Aber wofür denn eigentlich? Mehr Truppen in Afghanistan? Ausweitung des Krieges auf Pakistan? Die EU-Elite freut sich, will sie im Schatten von Obamas „Friedensmissionen“ doch selbst mit um Öl und imperialistische Dominanz Krieg führen.
Das Nobelpreiskomitee begründete seine Entscheidung mit Obamas „Einsatz um internationale Diplomatie und Kooperation zwischen den Völkern“. Er habe „ein neues Klima in der internationalen Politik geschaffen“ und gerade seine Bemühungen für eine atomwaffenfreie Welt wurden positiv herausgestrichen. Und bis zu einem gewissen Grad haben sie damit auch recht: Obama steht tatsächlich für einen „diplomatischeren“ und „kooperativeren“ Kurs in der Außenpolitik des US-Imperialismus – aber freilich keinen „friedlicheren“. Aber Obama ist nicht der erste Kriegstreiber, der den Friedennobelpreis erhält.
Kein Ende der Kriege in Sicht
Wichtig für seinen Wahlsieg war die Ankündigung die US-Truppen bis zum Frühjahr 2010 aus dem Irak abziehen zu wollen. Vielen war das bereits der Beleg für seine „Antikriegs“-Haltung. Verknüpft war diese Ankündigung jedoch mit dem Verweis, dass er natürlich auch auf seine Generäle im Irak, die die Situation am Besten beurteilen könnten, hören müsse und Afghanistan mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden soll. Obama steht, wie seine Politik in den letzten Monaten und die Besetzung seines Kriegskabinetts mit wichtigen Figuren der Bush-Administration eindeutig zeigen, nicht für einen grundsätzlich „friedlicheren“ Weg.
Der Abzug der US-Truppen aus dem Irak in wenigen Monaten scheint nicht mal mehr offiziell auf der Tagesordnung zu stehen. Hinsichtlich der Schlachterei in Afghanistan hatte der UN-Sicherheitsrat (ständige Mitglieder: USA, Frankreich, Russland, China, Großbritannien) erst einen Tag vor Bekanntgabe des Nobelpreises eine Resolution beschlossen, die eine weitere Aufstockung der bisher stationierten ausländischen Truppen (es sind bereits rund 100.000) fordert. Und der US-Oberbefehlshaber in Afghanistan, General Stanley McChrystal, will die Entsendung von 40.000 zusätzlichen US-SoldatInnen. Die Ausweitung des Krieges auf Pakistan hatte bisher 30 Drohnen-Attacken und über 300 getötet Menschen zur Folge. Obama selbst bringt es auf den Punkt: „Ich bin nicht gegen alle Kriege. Ich bin gegen dumme Kriege“.
Obamas „Bemühungen“ für eine atomwaffenfreie Welt und damit verbundene Hoffnungen auf weltweite Abrüstung entlarven sich wohl von selbst: die USA haben nach wie vor das weltweit größte Arsenal an (nuklearen) Waffen, das Budget des US-Militärs ist nach wie vor mit riesigem Abstand das höchste der Welt. Letztlich geht es dabei auch darum, den Iran, unter dem Vorwand von „nuklearer Abrüstung“ und „Friedenssicherung“, zu günstigen Bedingungen an den Verhandlungstisch zu bringen oder, sollte das scheitern, sich eine möglichst breite Rückendeckung für einen möglichen imperialistischen Angriff zu sichern.
Die EU will auch ihr Stück vom Kuchen
Obamas außenpolitischer Kurs unterscheidet sich also im Wesentlichen nicht von dem seines Vorgängers, George W. Bush. Diese Strategie ist vielmehr eine Reaktion auf die offenbar gescheiterten Versuche, den Irak und Afghanistan rasch zu befrieden, und Ausdruck der Schwäche des US-Empire und des zunehmenden Verlustes seiner hegemonialen Rolle. Die herrschende Klasse in Europa zeigt sich hoch erfreut über die Vergabe des Nobelpreises an Obama. Sie sieht doch in seinem „Einsatz um internationale Diplomatie und Kooperation zwischen den Völkern“ eine Chance sich selber als Juniorpartner in Stellung zu bringen, beim Krieg um die Kontrolle in Zentralasien und im Mittleren Osten kräftig mitzumischen und beim Kampf um die besten Stücke des Kuchens das eigene Gewicht in die Waagschale werfen zu können.
Die Vergabe des Preises bedeutet letztlich auch Bestätigung und Rückenwind für die momentane Strategie des US-Imperialismus – die den EU-Eliten entgegenkommt. Die deutsche Bundeskanzlerin Merkel spricht das auch deutlich aus: „Innerhalb kurzer Zeit hat er es geschafft einen neuen Umgangston in der ganzen Welt anzuschlagen und eine Bereitschaft zum Dialog herzustellen.“ Und auch der FDP-Vorsitzende Guido Westerwelle, der wohl nächster Außenminister der BRD werden dürfte, bezeichnete die Auszeichnung „eine Rückenstärkung für eine Politik, die auf Kooperation statt Konfrontation und auf Abrüstung statt Aufrüstung setzt“.
Mit der Ehrung von US-Präsident Obama geht es auch darum, dem imperialistischen Gemetzel im Irak, in Afghanistan und in Pakistan das Mäntelchen einer „Friedensmission“ umzuhängen. Damit sollen nicht nur die aktuellen Kriege legitimiert werden, sondern auch die Aufrüstung der EU im Allgemeinen und deren eigene imperialistische Ambitionen.
Nobelpreis: politische und ideologische Rückendeckung
Der Nobelpreis gilt weltweit als eine der angesehensten Auszeichnungen für „große Leistungen“. Die Herrschenden haben sich so eine Möglichkeit geschaffen, um sich selber zuzujubeln und die Illusion einer egalitären Gesellschaft freier Individuen, in der die Bemühungen Einzelner fürs „Allgemeinwohl“ honoriert werden, aufrechtzuerhalten und zu verbreiten. Er erfüllt aber gerade auch eine politische Funktion (speziell der Friedensnobelpreis): damit können öffentlichkeitswirksam unter dem Deckmantel einer „objektiven“ Entscheidung bestimmte politische AkteurInnen und die Politik, für die sie stehen, abgefeiert und „geehrt“ werden. Das Vergabekomitee setzt sich aus fünf Mitgliedern des norwegischen Parlaments zusammen, was den direkten politischen Charakter unterstreicht.
Ein Blick auf einige frühere US-Würdenträger zeigt einerseits, wie es um die angeblichen „Friedensbemühungen“ als Motivation zur Vergabe steht, und andererseits, wie die europäischen Eliten schon länger versuchen damit einen ihren genehmen Kurs zu unterstützen. 1973 wurde der damalige US-Außenminister Henry Kissinger für den Abschluss eines „Friedens“abkommens mit Vietnam, nach dem er die Schlachterei an der vietnamesischen Bevölkerung angeleitet hatte, ausgezeichnet. Und auch beim CIA-Putsch in Chile 1973 und den Massakern in Osttimor soll er seine Finger mit im Spiel gehabt haben. 2002 ging der Preis an den ehemaligen US-Präsidenten Jimmy Carter; als Zeichen der Ablehnung des US-Alleingangs am Vorabend des Irakkriegs. 2007 wurde der demokratische Präsidentschaftskandidat Al Gore beglückwünscht; wohl zur Stärkung einer „diplomatischeren“ und „kooperativeren“ Linie im Hinblick auf die Präsidentschaftswahlen im Jahr darauf.
Obama: das „kleinere Übel“?
Insofern ist die Vergabe des Friedensnobelpreises an Obama, auch wenn klar ist, dass er keineswegs für einen „friedlicheren“ Weg steht, kein „Skandal“. Diese Institution hat schon immer dazu gedient, die herrschende Ordnung zu legitimieren – samt ihren imperialistischen Kriegen. Es kann auch nicht darum gehen, mit Obama, als dem angeblich „kleineren Übel“, glücklich zu sein. Dessen Ehrung bedeutet auch innerhalb der USA eine gewisse Rückenstärkung für ihn. Es könnte ihm in Teilen der Bevölkerung dabei behilflich sein, seinen sinkenden Umfragewerten entgegenzuwirken und seine Politik als tatsächlichen Friedenskurs zu verkaufen. Seine „Antikriegs“-Haltung spielte gerade bei seiner Wahl eine wichtige Rolle. Und eine Mehrheit der Bevölkerung war und ist gegen die US-Kriege und für einen Rückzug der Truppen. Dieser außenpolitische „Erfolg“ wird wohl auch dazu herhalten müssen, von den Problemen im Inland (steigende Arbeitslosigkeit, hohes Budgetdefizit…) und Obamas „Krisen“lösungen im Sinne des Großkapitals abzulenken.
Die Hoffnungen, dass unter einem neuen Präsidenten die imperialistischen Kriege des US-Imperialismus weltweit beendet werden würden hat sich logischerweise als äußert trügerisch herausgestellt. Innerhalb der USA gilt es nicht eine/n vermeintlich liberaleren Kandidaten/Kandidatin zu unterstützen, sondern eine unabhängige Organisierung der Lohnabhängigen voranzutreiben. Es braucht eine kämpferische, klassenbewusste und revolutionäre Linke, die in der ArbeiterInnenklasse verankert ist und den Kampf gegen die imperialistische Außenpolitik „ihres“ Landes mit einem Kampf gegen Betriebsschließungen, Kündigungen, Lohnkürzungen, Abbau von staatlichen Leistungen…. verbindet.