Bericht von der Fߪte de Lutte Ouvriߨre

Am Pfingstwochenende fand das jährliche Fest der französischen trotzkistischen Organisation Lutte Ouvrière (Arbeiterkampf) in der Nähe von Paris statt. Unter den zehntausenden BesucherInnen waren auch einige GenossInnen der RSO.

Lutte Ouvrière (LO) ist die am besten in Betrieben verankerte Organisation aus trotzkistischer Tradition in Europa. Sie gibt regelmäßig mehrere Hundert verschiedene Betriebsflugblätter in ganz Frankreich heraus, darunter in allen großen Industriebetrieben. Die Fete de Lutte Ouvrière ist mit ca. 35 bis 40.000 BesucherInnen an drei Tagen eines der größten Feste der radikalen Linken in Europa. Auf diesem Fest wird politische Arbeit mit einem Volksfest für ArbeiterInnen, Familien, Jugendliche und Kinder verknüpft.

Das Fest

Das politische und kulturelle Angebot ist riesengroß. Es gibt ein Mittelalterdorf, in dem die mittelalterliche Klassengesellschaft dargestellt wird, eine „Stadt der Wissenschaft“ in dem die Entwicklungen in den Naturwissenschaften der letzten 200 Jahre von der Evolutionstheorie bis zum modernen Roboter erläutert werden, einen Waldlehrpfad ebenso wie einen Hochseilgarten in dem man/frau sich in sechs Meter Höhe über das Fest schwingen kann.

Für Kinder gibt es neben einem eigenen Kinderhort verschiedenste Aktivitäten wie Schminken, diverse Spiele, ein Riesenrad, eine Kletterwand, Kasperltheater usw. Aber auch Erwachsene können kostenlos Billard, Bowling oder Mini-Golf spielen.

Auf mehreren großen und kleinen Bühnen treten politische Bands, Chöre, Theatergruppen und andere Künstler auf, in zwei Kinos laufen aktuelle und ältere politische Filme. Über das riesige Gelände sind dutzende Stände mit den verschiedensten kulinarischen Spezialitäten aus allen Teilen der Welt verteilt.

Besonders an diesem Fest ist, dass es vollständig von AktivistInnen von Lutte Ouvrière organisiert und getragen wird. Es gibt keine kommerziellen Stände, sondern jede Attraktion wird vollständig von Gruppen von Lutte Ouvrière oder ihren Schwersternorganisationen organisiert, von der Schmiede im Mittelalterdorf bis zum Zuckerwattestand. Die Schwesternorganisationen von Lutte Ouvrière hatten über das ganze Gelände verteilt sowohl politische Stände, als auch kulinarische Spezialitäten aus ihren Herkunftsländern. So war es möglich mit den GenossInnen von „Workers Fight“ aus den USA bei Chili con Carne über ihre Arbeit bei Ford in Detroit zu sprechen oder bei karibischen Cocktails mit führenden AktivistInnen des Generalstreiks auf Guadeloupe zu diskutieren. Auch viele GenossInnen aus dutzenden französischen Industriebetrieben führten Essens- oder Getränkestände, die kämpferischen AktivistInnen von Conti beispielsweise (die zuletzt beachtliche Erfolge in einem radikalen Arbeitskampf erreicht hatten) betrieben einen Crêpes-Stand. So konnte der Volksfestcharakter mit der Nähe zu radikalen AktivistInnen und politischen Diskussionen verbunden werden.

Hervorgehoben werden muss auch, dass das Fest von einer überhaus solidarischen und freundlichen Stimmung geprägt ist. Trotz zehntausenden BesucherInnen gibt es kaum besoffene Pöbeleien oder aggressive Auseinandersetzungen, wie man/frau es von anderen Volksfesten kennt.

Für Revolution…

In der „politischen Stadt“ haben andere linke Organisationen die Möglichkeit, eigene Infostände aufzubauen und an zwei Podien eigene Veranstaltungen zu organisieren. Am Festgelände gibt es mehrere große Veranstaltungszelte an denen politische Veranstaltungen und Diskussionen stattfinden. AktivistInnen der RSO haben sich an einer Diskussion zu den erfolgreich gegen Lohnkürzungen, Kündigungen und Kurzarbeit geführten Kämpfen in der französischen Automobilindustrie beteiligt und den kämpferischen GenossInnen ihre Solidarität und ihre Vorbildwirkung für die ArbeiterInnen in der Automobilindustrie im deutschsprachigen Raum ausgedrückt.

Anschließend wohnten wir der Veranstaltung mit Nathalie Arthaud bei, die kürzlich Arlette Laguiller als Sprecherin von LO abgelöst hat und eine kämpferische Rede für ein Europa der ArbeiterInnen ohne Ausbeutung hielt. Danach sangen tausende BesucherInnen der Veranstaltung gemeinsam in verschiedenen Sprachen die „Internationale“.

Einer der politischen Höhepunkte des Festes war eine Veranstaltung mit GenossInnen der trotzkistischen Organisation Combat Ouvrier von den französischen Antillen, die unter tosendem Applaus über die Generalstreiks auf Guadeloupe und Martinique und ihre Arbeit darin berichteten. Auf Guadeloupe sind Kämpfe für niedrigere Preise und höhere Löhne bis an die Grenzen des Systems gestoßen, die eng mit der Bevölkerung verknüpften Streikkomitees haben weite Teile des öffentlichen Lebens kontrolliert und sind zu einer realen Konkurrenz zur bürgerlichen Regierung geworden. Es wurden 200 Euro Lohnerhöhung und eine Senkung der Preise für dutzende Warengruppen erreicht, viel wichtiger ist aber, dass die dortige ArbeiterInnenklasse gelernt hat, dass sie es selbst in den Händen hat, Verbesserungen zu erkämpfen.

…und Internationalismus!

AktivistInnen der RSO haben das Fest genutzt um an politischen Veranstaltungen teilzunehmen und mit GenossInnen aus anderen Ländern zu diskutieren. Gerade in Zeiten der Krise ist es für uns als Organisation, die im deutschsprachigen Raum aktiv ist, sehr wichtig, einen internationalistischen Horizont zu haben und Entwicklungen in anderen Ländern und auf anderen Kontinenten, die sich dort mitunter deutlich schneller vollziehen können, mitzuverfolgen und mit dort aktiven GenossInnen zu diskutieren. Schließlich haben wir – im Gegensatz zu anderen Linken – nie behauptet, dass wir „die“ revolutionäre Organisation sind. Wir wollen unsere Differenzen mit anderen Organisationen nicht verwischen oder totschweigen, aber wir wissen auch, dass wir von GenossInnen mit revolutionärem Anspruch in anderen Ländern/Kontinenten auch viele Dinge lernen können.

Und so haben wir die Möglichkeit genutzt und mit GenossInnen aus den USA, Lateinamerika, Frankreich, der Türkei und Griechenland diskutiert, befreundete Organisationen getroffen und uns über unsere Arbeit ausgetauscht.

Schließlich sind wir sind mit neuen Erfahrungen und Informationen, neuen Kontakten und neuer Motivation vom Fest zurückgekehrt. Es war wieder einmal schön zu sehen, dass wir nicht alleine sind, dass auf der ganzen Welt Menschen für dasselbe Ziel kämpfen wie wir, Klassenkämpfe in anderen Ländern weiter fortgeschritten sind und die ArbeiterInnenklasse in manchen Ländern auch in die Offensive geht. Diese Erfahrungen und Motivationen werden wir in unseren Organisationsaufbau in Österreich, der Schweiz und Deutschland einbringen.

 

Fotos vom Fest