Die schweizerische Anti-Minarett Initiative: Nur ein bisschen Ablenkung

Am 29. November soll das Schweizer Stimmvolk entscheiden, ob es den Bau von Minaretten, also dem muslimischen Gegenstück zum christlichen Kirchturm gesetzlich verbieten will. Gestartet wurde das Ganze von der Jungen SVP, welche ihre Mutterpartei gerne mal rechts überholt. …

Dass es bei dieser Initiative nicht um ästhetisches Empfinden geht, wird schnell klar, wenn man der Debatte etwas folgt. Es handelt sich um nichts anderes als blanken Rassismus, welcher mit Angstmacherei vor einer "schleichenden Islamisierung" geschürt wird. Dass die Lakaien der Bourgeoisie gerade in der wirtschaftlichen Krise versuchen, die ArbeiterInnenklasse auf altbewährte Art zu spalten, ist nichts Neues. Islamophobie, Rassismus gegenüber MuslimInnen, ist nur die neueste Form dieser Taktik.

Die SVP-Initiative zum Verbot von Minaretten scheint umso unsinniger, je mehr man sich vor Augen führt, mit welchen Argumenten hier Politik gemacht wird. Böswilligkeit vermischt sich perfekt mit Blödheit. Um das festzustellen, reicht es, eine der zahllosen TV-Debatten über die Initiative im Schweizer Fernsehen zu verfolgen.

Immer der gleiche, alte Unsinn …

Es kommen immer wieder die gleichen – und deshalb auch gleich falschen – Aussagen: Minarette seien islamische Machtsymbole: Fakt ist: Das Minarett gehört zur Moschee wie eben der Kirchturm zur Kirche. An diesen heimischen Machtsymbolen stört sich aber fast keiner, obwohl auch das Christentum vor ca. 1500 Jahren nach Mitteleuropa „eingeschleppt“ wurde und hier nicht etwa naturwüchsig entstand. Die Schweiz werde von MuslimInnen überflutet – auch das ist Quatsch, die von der SVP angeführten Studien sind meist hanebüchen. Und wenn sie sonst nichts mehr wissen, wird halt noch kurz drauf hingewiesen, dass der Koran durch und durch sexistisch sei und so Frauenunterdrückung für Muslime quasi göttliches Gesetz sei. Nun ja, wir wollen eine solche Tendenz im Koran gar nicht leugnen, aber das trifft für die meisten 1400 Jahre alten Bücher zu und genauso für die christliche Bibel oder den jüdischen Talmud.

Schliesslich ist der Koran auch nicht essenziell sexistischer als die SVP, welche gerne mal gegen „verfilzte linke Weiber und FeministInnen“ wettert und sich Aussagen wie: „Welcher Mann möchte schon Sex mit einer Feministin?“ leistet. Der Antrieb der SVP ist also keinesfalls irgendeiner höheren Gesinnung zu verdanken, sondern einfach blossem Rassismus.

Wenn Kritik, dann an allen Religionen!

Als MarxistInnen kritisieren wir den Islam ebenso, wie alle anderen Religionen. Der Islam stellt dabei aber auch keine besonders reaktionäre Ausnahme dar. Im Islam gibt es ExtremistInnen wie in anderen Religionen auch. Diese machen aber eine Minderheit aus. Den meisten Menschen dient Religion als „Opium“ (Karl Marx), um sich das tägliche Leiden im Kapitalismus ertragbar zu machen. Wir kritisieren das, und betonen immer die Notwendigkeit, den Wunsch nach einer besseren Welt nicht ins Jenseits zu verschieben, sondern hier und jetzt für eine solche zu kämpfen.

Wir verstehen aber auch sehr wohl die materiellen Umstände, nämlich das Elend des Kapitalismus, aus welchen die Religion entspringt. Deshalb legen wir an alle Religionen den gleichen Massstab an. Wieso sollte man den MuslimInnen das Minarett verbieten und den ChristInnen den Kirchturm erlauben? Beide Religionen können in gleich reaktionärer Form auftreten, und die islamistischen FanatikerInnen in Afghanistan sind nur die Reaktion auf die christlichen FanatikerInnen in Washington.

Verteufeln wir eine bestimmte Religionsgruppe stärkt das nur ihren inneren Zusammenhalt. Es ist unserer Meinung nach das gute Recht jedes Menschen, eine Religion auszuüben, deshalb sollte er/sie auch nicht vom Staat daran gehindert werden, solange er/sie andere Menschen damit nicht beeinträchtigt. Die reaktionären Seiten der Religionen, wie Frauenunterdrückung, Homophobie etc. reproduzieren sich nicht durch die Religion, sondern sexistische und homophobe Religionen werden durch die patriarchalische, sexistische und homophobe Funktionsweise des Kapitalismus reproduziert. Das Verbot von Minaretten spielt nur jenen in die Hände, welche diese Zustände eben nicht überwinden, sondern nur verschleiern wollen.

SVP: spalten und ablenken!

Es vermag nicht zu überraschen, dass die SVP gerade in der Zeit der kapitalistischen Krise versucht, die wahren Widersprüche des Kapitalismus zu verschleiern, in dem sie eine Spaltung der Menschen nach Religion, Kultur und Mentalität vorschiebt.

Wir wissen, dass der wahre Graben in unserer Gesellschaft den Klassenlinien entlang läuft. Dieser Gegensatz der Interessen von Bourgeoisie und Proletariat wird gerade in der Krise besonders offensichtlich und nimmt akute Form an. Die Bourgeoisie muss sich darum umso mehr ins Zeug legen, um die Verhältnisse anders erscheinen zu lassen als sie sind. In allen bisherigen kapitalistischen Krisen wurden von der Bourgeoisie bewusst rassistische Ressentiments geschürt. Die Anti-Minarett-Initiative stellt nur einen Teil einer ideologischen Offensive gegen das Proletariat dar.

Klassenkampf aller ArbeiterInnen, egal welcher Herkunft oder welcher Religion, ist das beste Mittel gegen rechten Rassismus. Denn nur so wird klar, wer wirklich in einem Boot sitzt und wer nicht. Mit einem Ja zur Anti-Minarett-Initiative schwächt das schweizerische Proletariat nur sich selbst, weil es so den Graben zwischen sich und seinen muslimischen BundgenossInnen noch vertieft. Genau das will die SVP, genau von dem profitieren das schweizerische und das internationale Kapital. Wer gegen Sexismus und Fundamentalismus ist, muss den Kapitalismus bekämpfen, nicht die Muslime.

Zum Weiterlesen:

„Traditionsbedingte“ Gewalt, Kultur und Rassismus (Oktober 2008)

Zur Hölle mit Ratzinger! (September 2007)

Analyse des islamischen Fundamentalismus (Dezember 2005)

Viel Zoff um den Stoff: Zur Debatte um das Kopftuch-Verbot (Mai 2004)

Gesammelte Artikel zu Religion und Esoterik