Grüner Kapitalismus: Utopie oder bald Realität?

Der Umstand, dass die Welt auf eine ökologische Katastrophe zusteuert, ist praktisch zum unterhinterfragten Gemeinplatz geworden. Kommt also eine „grüne“ Reform des Kapitalismus? Was bedeutet das für die Lohnabhängigen und antikapitalistische Kräfte? Zur Diskussion um einen „Grünen Kapitalismus“ und „Green New Deal“

Es scheint so, als ob die Anliegen der „Umweltbewegung“ der 1970er und 1980er Einzug in die bürgerliche Politik und Meinungsmache gefunden hätten. Zeitungen und Zeitschriften berichten regelmäßig darüber, auch die Filmindustrie hat das Thema entdeckt. Es gibt zunehmend Absichtserklärungen der bürgerlichen Politik, etwas gegen den Klimawandel zu tun; Resolutionen und Protokolle werden verabschiedet, Kongresse und Tagungen abgehalten. Die Realität der ökologischen Krise ist mittlerweile bis in die herrschende Klasse durchgedrungen. Und auch erste praktische Schritte werden gesetzt. So wurden im Rahmen der Konjunkturpakete gegen die Wirtschaftskrise in manchen Ländern auch „grüne“ Investitionen getätigt. In China sollen rund 40% und in Südkorea 80% der staatlichen Maßnahmen zur Ankurbelung der Wirtschaft auf diesen Bereich entfallen. 

Besondere Aufmerksamkeit verdient das in letzter Zeit, gerade im Zuge der aktuellen Wirtschaftskrise, immer populärer gewordene Konzept des „Green New Deal“ (GND). Auch wenn diese Diskussion noch nicht so breit geführt wird und es (noch) keine praktischen Erfahrungen damit gibt, lassen sich anhand davon sehr gut einige Überlegungen zu einer grünen Reform des Kapitalismus anstellen. Und in gewisser Weise fließen darin viele Aspekte des „Umweltproblems“ und seiner Bearbeitung unter kapitalistischen Verhältnissen zusammen. Außerdem stellt er einen konkreten Vorschlag zur Behebung der (ökologischen) Krise im Kapitalismus dar und bietet daher konkrete Ansatz- und Kritikpunkte. Dieser Artikel erhebt dabei aber nicht den Anspruch das Thema vollständig und umfassend zu behandeln, sondern soll vielmehr einen Input für diese Diskussion in der (radikalen) Linken darstellen.

Was ist der „Green New Deal“?

Beim GND wird auf die von US-Präsident Roosevelt in den 1930ern durchgeführten Reformen des „New Deal“ – als Antwort auf die Große Depression und damit einhergehender Probleme – Bezug genommen. Diesmal sollen es Investitionen in grüne Technologien und Energien bzw. die Umstellung der Energieversorgung auf erneuerbare Energieträger sein, die gleichermaßen (fast) alle Probleme lösen und die Menschheit in eine ökologische und sichere Zukunft führen soll. Eine bürgerlich-kapitalistische Wunderwaffe also – gegen fast alles Schlechte auf dieser Welt!

Zu bekannten Fürsprechern zählen die Europäischen Grünen (bzw. einzelne nationale Grüne Parteien), UNEP (United Nations Environment Programme) und einige wissenschaftliche Forschungsinstitute bzw. Think Tanks (zB Green New Deal Group – UK, Heinrich-Böll-Stifung/Worldwatch Institute – DE/USA). Bereits hier wird deutlich, dass es DEN „Green New Deal“ nicht gibt. Er ist ein Konzept, dass von verschiedenen Institutionen und Organisationen benutzt und mit eigenen politischen Vorstellungen und Stoßrichtungen versehen wird. Das Spektrum reicht von neoliberalen Ansätzen mit keynesianischem Anstrich bis hin zu eindeutig anti-neoliberalen, öko-sozialen Konzepten die auch für Umverteilung im nationalen wie internationalen Rahmen eintreten.

Ziemlich schnell wird klar, dass die Diskussion um einen GND nichts (oder nur mehr sehr wenig) mit Image und Vorstellungen einer alternativen „Umwelt/Ökobewegung“ zu tun hat. All diese Konzepte stehen ganz eindeutig und explizit in Verbindung mit der Wirtschaftskrise, niedrigen Profitraten und mangelnden Möglichkeiten zur Kapitalakkumulation. Es geht darum „die Rettung der Natur mit der Rettung der Gewinne [zu] verbinden“ – wie das Wuppertal Institut, ein renommiertes deutsches Forschungsinstitut, das als liberal gilt, meint.

Mehrfache Krise

Trotz einiger Unterschiede verfügen alle Konzepte aber letztlich über einige – zentrale – Gemeinsamkeiten. Den Ausgangspunkt bildet die Diagnose, dass die Welt sich einer mehrfachen Krise gegenüber sieht: Ökonomie, Umwelt und Energie. (Manchmal wird noch eine Nahrungsmittel- und/oder soziale Krise hinzugefügt). Der GND soll nun dazu beitragen diese Krisen gemeinsam und gleichzeitig zu lösen. Wie können nun die zentralen Probleme und Lösungen zusammengefasst werden? Hinsichtlich der Wirtschaftskrise wird die oberflächliche „Analyse“ der bürgerlichen Medien wiedergekäut: Einige SpekulantInnen haben die Börse mit dem Casino verwechselt; manche Finanzprodukte hatten zu spekulativen Charakter; Kredite wurden zu schnell und leicht vergeben… Als Lösung reicht demnach ein bisschen mehr Regulation und Aufsicht völlig aus.

Die Klima- und Energiekrise wird als verwobenes Problem wahrgenommen. Energie wird derzeit vor allem aus fossilen Energieträgern (Erdöl, Erdgas und Kohle) gewonnen. Einerseits ist der durch das Verbrennen von fossilen Brennstofen bedingte hohe  CO2-Ausstoß der wesentliche Grund für den vom Menschen verursachten Treibhauseffekt. Andererseits wird Erdöl und Erdgas knapp; für Kohle gilt – mit einem weiteren Zeithorizont – das gleiche. Hier wird im Wesentlichen gängigen Interpretationen der „Peak Oil“-These gefolgt, d.h. der Annahme, dass das Fördermaximum von Erdöl (und auch Erdgas) bereits erreicht ist oder bald sein wird. Die Folgen wären eine ständig fortschreitende Verknappung des Angebots, steigende Preise und letztlich Unsicherheiten in der Energieversorgung. Als Lösung wird die (gänzliche) Umstellung auf erneuerbare Energieträger gesehen, in den meisten Vorstellungen in Kombination mit Kernkraft.. Ergebnis wäre eine CO2-neutrale Wirtschaft, Energiesicherheit und eventuell auch Energieautarkie (Stichworte: Kriege um Öl, Abhängigkeit vom russischen Erdgas – die damit wegfallen würden).

Drei Fliegen mit einer Klappe! Denn die wunderbaren Chancen auf Profit, die diese neuen Märkte bieten, dürfen ja auf keinen Fall übersehen werden! Des Weiteren sollen durch Investitionen in grüne Technologien die Wirtschaft angekurbelt und Arbeitsplätze (so genannte „Green Jobs“) geschaffen werden. Öfters werden auch nur Teilaspekte des GND herausgegriffen. So titelt zum Beispiel die Zeitschrift „Format“ (Selbstbezeichnung: „Österreichs Wochenmagazin für Wirtschaft und Geld“) in der Nummer 26 vom 26. Juni: „Grün aus der Krise“. In der Coverstory wird dann das Potential von grünen Technologien allgemein und als Weg aus der Krise diskutiert, sowie Erfolgsstorys von österreichischen Unternehmen dieser Branche präsentiert.

So sehr die KapitalistInnen verzweifelt nach Rettungsankern in der Wirtschaftskrise und für den Weg aus ihr heraus suchen, so sehr glauben Einige, einen solchen im Sektor grüner Technologien gefunden zu haben. „Format“ (Nummer 26/2009) rechnet vor: Im Bereich Umwelttechnik will US-Präsident Obama in den nächsten Jahren 2 Millionen Jobs schaffen, die EU bis 2020 2,5 Mio. und in Österreich könnte eine nachhaltige Energiewende 100.000 neue Jobs bringen. Und bereits 2007 machten die so genannten Greentech-Unternehmen mit 1.400 Milliarden Euro mehr Umsatz als der globale Maschinenbau. Bis 2020 könnte diese Branche einen jährlichen Umsatz von 3.200 Mrd. Euro erreichen – das wären pro Jahr 6,5% Wachstum. Im selben Zeitraum soll sich die Anzahl der Arbeitsplätze in diesem Sektor auf 500.000 verdoppeln (2007: 250.000, 2005: 17.000!). Damit wäre sie eine der globalen Leitindustrien mit rund einem Drittel weniger Beschäftigter als die Autoindustrie und ein Fünftel mehr als im Bereich Chemie. Und auch für österreichische Greentech-Unternehmen wird eine rosige Zukunft vorausgesagt. Der Umsatz soll von 6 Mrd. Euro (2007) auf 16,5 Mrd. Euro (2020) steigen; allerdings soll nur ein Viertel davon in Österreich umgesetzt werden. Diese Zahlen sind nur Schätzungen und sicherlich mit Vorsicht zu genießen (wo und wie wird zum Beispiel die Grenze zwischen Maschinenbau und grüner Technologie gezogen?, die Auswirkungen der Wirtschaftskrise sind noch nicht gänzlich absehbar…). Dennoch ist klar, dass der Sektor „grüne Technologien“ wirtschaftliches Gewicht hat und in diesem Bereich durchaus Potenzial vorhanden ist.

Ökologisch verträgliche Lösungen: dringend notwendig!

Hört sich soweit eigentlich ganz gut an. Denn klar ist, dass es so nicht weitergehen kann. Die Idee des GND spiegelt dabei auch den Umstand wider, dass nicht mehr viel Zeit bleibt um zu handeln und eine umweltverträgliche Energiebasis und Wirtschaft nicht durch ein paar kleine Reformen da und dort zu erreichen ist. Die Konzentration von Treibhausgasen in der Atmosphäre ist gegenüber dem Stand vor der industriellen Revolution bereits von 280 ppm (parts per million oder Millionstel in der Atmosphäre) Kohlendioxidäquivalenten auf heute 430 ppm gestiegen und erhöht sich jährlich um über 2 ppm. Das Ziel zu verhindern, dass die weltweite Durchschnittstemperatur um nicht mehr als 2°C bis 3°C ansteigt, stellt momentan den dominanten politischen Konsens dar. Dazu müsste die Konzentration von Treibhausgasen in der Atmosphäre unter 550 ppm gehalten werden. Aber selbst ein so „geringfügiger“ Temperaturanstieg hätte weitreichende Auswirkungen – gerade auf Menschen in den halbkolonialen Ländern.

Auch die anvisierten Ziele können nur erreicht werden, wenn der Anstieg der Emissionen innerhalb von 15 Jahren gestoppt wird und danach die Emissionen jährlich um rund 2 % sinken. Dabei wird vom aktuellen Umfang der Produktion und Ressourcennutzung ausgegangen, d.h. es muss noch mitbedacht werden, dass der Umfang der Gesamtwirtschaft weiter zunehmen wird (um rund das drei- bis vierfache bis 2050). Dies bedeutet, dass die Emissionen pro Einheit des Bruttoinlandprodukts bis 2050, das als Deadline für die Erreichung eines stabilen CO2-Ausstoßes auf niedrigem Niveau gilt, um zu hohe Temperaturanstiege zu vermeiden, um rund drei Viertel gedrückt werden müssen. Erschwerend kommt hinzu, dass die Erwärmung der Atmosphäre erst zeitlich verzögert einsetzt, d.h. es sich hier nur um annähernde, eher optimistische Schätzungen handeln kann und ein zukünftiger Temperaturanstieg, selbst wenn sofort gehandelt werden würde, Realität werden wird (und in Ansätzen schon ist). Weiters ist der Temperaturanstieg ein sich selbst verstärkender Prozess (höhere Temperaturen lassen Eis schmelzen und führen zu verstärkter Wolken- und Wasserdampfbildung, wodurch weniger Sonnenstrahlung zurück in den Weltraum reflektiert wird; Permafrostböden tauen auf, was zur zusätzlichen Abgabe von im Boden gespeichertem Treibhausgas in die Atmosphäre führt…). Korrekturen der gängigen Klimawandelmodelle im Verlauf der letzten Jahre haben gezeigt, dass diese Rückkopplungsmechanismen immer wieder unterschätzt worden sind.

Angst um Profite und Wirtschaftswachstum

Angesichts der Präsenz von Umweltschutzthemen in Politik und Medien könnte man/frau versucht sein zu glauben, es wäre dort die Vernunft eingekehrt: endlich wird der ökologischen Krise Aufmerksamkeit geschenkt! Doch die Hoffnung auf die Einsicht der herrschenden Klasse ist mehr als trügerisch und wird bald Lügen gestraft werden. Der Grund warum der Klimawandel und seine Folgen mittlerweile auch bei den Herrschenden weitgehend als Realität anerkannt wird, hängt aber durchaus mit „persönlicher“ Betroffenheit zusammen: die Furcht um Profite!!

Es ist kein Zufall, dass gerade der „Stern-Report“ (englischer Originaltitel: „Stern Review on the Economics of Climate Change“), im Oktober 2006 veröffentlicht, der Diskussion um den Klimawandel einen kräftigen Schub gegeben hat. Diese von Nicholas Stern, dem ehemaligen Weltbank-Chefökonomen, verfasste Studie, beschäftigt sich vor allem mit den ökonomischen Auswirkungen des Klimawandels. Bis zur Veröffentlichung des „Stern-Reports“ galt unter den meisten ÖkonomInnen die Meinung, dass es billiger sei auf die Auswirkungen des Klimawandels zu reagieren (etwa durch Bau von Dämmen oder Umstellungen in der Landwirtschaft), als vorbeugende Maßnahmen zu treffen. Die Kosten für eine „grüne“ Reform des Kapitalismus beziffert der Autor mit jährlich 1% des globalen Bruttoinlandsprodukts – wenn jetzt begonnen wird zu handeln. (Andere Schätzungen sprechen mittlerweile von rund 2% des globalen BIP). Wird jedoch nichts in diese Richtung unternommen, droht das globale BIP aufgrund des Klimawandels um 5-20% zu sinken. Das ist die Sprache, die die Bourgeoisie versteht!

Das Gleiche zeigt sich auch in der Art und Weise, wie in vielen GND-Konzepten die Umwelt- und Energiekrise gesehen wird: als Bedrohung für wirtschaftliches Wachstum und Stabilität und nicht vor allem als Bedrohung der Lebensgrundlagen der Menschheit!

Bürgerlicher Staat als „ideeller Gesamtkapitalist“

Dass die Klimawandel-Debatte mittlerweile einen fixen Platz in bürgerlicher Wissenschaft und Politik hat zeigt aber auch die potenzielle (!) Wandlungsfähigkeit des Kapitalismus. Anders als andere Klassengesellschaften beruht die bürgerlich-kapitalistische Gesellschaft nicht auf direkten, persönlichen Herrschaftsverhältnisse in Ökonomie und Politik, sondern diese sind „sachlich“ über die Eigentums- und Produktionsverhältnisse vermittelt. Dieser Umstand spiegelt sich auch in der Struktur und Verfasstheit der bürgerlichen Gesellschaft (inkl. Staat, Öffentlichkeit, Wissenschaft…) wider. Einerseits ist sie ein Betrug an der ArbeiterInnenklasse, indem sie formale Gleichheit vorgibt, wo reale Ungleichheit existiert, und erfüllt damit an sich schon eine ideologische Funktion. Andererseits bietet sie den Herrschenden die Möglichkeit des „Ausgleichs“, spiegeln und artikulieren sich darin Auseinandersetzungen zwischen Fraktionen der Bourgeoisie (und auch zwischen verschiedenen Klassen) wider. Letztlich geht es dabei auch um die (Formulierung der) Interessen der KapitalistInnen als Ganzes – und wie diese am Besten gewahrt und durchgesetzt werden können. Der bürgerliche Staat als „ideeller Gesamtkapitalist“ eben.

Das bedeutet allerdings nicht zu sagen, „Die Eliten werden es schon richten!“, sondern sich darüber klar zu werden, dass der Kapitalismus ein wandlungsfähiges System ist und es öfters geschafft hat, Probleme und Krisen in seinem Sinn zu lösen. Das passiert allerdings immer erst dann, wenn schon Feuer am Dach ist – meistens eigentlich erst, wenn bereits der gesamte Dachstuhl abgebrannt ist. Solange genug Kapital akkumuliert und Profite gemacht werden, heißt es: nur weiter so! Dass das Ganze immer auf Kosten der Lohnabhängigen und Unterdrückten weltweit und auf Kosten der Umwelt passiert, ist auch klar; wie zwei Weltkriege mit Millionen Toten, das zur Normalität gewordene tägliche Massensterben und -elend in den Halbkolonien, der Klimawandel und viele weitere Beispiele zeigen. Die zerstörerische Dynamik des kapitalistischen Systems wird dabei immer größer.

„Grün aus der Krise“?

Wie realistisch ist es aber nun, dass grüne Technologien einen Weg aus der Wirtschaftskrise bahnen und zum Flagschiff eines neuen Aufschwungs werden? Der Hype, der derzeit in bürgerlichen Medien darum gemacht wird, hat freilich hausgemachte Ursachen: die verzweifelte Suche nach einem Rettungsanker in der Krise. Das wirkliche Potential der grünen Technologien ist allerdings etwas ganz anderes, als die darauf gesetzten Hoffnungen. In den nächsten Jahren und Jahrzehnten können wir wohl durchaus ein (kräftiges) Wachstum dieses Sektors erleben. Die derzeitige Wirtschaftskrise ist allerdings viel zu tief und die dahinter liegenden Probleme, nämlich die strukturelle Überakkumulation seit den 1970ern, viel zu grundsätzlich, als dass sie durch den Boom einer Branche gelöst werden könnten.

Das bedeutet aber nicht, dass der Greentech-Sektor, wenn der Tiefpunkt der aktuellen Krise erreicht ist und eine gewisse Erholung eintritt, nicht einen gewissen Anteil an einem wirtschaftlichen Aufschwung (bzw. Weg aus der Rezession) haben könnte. Damit einher geht aber freilich auch die Gefahr des Aufbaus einer neuen (Spekulations-) Blase. Falls Unternehmen in dieser Branche ein rasantes Wachstum und schöne Profite verzeichnen würden, ist klar, dass mehr Kapital, auf der Suche nach Verwertung, auch dort hinfließen wird. Eine solche Investitionswelle wäre Ausdruck von (hohen) Gewinn- und Wachstumserwartungen. Dabei besteht die Gefahr, so wie mit der dot.com- und der subprime-Blase, dass diese Erwartungen keine reale Entsprechung in den realen Absatz- und Wachstumsmöglichkeiten finden (können).

Grüner Kapitalismus: Utopie oder bald Realität?

Wenn grüne Technologien zwar nicht die aktuelle Krise lösen können, stellt sich aber trotzdem die Frage, wie es mit der Perspektive einer mittel/langfristigen Energiewende im Kapitalismus aussieht. Die zentrale Frage dabei ist: Könnte oder wie könnte eine grüne Reform des Kapitalismus unter konkreten kapitalistischen (Konkurrenz-) Verhältnissen und Widersprüchen umgesetzt werden? Investitionen in eine erneuerbare Energiebasis stehen vor dem Problem sich erst längerfristig zu rechnen. Darüber hinaus würden diese die Anlagen heute dominierender (monopolistischer) Kapitalfraktionen (gerade Erdölindustrie und darauf basierende Industrien) zu entwerten drohen. Für einzelne KapitalistInnen gibt es hier kurzfristig nur wenig Profit zu holen. Außerdem ist klar, dass es einen radikalen Kurswechsel braucht. Muss der Staat, wie in keynesianischer Manier oft gefordert, also nur die richtigen Rahmenbedingungen schaffen?

Beim GND wird damit in Zusammenhang das „Primat der Politik“ gegenüber der Ökonomie bejubelt; es sei alleine der fehlende politische Wille, an dem es mangle. Die neoliberale Phase des Kapitalismus wird dabei, in einer den Nachkriegsboom romantisierenden und verklärenden Art und Weise, als Ergebnis der Durchsetzung „falscher“ politischer und ökonomischer Anschauungen interpretiert. Die Möglichkeit einer grünen Reform des Kapitalismus wäre demnach also nur eine Frage politischer Entscheidungen.

Die Realität sieht freilich ganz anders aus: der politische Handlungsspielraum ist vielmehr davon abhängig, ob die Profitraten hoch genug sind und genügend Kapital akkumuliert wird. (Die Höhe der Profitrate(n) im Verhältnis zum bereits akkumulierten Kapital entscheidet über neue Investitionen und damit letztlich ob es zu einer expansiven Akkumulation(sdynamik) kommt). Der Nachkriegsboom war demnach nicht Ergebnis „richtiger“ politischer Steuerung, sondern spezifischer, historischer (Kräfte-) Konstellationen auf nationaler und internationaler Ebene (massenhafte Kapitalvernichtung und -entwertung im Zweiten Weltkrieg, Aufbauboom, USA als neue politisch-militärische und ökonomische Hegemonialmacht, Schwächung und Einbindung der ArbeiterInnenbewegung, Verallgemeinerung technischer Innovationen, Aufbau neuer US-dominierter Finanzinstitutionen (Weltbank, IWF…)…).

Roosevelts New Deal trug letztlich sehr wenig zum wirtschaftlichen Aufschwung der USA bei, dafür war zum Teil die Kriegsökonomie (die mit einer massiven Umverteilung von unten nach oben einher ging) sowie vor allem der Zweite Weltkrieg, aus dem die USA als unangefochtene Weltmacht hervorgegangen sind, verantwortlich. Der Neoliberalismus war demnach die Antwort auf sinkende Profitraten und Verwertungsprobleme des Kapitals am Ende des Nachkriegsbooms – und nicht Ausdruck einer „falschen“ Theorie.

Damit ein GND (oder Elemente davon) also überhaupt Chancen auf eine Umsetzung hat, muss der ökonomische Spielraum dafür gegeben sein bzw. sich dadurch für dominante Fraktionen der herrschenden Klasse neue und ausreichende Profitmöglichkeiten eröffnen. Im Angesicht der aktuellen Wirtschaftskrise stellt sich das Problem folgendermaßen dar: der Kapitalismus ist weltweit von einer strukturellen Überakkumulationskrise, zu niedrigen Profitraten, fehlenden Anlagemöglichkeiten und Überkapazitäten gekennzeichnet. Zum Teil besteht die Hoffnung, dass grüne Investitionen ein neues Akkumulationsfeld eröffnen, eine neue Akkumulationsdynamik in Gang setzen und damit die Überakkumulation von Kapital beenden oder zumindest abmildern könnten.

Eine solche neue Akkumulationsdynamik ist aber nicht durch die richtige politische Steuerung zu erreichen. Um den Nachkriegsboom, d.h. stabile Wachstums- und Profitraten, zu ermöglichen, bedurfte es erst, als Ergebnis der imperialistischen Schlächterei im Zweiten Weltkrieg, einer neuen Weltordnung und der Vernichtung von ausreichend unproduktivem Kapital. Ob oder inwieweit grüne Reformen kommen werden, wird demnach auch maßgeblich von den Veränderungen, die die aktuelle Wirtschaftskrise mit sich bringen wird, abhängen (Neuverteilung zwischen Kapitalfraktionen, Veränderungen in den weltweiten Kräftekonstellationen, Ausmaß der Vernichtung von Kapital, Ausgang von Klassenkämpfen…).

Eine Möglichkeit des bürgerlichen Staats, „steuernd“ einzugreifen, besteht über das Mittel von Subventionen und Steuern. Derzeit verschwinden unzählige Millionen im Rachen von Ölfirmen und der (industriellen) Landwirtschaft. Ob es hier zu Veränderungen kommt, wird davon abhängen, welche Klassenfraktionen ihre Interessen durchsetzen können und welche als die Interessen des Gesamtkapitals definiert werden. In diesem Bereich können wir uns aber durchaus auf Veränderungen einstellen; wie die Diskussion um die Reform der EU-Subventionen für die Landwirtschaft (die rund die Hälfte des EU-Budgets ausmachen) zeigt.

Einiges wird freilich auch von der weiteren technischen Entwicklung abhängen. In letzter Zeit konnten wir eine starke Weiterentwicklung so genannter grüner Technologien beobachten (neue Techniken, mehr Effizienz in Energieproduktion und -verwertung, Energieeinsparung…). Grundmotiv war hier auch das ganz normale Streben nach mehr Profit und durch die Konkurrenz angespornte technologische Erneuerungen. Mit solchen Fortschritten in diesem Bereich werden diese nicht nur hinsichtlich der Energieproduktion, sondern auch als Profitquelle interessant(er). Die KapitalistInnen dieser Branchen warten nur wie die gierigen Geier auf die Chance, endlich die Märkte mit ihren Produkten überfluten zu können. Aufgrund der kapitalistischen Logik werden auch hier Patentrechte, zur Sicherstellung für Profite und imperialistischer Dominanz, einen umfassenden und schnellen Einsatz verhindern bzw. hinauszögern.

Klar ist allerdings jetzt schon, dass einer solchen grünen Reform massenhaft Hindernisse im Weg stehen (wie beispielsweise die hohen Anfangsinvestitionen und kaum kurzfristige Profite). Der grundsätzliche Widerspruch bleibt aber zwischen den Grundgesetzen der kapitalistischen Produktionsweise und Nachhaltigkeit an sich bestehen. Zur Kapitalverwertung und –akkumulation ist notwendigerweise expansives Wachstum und Profitmaximierung nötig. Ein wirklich ökologischer Kapitalismus ist daher tatsächlich eine Utopie. Das schließt aber nicht aus, dass zumindest Teile der energetischen Basis auf erneuerbare Energieträger umgestellt werden – vor allem aufgrund des Drucks von Preisen und der Versorgungssicherheit.

Dem bürgerlichen Staat wird als „ideellem Gesamtkapitalisten“ dabei eine besondere Rolle zukommen. Wie dieser agieren wird, wird auch davon abhängen, welche Fraktionen der Bourgeoisie sich durchsetzen werden (können) und wie schnell und stark Auswirkungen der ökologischen Krise und des Klimawandels sich ökonomisch niederschlagen. Für Teile der KapitalistInnen können Umweltschutzauflagen auch eine Möglichkeit darstellen, ihre KonkurrentInnen finanziell unter Druck zu setzen und eine Konzentration von Kapital voranzutreiben.

In unterschiedlichen Ländern bestehen dabei sehr unterschiedliche Ausgangslagen und Möglichkeiten für grüne Reformen, die sich anhand folgender Fragen zeigen: Wie sieht es mit (fossilen) Rohstoffen und möglichen alternativen Energieträgern (Flüsse/Seen für Wasserkraft, Möglichkeit für (Offshore-)Windparks, Wälder bzw. Anbauflächen für Biomasse…) aus? Wie ist die wirtschaftliche und geographische Infrastruktur (welche Kapitalfraktionen dominieren, Ausbau öffentlicher Verkehrsmittel, Transportinfrastruktur…) beschaffen? Wie hoch ist der Energieverbrauch bzw. wie ressourcenintensiv sind durchschnittlich nationale Lebensstile/Konsummuster?

Letztlich stellt sich also die Frage: Wie soll das Ganze finanziert werden? Ein paar Damen und Herren haben da schon so ihre Vorstellungen…

Ein kleiner Vorgeschmack…

Einen wahrlich schauderlichen Ausblick darauf, wie sich die GND-Fans der herrschenden Klasse eine Umsetzung (von Teilen) einer grünen Reform des Kapitalismus vorstellen, bietet das Strategiepapier der „Green New Deal Group“. Diese steht der Grünen Partei Großbritanniens nahe. Die Vorschläge, die hier geäußert werden, zeigen auch eindeutig, dass die Grünen (und ähnliche „UmweltschützerInnen“) gar nichts mehr mit einer alternativen oder gar „linken“ „Öko“partei/bewegung zu tun haben, sondern sich vor allem um die „Realpolitik“ und die Leiden der kapitalistischen Ökonomie kümmern. Ihnen geht es darum, dass der Staat bzw. „die Politik“ einen geeigneten Rahmen für einen marktbasierten Umbau der Energiebasis liefert. Die drohenden Auswirkungen des Klimawandels finden in nationalistischer Manier fast ausschließlich hinsichtlich des „Wirtschaftsstandorts“ Großbritanniens Erwähnung: ein Anstieg des Meeresspiegels würde die wirtschaftlich (!) wichtigen britischen Küstengebiete überfluten. Kein Wort darüber, dass der Klimawandel und seine Auswirkungen für einen Großteil der Menschheit, gerade in den halbkolonialen Ländern, zur Überlebensfrage wird.

Finanziert werden soll eine „grüne“ Reform über Angriffe auf und Einschränkungen für die Lohnabhängigen. Voll Begeisterung loben sie explizit die Kriegsökonomie im Zuge des Zweiten Weltkriegs. Der Konsumlevel und der private Energieverbrauch wären nieder gewesen. Zudem hätten Mangel und Not erfinderisch gemacht. Die Spitze des Eisbergs stellt wohl die Behauptung dar, dass die verringerte Kalorienaufnahme und das vermehrte Zufußgehen aufgrund von Energieknappheit positive Effekte gehabt hätten, weil es weniger Menschen mit Übergewicht gegeben hätte. Sie sind sich sogar nicht zu blöd zu behaupten, dass, auch wenn diese Anpassungen schwierig gewesen wären, die Menschen großteils (!) freiwillig (!) verzichtet hätten. Weiter legitimiert werden soll dieser Verzicht der Masse der Bevölkerung zugunsten des Systems dadurch, dass Studien zitiert werden, in denen über Jahrzehnte hinweg kein signifikanter Zusammenhang zwischen materiellem Wohlstand (individuell wie gesamtgesellschaftlich) und Zufriedenheit (mit dem eigenen Leben) erkennbar ist. Aus der allgemeinen „Weisheit“ das „Geld alleine auch nicht glücklich macht“, wird hier also ein Argument zum erzwungenen Verzicht gemacht.

Fassen wir also zusammen: Die ArbeiterInnenklasse der Bourgeoisie soll durch „freiwillige“ Einschränkungen Profite auf neuen Märkten und eine sichere Energiebasis für ihre Unternehmungen und die Ausplünderung der Halbkolonien garantieren. Erreicht werden könnte diese „Sparsamkeit“ durch das Drücken von Löhnen, weitere Angriffe auf staatliche (Sozial-) Leistungen, hohe Preise und Steuern für konventionelle Energie (Treibstoffe, Heizen…), Nahrungsmittel und Mobilität… Das diese „Freiwilligkeit“ wohl durch einen Ausbau des repressiven Staatsapparats „sicherheitshalber“ begleitet und abgesichert sein dürfte, ist ohnehin klar. Das Beispiel zeigt erneut, wie im Kapitalismus Probleme „gelöst“ werden: mit katastrophalen Auswirkungen, „Kollateralschäden“ und auf Kosten der Lohnabhängigen und der Unterdrückten. Und zur Legitimierung dieses Klassenkriegs wird dann noch die Vorstellung bemüht, dass wir hinsichtlich der ökologischen Krise ja alle „im selben Boot“ säßen.

Die Reichen verschmutzen, die Armen verrecken!

Völlig falsch ist, dass alle Menschen gleichermaßen von den Auswirkungen des Klimawandels betroffen wären oder daran ihren Anteil hätten. Völlig klar ist hingegen (und durch unzählige Studien belegt), dass gerade Menschen in den halbkolonialen Ländern, und dort besonders stark die ärmsten Bevölkerungsschichten, überproportional davon betroffen sein werden. Sinkende Ernteerträge, Naturkatastrophen, Verlust von Land durch Anstieg des Meeresspiegels… bedrohen gerade die Lebensgrundlagen jener Menschen, die ohnehin schon täglich ums Überleben kämpfen und keine anderen Möglichkeiten haben (zB Umsiedlung in überflutungssichere Gebiete…). Aber auch in den imperialistischen Kernländern werden die ArbeiterInnenklasse und besonders deklassierte Schichten überproportional betroffen sein. Grundsätzlich gilt: je ärmer, desto betroffener!

Außerdem wird dadurch verschleiert, dass der Anteil an Energieverbrauch und Schadstoffbelastung sehr unterschiedlich verteilt ist. Knapp ein Sechstel der Weltbevölkerung, vor allem die imperialistischen Länder, nutzt fast die Hälfte der globalen Energieressourcen. Weiters sind es nur rund zehn Prozent der Weltbevölkerung, die für 50% des weltweiten  CO2-Ausstoßes verantwortlich sind. Aber auch innerhalb der „westlichen Industrieländer“ hängen die Ein- und Auswirkung auf die Umwelt, ganz stark mit einer bestimmten Lebensführung/stil und damit der Höhe des Einkommens und der Klassenlage zusammen. Paradoxerweise hinterlassen deshalb jene sozialen Milieus, die über ein hohes „Umweltbewusstsein“ verfügen, einen großen „ökologischen Fußabdruck“. Der Kauf von Bio-Lebensmitteln kann das an sich höhere Konsumniveau, große Autos und Häuser/Wohnungen, höhere Mobilität, mehr Reisen… eben bei weitem nicht ausgleichen.

Die Kritik darf jedoch nicht auf der individuellen Ebene stehen bleiben. Letztlich ist es das kapitalistische System selber, das notwendigerweise ständig zur Maximierung der Profite zwingt – auf Kosten von Menschen und Umwelt. Die Ideologie, dass wir aufgrund der Umweltprobleme nun alle im gleichen Boot säßen, ist also nichts weiter als eine fadenscheinige Lüge der herrschenden Klasse und ihrer MeinungsmacherInnen. Diejenigen, die für die ökologische Krise die Hauptverantwortung tragen und von der schonungslosen Ausplünderung der Umwelt profitier(t)en, sollen wir nun als die großen, vorbildlichen Umweltschützer feiern. Damit soll nicht nur ein weiteres Mal die Klassenspaltung der Gesellschaft verschleiert, sondern auch der Boden dafür aufbereitet werden, dass wir nun alle „den Gürtel enger schnallen“ und unseren „Anteil“ leisten müssen. Wir haben bereits oben gesehen, welche reaktionären Vorschläge dabei herauskommen! Außerdem werden im Namen von „Umwelt- und Klimaschutz“ wohl einige Gesetze und Maßnahmen auf uns zukommen, die dazu eigentlich nichts oder kaum etwas beitragen, aber dadurch legitimiert werden sollen.

Kapitalismus und Imperialismus reloaded! Oder: Kapitalismus bleibt Kapitalismus bleibt Kapitalismus…

Auch hier kommen die grundsätzlichen Widersprüche der kapitalistischen Produktionsweise zum Ausdruck: Der Prozess der Kapitalakkumulation und der Maximierung von Profiten unterhöhlt systematisch die Grundlagen dieses Prozesses selbst. „Lösungen“ sind dabei nur nach „Kollateralschäden“ wie (Welt-) Kriegen, „humanitären Katastrophen“, dem Einsetzen des Klimawandels… möglich. Und vor allem nur dann, wenn der ewige Kreislauf der Kapitalverwertung dadurch wieder ausreichend in Gang gesetzt werden kann.

Es ist kein Zufall, dass die Sicherung der Energieversorgung in letzter Zeit immer mehr zum Thema geworden ist. Diese ist für die Aufrechterhaltung der Kapitalakkumulation zentral und bietet darüber hinaus die Möglichkeit neue Märkte zu erobern. Und weil der Kampf gegen den Klimawandel in kapitalistischer Logik in erster Linie immer unter diesem Aspekt gesehen wird, würden grüne Reformbestrebungen noch lange nicht heißen, dass wir einen ökologischen bzw. nachhaltigen Kapitalismus hätten. Denn der zu erwartende Temperaturanstieg, bereits bei einem optimistischsten Szenario, wird gerade in den Halbkolonien die Lebensgrundlagen von Millionen von Menschen (noch weiter) bedrohen. Und um deren Existenz scheren sich die imperialistischen Mächte ohnehin nicht! Und insgesamt bleibt in einer kapitalistischen Produktionsweise der grundsätzliche Widerspruch zwischen Nachhaltigkeit einerseits und Zwang zu Profiten und Wachstum andererseits unlösbar.

Die unmittelbare Einführung von grüne(re)n Technologien muss auch nicht immer das ökologisch sinnvollste sein; es gilt dabei den gesamten Materialaufwand und die  CO2-Bilanz zu beachten. Dass zum Beispiel die Abwrackprämie für alte Autos, bei Kauf eines schadstoffärmeren Neuwagens, zur „Umweltverträglichkeit“ beitragen soll, ist mehr als eine Augenauswischerei. Zunächst belastet einmal die Produktion eines Neuwagens die Umwelt erheblich. Des Weiteren wären im Zuge eines Gesamtkonzepts Investitionen in öffentlichen Verkehr, Elektrofahrzeuge… weitaus sinnvoller.

Ein weiteres Beispiel wären die Agrotreibstoffe, fälschlicherweise oft „Biosprit“ genannt – denn mit „Bio“ hat das wenig zu tun. Der Anbau von Zuckerrohr, Soja und anderen Pflanzen zur Ethanolgewinnung findet einerseits in Monokulturen und zum Teil mit genmanipulierten Pflanzen statt und andererseits werden (Ur-)Wälder zur Gewinnung von freien Flächen gerodet. Insgesamt wird auch dadurch die Biodiversität ernsthaft gefährdet. Außerdem kommt es dabei oft zu Vertreibungen von Teilen der Landbevölkerung. Weiters ist der (subventionierte) Anbau für die Ethanolgewinnung ein Grund für den Anstieg von Lebensmittelpreisen und dem Sinken der Versorgungssicherheit und war ein Mitauslöser der Nahrungsmittelkrise im Jahr 2007/2008 (siehe dazu auch unseren Artikel “Die globale Nahrungsmittelkrise “). Überdies bräuchte man/frau um nur den derzeitigen Energiebedarf des Straßenverkehrs zu decken, Anbauflächen in der Größe von Kontinentaleuropa oder von allen Anbauflächen für Nahrungsmittel in der gesamten „Dritten Welt“. Die EU hat sich zum Ziel gesetzt bis 2020 den Anteil an Agrotreibstoffen auf mindestens zehn Prozent zu erhöhen. Dass eine Umsetzung damit noch lange nicht erreicht ist, ist klar; und dass es der EU dabei vor allem um die Versorgungssicherheit geht, auch.

Für die Bourgeoisien der imperialistischen Länder ergeben sich über die „Umweltpolitik“ auch Möglichkeiten ihre Dominanz im kapitalistischen Weltsystem zu stabilisieren und auszubauen. Schon jetzt sind die Medien voll mit Berichten über die „bösen Umweltverschmutzer“ China, Indien und Co. Da heißt es, es gehe ja nicht, dass die nun auch alle Auto fahren wollen! Hier wird in einem einzigartigen Akt der Doppelmoral davon abgelenkt, dass nach wie vor die „westlichen Industrieländer“ die mit Abstand höchsten  CO2-Emissionen pro Person aufweisen. Und imperialistische Länder wollen so Anderen den Weg verbieten, den sie selber genommen haben.

Dass in Zukunft „im Namen der Umwelt“ Strukturanpassungsprogramme von IWF und Weltbank auch ökologische Auflagen beinhalten, ist also sehr gut vorstellbar. Damit wäre nicht nur die Unterwerfung unter die imperialistische Dominanz weiter gesichert, sondern westliche Konzerne könnten sich gleich noch einen erzwungen Markt für den Absatz ihrer „grünen“ Technologien sichern. Als ein Beispiel sei hier der „Mittelmeer-Solarplan“ der EU genannt, der Teil einer EU-Strategie zur Energiesicherheit ist. Dabei sollen in der Sahara solarthermische Kraftwerke errichtet und der Strom nach Europa exportiert werden. In diesem Zusammenhang gilt es auch die Gründung der „Union für das Mittelmeer“ im Juni 2008, die neben der EU noch die Mittelmeeranrainerstaaten (mit Ausnahme von Libyen), Mauretanien und Jordanien umfasst, zu sehen. Der EU geht es also darum, sich den imperialistischen Zugriff auf diese Länder, auch unter dem Aspekt der Energiesicherheit, zu sichern.

Alternatives Feigenblatt kapitalistischer Modernisierung…

Letztlich singen alle Konzepte für einen GND bzw. einen „grünen Kapitalismus“, so alternativ sie sich auch geben mögen, ein Loblied auf die „freie Marktwirtschaft“ und fühlen sich dem kapitalistischen System der Profitmacherei verpflichtet. Die Forderung nach einem (Green) New Deal ist immer und notwendigerweise mit einem Konzept der Ankurbelung der Wirtschaft verbunden. Letztlich gilt: Der Markt wird’s schon richten! Der GND soll nicht nur die Umweltkrise lösen, sondern gleichzeitig durch neue Märkte und Investitionsfelder auch die Wirtschaftskrise. Dass kann im Kapitalismus aber nichts anderes heißen, als den ins Stocken geratenen ewigen Kreislauf der Kapitalakkumulation zu sanieren – bis zur nächsten Krise. Dabei wird auch die illusionäre Hoffnung verbreitet, dass die Politik – den „Willen“ vorausgesetzt – nur für die richtigen Rahmenbedingungen sorgen müsste. Genauso Fehl am Platz sind Versuche, die Herrschenden zur Einsicht zu bringen. Die wissen genau was sie machen und können aus der Systemlogik auch nicht ausbrechen.

Die Vorstellung, mit keynesianischen Mitteln zu versuchen eine neue Akkumulationsdynamik auszulösen, damit grüne Reformen über den Markt durchgeführt werden (können) ist nicht nur reaktionär, sondern auch höchst illusionär. Anstatt zu versuchen das kapitalistische System, das offenbar nicht funktioniert, endlich zu überwinden, wird hier fleißig daran gearbeitet, einer todkranken Gesellschaftsordnung neues Leben einzuhauchen.

Bewegungen mit einem kritischen, ökologischen Anspruch müssen sich der Gefahr der Vereinnahmung bzw. Integration bewusst werden. Ziel kann nicht sein, mit „ökologischen“ Fraktionen der herrschenden Klassen zusammen zu arbeiten. In all diesen Konzepten kommt es letztlich, weil der kapitalistische Rahmen und dessen Logik nicht in Frage gestellt werden, zur Anbiederung an die herrschende Klasse bzw. die Unterordnung unter ihre Interessen. So kann es nur zu schnell passieren, dass VertreterInnen ökologischer Anliegen sich im Namen der „Umwelt“ zur Rechtfertigung von Angriffen gegen die Lohnabhängigen und die Unterdrückten weltweit und deren Lebensstandards gezwungen sehen.

Damit in Zusammenhang gilt es auch die verklärenden und romantisierenden Interpretationen von Roosevelts „New Deal“ zu bekämpfen. Oft wird dieser als Grundlage für die „harmonische“, sozialpartnerschaftliche Entwicklung nach dem Zweiten Weltkrieg gesehen – und diese soll im Green New Deal jetzt ähnlich wiederholt werden. Dass der New Deal aber gerade eine Antwort auf die heftigen Klassenkämpfe in den USA im Zuge der Weltwirtschaftskrise war und mit einer Offensive gegen die radikalen und revolutionären Teile der ArbeiterInnenbewegung einhergegangen ist, wird hier dezent verschwiegen. Außerdem gilt es zu bedenken, dass die Einbindung von privilegierten Teilen der ArbeiterInnenklasse, heute in diesem Ausmaß nicht mehr so leicht möglich sein wird, weil dem Kapitalismus dafür insgesamt die ökonomischen Spielräume fehlen. Und ohnehin ist eine Neuauflage des Nachkriegskapitalismus, der auch nur privilegierten, weißen, männlichen Teilen der ArbeiterInnenklasse im „Westen“ gewisse Zugeständnisse machen konnte, kein erstrebenswertes Ziel.

Verhindert werden muss aber auch, ins Fahrwasser von anderen Fraktionen der herrschenden Klasse, die auf einmal scheinbar die soziale Frage entdecken, zu kommen. Grüne Reformen und Gesetze werden dann, mit dem Argument, dass diese Energie und andere Waren des täglichen Bedarfs verteuern, abgelehnt (zum Beispiel von Teilen der US-RepublikanerInnen und den mit ihnen verbunden Kapitalgruppen). Dass diese Herren und Damen plötzlich so tun, als ob sie sich um die Lohnabhängigen und ihren Lebensstil kümmern, mutet schon äußerst eigenartig an. In Wirklichkeit geht es hier nur um die Aufrecherhaltung der Struktur des gegenwärtigen, „fossilistischen“ Kapitalismus der ihnen fette Profite beschert. Freilich darf der soziale Aspekt von Klimawandel und ökologischer Krise und deren Bekämpfung nicht vergessen werden. Das Beispiel zeigt aber gerade, dass im Kapitalismus eine – ohnehin beschränkte – „grüne“ Reform nur auf Kosten der Lohnabhängigen stattfinden würde.

…oder revolutionäre, anti-kapitalistische Alternative?

Für uns gilt es daher, die ökologische mit der sozialen Frage zu verknüpfen. Denn klar ist, dass die genannten Probleme nicht einzeln lösbar sind. Die verschiedenen Krisen gilt es aber nicht nur miteinander in Verbindung zu sehen, sondern diese gerade mit dem Kapitalismus an sich und seiner grundsätzlichen Widersprüche in Zusammenhang zu bringen. Die grundsätzliche Logik des Systems – Profit und quantitatives Wachstum um jeden Preis – steht einfach im Widerspruch zu wirklicher Nachhaltigkeit und der Befriedigung von Bedürfnissen.

Vielleicht mag der Verweis darauf, dass es im Kapitalismus keine wirkliche Lösung der ökologischen Krise geben kann, angesichts der Dringlichkeit dagegen zu handeln, zunächst abstrakt erscheinen. Die Option – mit den „ökologischen“ Fraktionen der Bourgeoisie zusammenzuarbeiten – wird die Krise aber auf jeden Fall nicht lösen, sondern nur die Formierung einer revolutionären ArbeiterInnenbewegung, die konsequent gegen ökologische Krise und Klimawandel kämpfen könnte, behindern. Der entscheidende Punkt zur Lösung der ökologischen Krise weist auch gleichzeitig über den Kapitalismus hinaus: die Kontrolle der ProduzentInnen über die Produktion, d.h. Produktion für Bedürfnisse und nicht für Profite. Nur so kann eine nachhaltige Entwicklung wirklich garantiert werden. Die Enteignung der KapitalistInnen aller Branchen und die Vergesellschaftung unter ArbeiterInnenkontrolle gilt es also hier zu fordern. So könnten zum Beispiel in der Autoindustrie, statt weltweiter Kündigungen, die Beschäftigten die Produktion selbst fortführen und auf grüne Technologien umstellen. Aufgestellt wurde diese Forderung bereits durch ArbeiterInnen selbst, bei einem Arbeitskampf mit Betriebsbesetzung bei Visteon (Autozulieferer) in Großbritannien und Irland.

Klar ist allerdings, dass es nicht ausreichen wird, nur anders zu produzieren. Um den Klimawandel in einem halbwegs verträglichen Maß zu halten, wird auch eine massive Verringerung des Ressourcenverbrauchs notwendig sein. Das bedeutet auch, dass Lebens- und Konsummuster sich verändern werden (müssen). Die vorherrschenden Konsummuster haben ohnehin nur sehr wenig mit individuellen Entscheidungen zu tun, sondern sind vielmehr Ausdruck kapitalistischer Verhältnisse. Denn Konsum bedeutet auch Profit. Wenn die Produktion aber unter ArbeiterInnenkontrolle stattfindet, stellt sich die Veränderung von Konsummustern gänzlich anderes dar, als unter kapitalistischen Zwangsverhältnissen.

Zurückzuweisen gilt es jedenfalls Vorstellungen, in denen Verzicht und ein „bescheidenes“ Leben als erstrebenswerte Ziele oder Werte an sich ausgegeben werden. In einer nachkapitalistischen, sozialistischen Gesellschaft soll die Produktion letztlich der Befriedigung aller Bedürfnisse dienen. Wir wollen eine höhere Stufe der Organisation von Produktion und nicht zurück zur Subsistenzwirtschaft. Die Entwicklung der Produktivkräfte, also die treibende Kraft für die Verbesserung des Lebensstandards, darf aber nicht im Sinn von bloß quantitativem Wachstum gesehen werden. Damit würde man/frau das kapitalistische Wachstumsmodell einfach nur auf eine nachkapitalistische Gesellschaft umlegen. Entwicklung der Produktivkräfte heißt auch Formen und Wege der Organisation der Produktion und des Lebens zu finden, die höhere Qualität ermöglichen – und dazu zählt auch die Sicherung unserer natürlichen Lebensgrundlagen über Umweltverträglichkeit und Nachhaltigkeit.

Nach dem gesagten erscheint es unrealistisch, dass ein Gesamtkonzept für eine „grüne“ Reform des Kapitalismus jemals eine Umsetzung finden wird. Es lassen sich aber in einzelnen Ländern Elemente eines Ausbaus von erneuerbaren Energieträgern ausmachen. Solche Konzepte werden gerade unter dem Blickwinkel von Versorgungssicherheit und Energieautarkie interessant; und diese kann und soll auch durch erneuerbare Energien garantiert werden. Auf jeden Fall werden in Zukunft, nun auch mit den Argumenten „Klimaschutz“ und „Umweltverträglichkeit“, weitere Angriffe auf die Lohnabhängigen zukommen. Darauf gilt es vorbereitet zu sein und dem ökologischen Diskurs der Herrschenden eine antikapitalistische, revolutionäre Perspektive zur Lösung der ökologischen Krise entgegenzustellen.

August 2009