Nach dem letzten großen Schulstreik im November 2008 kam es auch im Rahmen der Bildungsstreik-Aktionswoche am 17. Juni zu Großdemonstrationen in ganz Deutschland. Die bundesweiten Zahlen belaufen sich um die 250.000 Menschen.
Allein in Berlin z.B. waren ca. 25.000 Menschen auf der Straße, in Hamburg 13.000, in Göttingen 10.000, in Kiel an zwei Tagen 3.000 bzw. 2.500, Dresden konnte 3.500 mobilisieren und Bremen 3.000. In über 80 Städten waren Menschen auf der Straße, um ihrem Unmut Ausdruck zu verleihen.
Kritik und Forderungen
Studierende, SchülerInnen, LehrerInnen, Kita-Beschäftigte, DozentInnen, usw. hatten zum Streik mobilisiert. Überall hatten Bündnisse und Streikkomitees seit Monaten an den Vorbereitungen gearbeitet und auch Gewerkschaften (ver.di und die GEW) hatten den Streik unterstützt.
Der erste Schulterschluss zwischen Studierenden und SchülerInnen (und zu kleinen Teilen auch den Beschäftigten) setzte damit ein wichtiges Zeichen im Protest gegen die Bildungspolitik der BRD, welche den Großteil der Menschen links liegen lässt, weil nicht genug Geld da sei. Gleichzeitig wird aber Geld in Milliardenhöhe für Elite-Initiativen und krisenerschütterte Banken ausgegeben. Die Empörung darüber war groß und viel Kritik richtete sich auch genau gegen diese Politik: „Geld für Bildung statt für Banken“ und „Mit den Banken sind sie fix, für die Bildung tun sie nix!“.
Aber auch jenseits der vom Staat gehätschelten Banken wurde viel kritisiert und gefordert. Eine der klarsten Forderung war die nach mehr Geld: Für mehr LehrerInnen (und damit weniger Unterrichtsausfall), mehr Vorlesungen, bessere Ausstattung, kostenlose Lehrmittel, usw. Auch der bereits große und sich immer noch verstärkende Leistungsdruck in Schule und Universität, die Gestaltung der Bildung nach den Interessen der Wirtschaft und die Selektion und Trennung im Bildungsbereich wurden kritisiert. Es würde den Rahmen sprengen, hier zu versuchen, alle Forderungen und Kritikpunkte aufzuzählen, denn dank der Herrschenden gibt es quasi unendlich viel zu kritisieren.
Aktionen
Von den Diffamierungen der herrschenden Klasse – CDU-Bildungsministerin Schavan etwa bezeichnete die Proteste als „zum Teil gestrig“ – ließen sich daher wohl nur die wenigsten beeinflussen Im Gegenteil, es wurde zu radikaleren Methoden gegriffen, um Druck zu erzeugen und auf die Situation in Kitas, Unis und Schulen aufmerksam zu machen. So besetzten die DemonstrantInnen in Mainz kurzzeitig das Abgeordnetenhaus, in Minden blockierte man eine Deutsche Bank Filiale und an vielen Universitäten wurden Gebäude besetzt. So wurden zum Beispiel am Morgen des 17. Juni große Teile der TU Berlin besetzt und blockiert, in der HU Berlin bis zum Ende der Woche die 4. Etage eines Seminargebäudes besetzt und auch an der FU Berlin wurde das Seminarzentrum in die Streikzentrale umgewandelt, das Otto-Suhr-Institut besetzt und am Dienstag nach der VV das Präsidium gestürmt und kurzzeitig besetzt. In Tübingen, Kassel und Marburg kam es ebenso zu Besetzungen.
Schwächen des Protests
Bei all diesen positiven Nachrichten sollten die Schwärchen der Demonstrationen nicht aus den Augen verloren werden. So schön es ist, dass sich Lohnabhängige an den Protesten beteiligten und gegenseitige Solidarität ausgedrückt wurde, so vereinzelt blieben diese Beteiligungen jedoch. Zu einer massiven Mobilisierung durch die Gewerkschaftsbürokratie kam es nicht, sodass einzelne Basismitglieder diese Aufgabe übernehmen mussten. Aber dies sollte nicht überraschen, könnte eine gemeinsame Massenbewegung ihnen doch schnell aus den Händen geraten und damit ihre vom System zugesicherten Privilegien bedrohen. Dies zeigt einmal mehr, dass es notwendig ist, Basisstrukturen aufzubauen und sich nicht auf die Gewerkschaftsbosse zu verlassen.
Und obwohl die Misere im Bildungssystem Teil einer Reihe von Angriffen von oben ist, die alle Unterdrückten, ob ArbeiterInnen, SchülerInnen oder Studierende betreffen, waren immer wieder Stimmen von SchülerInnen und Studierenden zu vernehmen, die eine Solidarität mit Lohabhängigen explizit verneinten – es ginge sie ja nichts an, es gehe ja nur um Bildung!
„Vom Bildungsstreik zum Generalstreik“
Trotzdem ist der diesjährige Bildungsstreik ein Ansatzpunkt für weitere Proteste. Im Zusammenhang mit der Krise des Kapitalismus können weitere Proteste stattfinden, die Studierende, SchülerInnen und ArbeiterInnen vielleicht zusammen bringen. 250.000 Menschen setzten sich am 17. Juni für bessere Bildung ein. Dieser Kampf muss ausgebaut werden und auch in anderen sozialen Bereichen geführt werden.
Nur wenige Gruppen, wie Revolution und die RSO, setzten sich für eine solche Perspektive ein. Wir propagierten einen gemeinsamen Streik aller in dieser Gesellschaft Unterdrückten, einen Generalstreik. „Vom Bildungsstreik zum Generalstreik“ als Losung war ein Versuch, den Kampf um eine bessere Bildung aus seiner Isolation zu heben. Ebenso forderten wir, dass die Kontrolle über die Universitäten, Schulen und Fabriken denen gehören soll, die dort lernen, lehren und arbeiten. Der Kontrolle durch BürokratInnen und KapitalistInnen setzen wir die demokratische Kontrolle durch die ArbeiterInnen, SchülerInnen und Studierenden entgegen.
Dabei ist es wichtig, die systemüberwindende Perspektive, die mehr ist als Verbalradikalismus, aufzuzeigen. Nur die revolutionäre Überwindung des Kapitalismus durch eine demokratische Planwirtschaft, den Sozialismus, kann die Probleme im Bildungssystem wirksam lösen. Bildung, das heißt in dieser Gesellschaft Bildung für den Markt, für die KapitalistInnen. Solange sie die herrschende Klasse sind, solange werden sich auch ihre Interessen im Bildungsbereich und der gesamten Gesellschaft durchsetzen. Nur die ArbeiterInnen, welche im Gegensatz zu SchülerInnen und Studierenden dazu in der Lage sind, wirtschaftlichen Druck aufzubauen, können diese Herrschaft überwinden. Daher ist es notwendig, sich zu organisieren um die Bildungsproteste mit den ArbeiterInnenprotesten zu verbinden. Nur gemeinsam können wir unsere Forderungen und Interessen durchsetzen. „Auf der Schule, in den Betrieben – gemeinsam kämpfen, gemeinsam siegen!“