Bericht von den Sozialismus-Tagen –´09 in Wien

Am 28. und 29. November veranstaltete die RSO Wien ihre ersten "Sozialismus-Tage". Über 100 BesucherInnen nahmen an den vielfältigen Diskussionen, Workshops und Vorträgen im Wiener Kulturzentrum Amerlinghaus teil. 

Zum ersten Mal organisierte die RSO die Sozialismus-Tage in Wien. Über 100 BesucherInnen folgten den Vorträgen und Debatten in den insgesamt sieben verschiedenen Veranstaltungen. Fast 20 GenossInnen aus Argentinien, Großbritannien, Tschechien, Deutschland und der Schweiz machten die Sozialismus-Tage auch zu einer wirklich internationalistischen Veranstaltung. 

Zusätzlich zu den Veranstaltungen war während der gesamten Zeit die Rote Caféteria geöffnet, die als gemütlicher Anlaufpunkt diente. Dort wurden über die gesamte Zeit Kaffee, Tee, Kuchen, Obst, Snacks und Toasts angeboten, in den großen Pausen sorgte das (ausschließlich männliche) Küchenteam auch für ausgezeichnete warme Mahlzeiten. Doch nicht nur die kulinarischen Genüsse, auch der etliche Meter lange Büchertisch sorgte für viel Interesse.

Sexarbeit und die Linke

Zum Auftakt diskutierten am Samstagnachmittag im Saal des Amerlinghauses Helen Ward von der britischen Organisation "Permanent Revolution" und Sabine Saloschin von der RSO Wien über "Sexarbeit und die Linke".

Einleitend präsentierte Sabine einige grundlegende Thesen zur Frage des Kampfes um die Befreiung der Frau. Anschließend berichtete Helen von ihrer Arbeit in London, wo sie seit Jahrzehnten mit SexarbeiterInnen arbeitet. Helen ist Ärztin und hat eines der größten Projekte für SexarbeiterInnen in Britannien aufgebaut. In unserer Veranstaltung präsentierte sie eine marxistische Position zum Thema Prostitution.

Der Saal im Amerlinghaus war bereits zu diesem Zeitpunkt sehr gut gefüllt, die BesucherInnen beteiligten sich rege an der Debatte zu verschiedenen Aspekten der Thematik wie der Frage der bürgerlichen Moral, dem Umgang mit Verbotsforderungen für Sexarbeit (die einhellig abgelehnt wurden) und den Arbeitsbedingungen von SexarbeiterInnen.

"Giù le mani“

Parallel dazu berichtete Olivia Farner von der RSO Zürich über den Bahnstreik im schweizerischen Bellinzona. Olivia sprach über den richtungweisenden Arbeitskampf der KollegInnen aus dem Tessin und zeigte auch Ausschnitte aus dem Film "Giù le mani – Hände weg von den Werkstätten in Bellinzona".  Darüberhinaus berichtete sie auch über die Arbeit des Solidaritätskomitees für Bellinzona . In der lebhaften Diskussion wurden dann auch allgemeiner Aspekte von Arbeitskämpfen und Selbstorganisation behandelt.

Kommunismus im 21. Jahrhundert

Deutlich mehr als 80 BesucherInnen folgten schließlich am Samstagabend im buchstäblich bis zum letzten Platz gefüllten Saal des Amerlinghauses der Podiumsdiskussion zum Thema "Kommunismus im 21. Jahrhundert".

Roman Petrenko von der unabhängigen Jugendorganisation Revolution aus Tschechien berichtete über die Situation der tschechischen revolutionären Linken, über ihre Zusammenarbeit und über die notwendige Abgrenzung zur stalinistischen Kommunistischen Partei. Juan Chingo von der Partido de los Trabajadores Socialistas (PTS) aus Argentinien berichtete von lateinamerikanischen Sozialismus-Debatten und kritisierte unter anderem das bürgerlich-nationalistische Projekt des Chávismus in Venezuela.

Stefan Neumayer von der RSO Berlin sprach über kommunistische Arbeit angesichts der aktuellen Krise und die Potentiale für antikapitalistische Politik. Adriane Jansa von der RSO Wien schließlich arbeitete heraus, wie mit Übergangsforderungen die Brücke von aktuellen sozialen Konflikten zu einem kommunistischen Projekt im 21. Jahrhundert geschlagen werder kann.

In der anschließenden Debatte wurden sehr viele verschiedene Aspekte angesprochen, zu viele, um sie hier wiederzugeben. Vielleicht war das Thema fast zu breit angelegt, doch andererseits konnten so auch sehr unterschiedliche Bereiche debattiert werden.

Lange Nächte

Die "Red Lounge", die den Samstag beschloss, war schließlich ein sehr angenehmer Ausklang des ersten Tages. Das Umbauteam verwandelte binnen kurzem den großen Saal in einen Lounge-Bereich mit Bar, Plastiksofas und angenehmer Beleuchtung. Musik und die durchlaufende Projektion von Videos aus der Bewegung gegen Schwarz-Blau, die im November vor 10 Jahren begann, gaben den passenden Hintergrund für einen – für eine Vielzahl von BesucherInnen – noch recht langen Abend…

Deutschland unter Schwarz-Gelb

Der nächste Tag begann zu Mittag in der Galerie des Amerlinghauses mit einer Einführung von Johannes Wedekamp von der RSO Berlin. Johannes ist Aktivist der aktuellen Bildungsproteste in Berlin und verschaffte einen Überblick über die neue Klassenkampfsituation unter der CDU/CSU/FDP-Regierung. In der Debatte wurde dann vor allem die Rolle der Linkspartei debattiert. Während manche diese Rolle äußerst positiv sahen, strichen andere den Sozialabbau der Berliner Linkspartei heraus und stellten auch die Frage, ob nicht wie in Italien die Rechte davon profitieren wird, wenn sich nach einigen Jahren herausstellt, dass die linksreformistischen Konzepte der Linkspartei keine grundlegenden Veränderungen bringen.

ArbeiterInnenklasse und linke Betriebsarbeit

Parallel zur Debatte über Deutschland stellten Maria Pachinger und Max Hofmann von der Betriebsgruppe der RSO Wien die Konzepte der RSO zur Arbeit in Betrieben vor. Maria erläuterte die Bedeutung der ArbeiterInnenklasse in der kapitalistischen Gesellschaft und für sozialistische Politik sowie das Verhältnis von Klasse und revolutionärer Organisation. Max sprach über die Rolle der Gewerkschaften im herrschenden System und arbeitete den Unterschied zwischen revolutionärer Betriebsintervention und linkem GewerkschafterInnentum heraus.

In der Debatte ging es um die Bedingungen revolutionärer Betriebsarbeit und darum, wie die Arbeit in einzelnen Betrieben auf andere Betriebe ausstrahlen kann und welche Möglichkeiten es dafür gibt. Außerdem wurden Beispiele revolutionärer Betriebspolitik in anderen Ländern und die Erfahrungen für uns diskutiert.

Klimawandel und Energiekrise: Kommt der Zusammenbruch?

In der zweiten Session des Tages diskutierte in der Galerie des Amerlinghauses Stuart King, Klimaaktivist aus London und Mitglied der Organisation Permanent Revolution mit Anke Hoorn, Wissenschaftlerin im Bereich Umweltforschung und Mitglied der RSO Wien.

Die Beiträge wie auch die Debatte drehten sich um die Frage alternativer Energieformen ebenso wie um die Möglichkeiten der Energievermeidung. Interessant die Beiträge zur Frage, wie die KollegInnen in jenen Betrieben, die derzeit umweltschädliche Technologien produzieren, überzeugt werden können. Das Beispiel des britischen Autozulieferers Visteon wurde genannt, wo die KollegInnen im Rahmen eines Arbeitskampfes auch die Umstellung auf umweltverträgliche Technologien statt der Produktion für den Individualverkehr forderten. Kontrovers hingegen war die Debatte um die Möglichkeiten und Sinnhaftigkeit der Nutzung von Atomkraft.

Einigkeit herrschte darüber, dass gerade in der Frage des Klimaschutzes der Kapitalismus zu rasch notwendigen Lösungen schlicht nicht fähig ist und daher der Forderung nach einer planenden Wirtschaft große Bedeutung zukommt.

Argentinien: Betriebsbesetzungen und ArbeiterInnenkontrolle

Parallel zur Debatte zum Klimawandel sprachen im Saal Juan Chingo von der argentinischen PTS und Florian Weissel von der RSO Wien. Florian berichtete in seinem Beitrag von der Linksentwicklung und von Klassenkämpfen in Mittel- und Südamerika anhand der Beispiele von Argentinien, Bolivien und Venezuela. Juan sprach speziell über die Situation in Argentinien und die Erfahrungen der PTS, vor allem bei der acht Jahre dauernden Besetzung der Keramikfabrik Zanon, bei der die PTS eine führende Rolle spielte. In der Debatte wurde neben vielen Nachfragen dann auch beleuchtet, ob und wie die Kämpfe in Argentinien beispielhaft für die Situation in Europa sein könnten.

Ein guter Start!

Die RSO ist sehr zufrieden mit dem Ablauf der ersten Sozialismus-Tage. Durch die Vielzahl von Veranstaltungen konnten sehr unterschiedliche Aspekte behandelt werden und somit ein breites Feld an Interessen abgedeckt werden.

Die Rückmeldungen der BesucherInnen waren sehr positiv, viele lobten neben den interessanten Veranstaltungen auch die solidarische und angenehme Atmosphäre und die guten Gesprächsmöglichkeiten. Sehr bereichernd war auch die Teilnahme der zahlreichen internationalen Gäste, die ebenfalls viel zum guten Gelingen der Sozialismus-Tage beitrugen.

Ein letzter Dank gehört all denjenigen, die zum Zustandekommen der Sozialismus-Tage beigetragen haben. Es war wirklich einiges zu tun: Referate, Moderationen, Übersetzungen, Transport, Unterbringung und Betreuung der internationalen Gäste, Auf-, Um- und Abbau, Bewerbung, die umfangreiche Technik (an dieser Stelle auch ein spezieller Dank an das Team des Amerlinghauses!), Bar- und Caféteria-Betreung, Teams zur Betreuung der BesucherInnen, Koch- und Backteam, Einkauf, Photo- und Filmdokumentation… nur durch die Mithilfe einer großen Anzahl von AktivistInnen konnte dies möglich werden.

Es ergab sich nun rund um die Sozialismus-Tage auch eine Reihe von spannenden Debatten mit Interessierten. Und so hoffen wir, dass wir nicht nur politisch, sondern auch personell gestärkt aus den Sozialismus-Tagen hervorgehen werden und freuen uns bereits darauf, wenn wir neue MitstreiterInnen begrüßen dürfen!