Österreich: (A)Sozialbericht 2007-2008

Kein Schriftstück bringt die Widersprüche in Österreich so deutlich ans Licht wie der Sozialbericht. Er zeigt mit nackten Zahlen, dass sich an der Kluft zwischen Arm und Reich nichts ändert und die sozialen Missstände sich weiter verschärfen. Es ist nur noch die Frage, wie schlimm es inzwischen ist.

Es ist eine allgemeine Weisheit, dass die Reichen immer reicher, die Armen immer ärmer werden. Zwei neue Berichte untermauern das aber mit Zahlen. Der Armuts- und Reichtumsbericht der Österreichischen Gesellschaft für Politikberatung und Politikentwicklung sowie der Sozialbericht des Sozialministeriums. Laut Sozialbericht geht die Schere zwischen Kapital und Arbeit seit Mitte der Neunziger jährlich um 3% auseinander, da die Einkommen aus Gewinn und Besitz um 5.8% stiegen während Löhne und Gehälter lediglich um 2.8% stiegen. Solange diese Entwicklung nicht umgekehrt wird, werden die ohnehin schon alarmierenden Armutszahlen weiter steigen – bei gleichzeitigem Anstieg des Vermögens der Reichen.

Armut: ein Massenphänomen

Armutsgefährdung wird in Österreich nach einer Befragung der Statistik Austria festgelegt und beinhaltet alle Menschen die sich nicht leisten können, die Wohnung warm zu halten und regelmäßige Zahlungen rechtzeitig zu begleichen und für die unerwartete Reparaturen, neue Kleidung, angemessene Ernährung, Arzt- oder Zahnarzt-Besuche mit Selbstbehalten sowie das Einladen von FreundInnen zum Essen ein Problem darstellen. Diese Armutsgefährdung wird bei ca. 900,- monatlich angelegt (bei Einzelhaushalten, für jede weitere Person werden ca. 450,- gerechnet), das sind 60% des Durchschnittseinkommens und betrifft damit 12.6% der Bevölkerung in einem der reichsten Länder der Welt. Dabei sind 250.000 Kinder betroffen. Manifest arm, also mit wenig Chancen, aus dieser Situation zu entfliehen, sind 400.000 Menschen bzw. 5% der Bevölkerung.

Besonders betroffen von Armut sind Frauen. Alleinerzieherinnen oder Frauen, die eine sehr geringe Pension beziehen, sind hier vor allem zu nennen. Ein großes Problem dabei ist Teilzeitarbeit, die nur geringe Löhne und später Pensionen bringt. Und die Teilzeitquote liegt bei Frauen bei über 40% (Tendenz steigend), bei Männern steht sie bei 6.5%. Das ist natürlich ein Hinweis darauf, dass der Großteil der unbezahlten Arbeit von Frauen getätigt wird. Besonders deutlich wird die diesbezügliche Positionierung des Staates bei den Aufwendungen für „Familien und Kinder“, da sticht eine beabsichtigte Belastung der Frauen ins Auge: Es werden ca. 60% der „Familienleistungen“ für Kinderabsetzbetrag und Familienbeihilfe aufgewendet, während nur 19% für Betreuungseinrichtungen verwendet werden. Was „im Vergleich mit anderen EU-Staaten noch immer ziemlich gering” ist. Und sicher nicht dafür sorgt, dass Frauen endlich etwas weiter vom Herd weg kommen.

Wie wichtig Sozialleistungen (incl. Pensionen) sind, um die Armut zu bekämpfen, zeigt die Tatsache, dass ohne diese Leistungen 43% der Bevölkerung unter der Gefährdungsgrenze liegen würden. Insgesamt ermöglichen die Sozialleistungen für 2.5 Millionen ein Leben über der Gefährdungsschwelle. Was passiert, wenn Sozialleistungen weiterhin gekürzt werden lässt sich daraus leicht ableiten.

Es geht aber genau in diese Richtung. Massenentlassungen und Kurzarbeit verkünden die Schlagzeilen. Doch die Ausgaben für Arbeitslose sinken: Während die Arbeitslosenzahlen alle Rekorde schlagen, stiegen die Ausgaben für Arbeitslosengeld seit 1995 um nur 11%, dafür wurden die Kosten für AMS-Maßnahmen im gleichen Zeitraum um über 250% erhöht. Was offenbar wenig Wirkung zeigt, außer dass Arbeitslose immer stärker schikaniert werden und die so geschönten Arbeitslosenstatistiken dem EU-Vergleich standhalten.

Kein Armutsproblem, ein Verteilungsproblem!

Besonders krass ist die Vermögensverteilung: „Das oberste Promille besitzt über 8% des gesamten österreichischen Geldvermögens. Dem gegenüber steht die gesamte untere Hälfte der Haushalte, die ebenfalls 8% des gesamten Geldvermögens auf sich vereinen" Laut einer Erhebung der Nationalbank besitzt der (!) reichste Haushalt mehr Vermögen als die 29 untersten Prozent. Leider gibt es keine Namensangaben, sonst ließen sich manche Armutsproblem recht einfach lösen.

Doch ist durchaus bekannt, wo das Geld sitzt: Laut Wirtschaftsmagazin „trend“ besitzt der reichste Einwohner des Landes, der deutsche Industrielle Friedrich Karl Flick, 6,5 Milliarden Euro. Ihm folgt Hans Adam Liechtenstein mit 3,5 Milliarden Euro, danach kommt Billa-Gründer Karl Wlaschek mit 3,4 Milliarden. Auf Platz vier rangiert Kaufhauserbin Heidi Horten mit 3,3 Milliarden, gefolgt von den Familien Porsche & Piech, Porsche mit 3,1 Milliarden und Maria-Elisabeh Schaefler und Familie mit 2,1 Mrd. Euro sowie Red-Bull-Boss Mateschitz 2,1 Milliarden (die Zeitschrift „Forbes“ sieht ihn bei 3 Milliarden). Allein die reichsten zehn Familien des Landes kommen auf runde 30 Milliarden Euro.

Die Politik ist übrigens lagerübergreifend vertreten: der freiheitliche Papierindustrielle Thomas Prinzhorn und ehemalige dritte Nationalratspräsident besitzt rund eine Milliarde, Ex-ÖVP-Wirtschaftsminister Martin Bartenstein und der frühere SPÖ-Finanzminister Hannes Androsch bewegen sich im dreistelligen Millionenbereich.

Und wer reich ist, soll aber auch reich bleiben. Denn diese Entwicklung wird von den Herren (und Damen) der hohen Politik gefördert. Der Lohnanteil an der Finanzierung der öffentlichen Haushalte steigt, während die Abgaben der Bosse und Reichen kontinuierlich sinken.

Lesen … und handeln!

Solche Berichte sind manchmal trocken. Doch der Inhalt hat es in sich. Und diese Berichte fördern durchaus die Aggression der Wirtschaft und ihrer Politik gegenüber. Aber dafür steigt auch die Lust nach Revolte. In diesem Sinn: es liegt an uns, mitzuhelfen, dass endlich einmal einer dieser Berichte anders ausfällt!

Armuts- und Reichtumsbericht der Österreichischen Gesellschaft für Politikberatung und Politikentwicklung 2008

Sozialbericht des Sozialministeriums 2007-2008