WKR-Ball in Wien: Antifa – und dann?

Heute findet in der Wiener Hofburg der 56. Ball des Wiener Korporations-Rings (WKR) statt – der Ball jener Dachorganisation deutschnationaler Burschenschaften wie der Olympia, der Teutonia oder der Cimbria. AktivistInnen der RSO beteiligen sich an den Protesten dagegen und werden auf der Demo folgendes Flugblatt verteilen…

AntiFa – und dann?

Den Nazis und RassistInnen die Straße streitig machen, sie nicht ungestört lassen bei ihren Aufmärschen, Veranstaltungen, Konzerten, Aktionen … das ist eine wichtige Aufgabe für AntifaschistInnen. Aber … kann das alles sein?

Es lohnt sich, zu Beginn den Aufstieg des Faschismus kurz nachzuzeichnen. Es waren nicht "die Deutschen" oder "die Österreicher", die den Nazis auf den Leim gingen. Entgegen der Lügen von der "Kollektivschuld" lässt sich anhand der Wahlergebnisse der Weimarer Republik in Deutschland bzw. der 1. Republik in Österreich klar verfolgen, wer die Basis des NS-Regimes war.

Die ArbeiterInnenparteien konnten bei den freien Wahlen zwischen 1919 und 1930 (Österreich) bzw. 1932 (Deutschland) ihre Stimmenanteile im Wesentlichen halten – wer sich im Gegensatz dazu de facto in die NSDAP auflöste, waren die bürgerlichen und deutschnationalen Parteien (in Österreich gab es zuvor bis 1938 noch die katholische Variante des Faschismus). Das Großkapital und seine Parteien hatten auf den Faschismus als den härtesten und erbittertsten Feind der ArbeiterInnenklasse gesetzt – aus Angst vor der sozialistischen Revolution.

Natürlich gab es auch genügend ArbeiterInnen, die mit den Nazis sympathisierten oder aktiv daran teilnahmen. Doch war der Faschismus niemals ein Phänomen der ArbeiterInnenklasse. Wer also – wie es etwa die Strömung der sogenannten Antideutschen tut – "die Deutschen" für den Faschismus verantwortlich macht, erzählt nicht nur die historische Unwahrheit, sondern ist auch zynisch und ignorant gegenüber dem Widerstand der ArbeiterInnenbewegung gegen den Faschismus.

Rechtsextreme Eliten

Durchaus passend dazu ist auch die heutige Demonstration. Denn die studierenden Burschenschafter der rechtsextremen und faschistischen Korporationen und die akademischen „Alten Herrn“ repräsentieren eine gesellschaftliche Elite, die über die FPÖ ihre Propaganda weit in der Bevölkerung verbreiten kann. In der parlamentarischen Fraktion der FPÖ sind Burschenschafter stark vertreten, der Wiener Gemeinderatsklub der FPÖ wird dominiert von ihnen. Allein die führende Nazi-Burschenschaft des deutschsprachigen Raums, die in der Wiener Gumpendorferstraße 149 beheimatete Olympia, stellt mit Martin Graf nicht nur den dritten Nationalratspräsidenten, sondern mit Harald Stefan auch einen zweiten Abgeordneten und noch weitere Funktionsträger der FPÖ.

SPÖ und Grüne spielen mit

Allerdings wissen sie genau, welche Positionen sie präsentieren können und welche nicht. Und so windet sich Martin Graf, wenn es um Distanzierungen vom NS-Terror geht. Das Problem sind weit eher die weit verbreiteten rassistischen Vorurteile, wo FPÖ und BZÖ punkten können. In Österreich wählten in manchen Wahlen bereits knapp 30% die FPÖ, rund die Hälfte der Bevölkerung gibt in Umfragen offen rassistische Vorurteile zu Protokoll. Die SPÖ spielt munter mit, erst vor wenigen Tagen haben die SPÖ-Landeshauptleute sich geweigert, die Möglichkeit wahrzunehmen, künftig selbst als darüber zu entscheiden, welche Flüchtlinge aus humanitären Gründen im Land bleiben dürfen. Und die Grünen sind mit der Industriellenvereinigung im Einklang und sprechen sich für Zuzugsbeschränkungen im Sinne der Wirtschaft aus (im vollen Bewusstsein, dass jede Beschränkung immer Abschiebungen bedeuten muss). Es geht also weder um ein paar dumme Nazi-Glatzköpfe noch um die politisch (weitaus gefährlicheren, weil besser verankerten) Burschenschaften. Es geht um eine gesellschaftliche Situation und es geht um die Frage, wie wir dieser Situation und der rassistischen Stimmung am besten begegnen. Antifa-Streetwar mag persönlich befriedigend sein. Eine politische Antwort ist es nicht.

Antifaschismus muss antikapitalistisch sein

AntiFa ist ein wichtiges Thema und sehr viele junge Menschen politisieren sich darüber. Eine der beiden Vorläuferorganisationen der RSO, die AL-Antifaschistische Linke hat zwischen 2000 und 2006 fast alle wichtigen AntiFa-Mobilisierungen in Wien führend mitgetragen bzw. war für sie verantwortlich. Wir haben das immer mit einer antikapitalistischen Orientierung verbunden. Wir müssen uns aber auch fragen, an wen wir unseren Antikapitalimus adressieren.

Im Gegensatz zu den 20er Jahren wählen heute auch sehr viele ArbeiterInnen rechts. Ihr Ärger und ihre Wut über die Politik der letzten Jahre sind aber mehr als berechtigt. Mit humanistischen Appellen werden wir wenige überzeugen. Wir brauchen eine fassbare und realistische Alternative zur rassistischen Hetze. Wir müssen erklären, wer von Schandlöhnen und überhöhten Mieten für MigrantInnen profitiert, wir müssen erklären, dass niedrige Löhne und hohe Mieten für Einzelne Lohndruck und Mietdruck für alle arbeitenden Menschen bedeuten. Es gibt keine "linke" Partei, die den Ärger auffängt und der Hetze der Rechtsextremen eine internationalistische und antikapitalistische Perspektive entgegensetzt.

Wer A sagt …

Im Gegenteil: viele AntifaschistInnen glauben heute, dass es eine möglichst breite Front gegen die Nazis geben muss und gehen dann gemeinsam mit demselben neoliberalen Establishment auf die Straße, das für die sozialen Angriffe verantwortlich ist. Die einzigen, die von einem solchen „Antifaschismus“ profitieren, sind die Rechtsextremen, die sich von einer solchen „Volksfront“ gut abgrenzen können. Unsere Antwort hingegen ist untrennbar antifaschistisch, antikapitalistisch und systemüberwindend. Für uns gelten weiter die Worte der Rockgruppe Schmetterlinge: „Wer A sagt und nicht B sagt, wie sagen wir zu dem? Wir sagen, dieser A-Sager, der macht sich´s sehr bequem. Wer zum Faschismus Nein sagt und Ja zum Kapital, das der das nur zum Schein sagt, ist ein klarer Fall.“

Eine Perspektive jenseits des Kapitalismus

Wir als AntikapitalistInnen, als RevolutionärInnen, wir brauchen die Lohnabhängigen, die ArbeiterInnenklasse – denn die ArbeiterInnenklasse, das sind diejenigen, die die Gesellschaft am Funktionieren halten, aber auch zum Erliegen bringen können. Das ist ganz einfach: wenn SchülerInnen oder Studierende streiken, ist das gut, stört aber das Funktionieren des Staates wenig bis gar nicht. Wenn aber die großen Werke der Privatindustrie still stehen, kostet das die KapitalistInnen Millionen. Wenn die ÖBB, die Post und die Energie-Betriebe streiken, ist Schluss mit lustig. Wir werden also versuchen müssen, dort anzusetzen, wo wir den KapitalistInnen wirklich ans Bein pinkeln können.

Und in sozialen Kämpfen zeigt sich für die KollegInnen auch sehr schnell, wo ihre wahren Verbündeten sind: FPÖ und BZÖ werden sich schnell abwenden. Auf der anderen Seite stehen in solchen Kämpfen KollegInnen verschiedener Herkunft gemeinsam für ihre Rechte ein und gehen gemeinsam auf die Straße. Und die Aufgabe von RevolutionärInnen wird sein, diese Kämpfe zu unterstützen und ihnen eine systemüberwindende, revolutionäre und sozialistische Perspektive zu geben.

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