghraib Folterer Charles Graner wurden in diesem Gefängnis ausgebildet und haben dort als Wärter gearbeitet. Nach wie vor berichten Mumia und andere Gefangene immer wieder von rassistischen Übergriffen durch die Wärter.

Für die Gesamt-USA sprechen die Zahlen eine eindeutige Sprache: 50% aller Schwarzen Männer kommen irgendwann im Laufe ihres Lebens mit dem Knastsystem in Berührung. 23% aller Schwarzen Männer im Alter von 20- 29 Jahren und 10,4% aller Latino-Männer (im Vergleich dazu 6% der weißen Männer) sind entweder im Gefängnis, in U-Haft, auf Bewährung oder haben ein Berufungsverfahren. Schwarze Männer stellen 6% der Gesamtbevölkerung, aber ca. 46% aller Gefangenen (rund 600.000). Es sind mehr schwarze Männer im Knast als im College oder an der Uni.

The Voice of the voiceless

Mumia wurde als Journalist oft „The Voice of the voiceless“, also die Stimme der Stimmlosen genannt. Und tatsächlich hat er sich immer sehr intensiv für die Rechte der Unterdrückten eingesetzt. Dafür soll er offenbar bezahlen.

Mumia dient als Beispiel: Gefängnisse mit ihren Strafen und Lebensbedingungen sollen eine abschreckende Wirkung entfalten, um die Inhaftierten, aber auch Menschen außerhalb der Anstalten, zu disziplinieren und vom Begehen von Verstößen gegen das herrschende Rechtsverständnis abzuhalten. Verarmende Gesellschaften sind daher darauf angewiesen, ihre Gefängnisse und ihr Strafsystem insgesamt „härter“, also menschenfeindlicher, zu machen, damit auch bei einer enormen Schere zwischen Arm und Reich die Armen trotzdem nicht auf die Idee kommen, einfach einen Teil des gesellschaftlichen Reichtums für sich und ihre Familien zu nehmen. Im Strafgesetzbuch nennt der Staat sowas dann Diebstahl oder Raub.

Angesichts einer zu erwartenden lang anhaltenden Weltwirtschaftskrise mit Folgen wie Arbeitslosigkeit, sozialem Abstieg und Klassenkampf von unten, wird sich die Lage inner- wie außerhalb der Knäste weltweit wohl kaum verbessern. Eher das Gegenteil wird der Fall sein.

Wir können daher nicht nur für kleine Verbesserungen im Bestehenden eintreten, sondern müssen das große Ganze, den Kapitalismus, in Frage stellen. Mumia hat das immer getan und tut es auch jetzt auch noch. Vor allem deshalb will fast jeder im US-amerikanischen Staatsapparat ihn unbedingt tot sehen. Eine starke Mobilisierung all jener für die Mumia sein Leben lang geschrieben und gekämpft hat, ist hingegen die einzige Chance, ihn aus dem Gefängnis zu befreien.

Zum Weiterlesen

Solidaritätspage für Mumia

http://www.freedom-now.de

 

RSO-Thesen zum (Anti-) Rassismus (November 2009)

http://www.sozialismus.net//content/view/1314/128/

Und sie bewegt sich doch. Die Geschichte der US-amerikanischen Arbeiter/innen/bewegung (Juni 2006)

http://www.sozialismus.net//content/view/599/213/

 

Leonard Peltier: Ohne Beweise seit 28 Jahren hinter Gittern (November 2004)

http://www.sozialismus.net//content/view/695/213/

Widerstand in der US-Armee: Die GI-Bewegung in den siebziger Jahren (April 2003)

http://www.sozialismus.net//content/view/703/213/

Black Panther Party – Aufstieg und Fall einer Partei (November 2002)

http://www.sozialismus.net//content/view/1074/213/ (Teil 1)

http://www.sozialismus.net//content/view/1075/213/ (Teil 2)

Rassismus in den USA: Die Geschichte der Schwarzen in den USA (September 2002)

http://www.sozialismus.net//content/view/709/213/

Der Krieg nach Innen (November 2001)

http://www.sozialismus.net//content/view/424/126/

Buchtipp:

Schwarze Befreiung und revolutionäre Bewegung in den USA und Südafrika

http://www.sozialismus.net//content/view/798/213/

Schwarze Befreiung und revolutionäre Bewegung