Wir veröffentlichen hier ein Flugblatt der griechischen trotzkistischen Organisation OKDE / Ergatiki Pali, das bei den Demonstrationen der letzten Woche in Athen, Thessaloniki und anderen Städten verteilt wurde. Anders als die stalinistische KKE und einige andere „marxistische“ Gruppen, die die „Ausschreitungen“ verurteilen und die beteiligten AktivistInnen als „Polizeiprovokateure“ diffamieren, verteidigt die OKDE die Jugendproteste gegen den Staat und propagiert eine Verbindung mit dem Klassenkampf der Lohnabhängigen.
Alle auf die Straße! ArbeiterInnen und Jugendliche!
Besetzungen, allgemeiner Widerstand und politischer Streik!
Für den Sturz der Mörder-Regierung!
Die Welle der Wut schwappte über angesichts der brutalen Ermordung des 16-jährigen Jungen. „Alexis war einer von uns“, erklären tausende Jugendliche gegen ein Regime, das ihr Leben einsperrt. Den ArbeiterInnen enthüllt sich die Sackgasse der Regierungen. Das Verlangen, einen Weg aus der Krise zu finden, steigt und ein Weg, um in die Entwicklungen auf eine massenhafte und kämpferische Weise zu intervenieren, wird gesucht.
Schluss mit dem Hooliganismus des Repressionsapparates!
Die Ermordung des 16-jährigen Jungen war kein isolierter Unfall als Folge von „verlorener Beherrschung“, „Übereifer“ oder „unzureichendem Training“. Die provokanten Ausreden des Spezialpolizisten und seines Anwaltes zeigen, dass die Polizei und der Repressionsapparat außer Kontrolle sind. DemonstrantInnen wird der Schädel eingeschlagen und die Schuldigen gehen straffrei. Polizisten sind in Schmuggel und Drogendeals verwickelt und gleichzeitig erniedrigen, foltern und ermorden sie MigrantInnen. Fanatische Einheiten verwenden Tränengas, treiben „terroristische“ StudentInnen auseinander, treten am Boden Liegende und sperren ein, wenn sie gerade Lust haben. Spezialeinheiten und Polizisten auf Motorrädern hantieren mit ihren Pistolen und schießen. Minderjährige Jungen und Mädchen werden inhaftiert, weil sie angeblich „kriminelle Banden gebildet“ haben sollen. Minister für Öffentliche Ordnung feiern die MAT-Spezialpolizei als “Prätorianer” und sagen ihnen: “Ihr seid der Staat.” (Mitsotakis, ehemaliger konservativer Premier, Anm. RSO).
Sie sind es, die hunderte kämpferische AktivistInnen vor Gericht zerren und proklamieren, dass Streiks “illegal und unzulässig” sind. Sie sind es, die für die Verschleppung der Pakistanis ebenso verantwortlich sind wie für den Abhörskandal. Die Spezialeinheiten der Polizei sind bis an die Zähne bewaffnet und in Schlägerbanden verwandelt, während die Regierung nun auch privaten Sicherheitskräften das Tragen von Waffen erlaubt.
Geld für die Banken, Armut und Kugeln für die ArbeiterInnen und die Jugendlichen!
Karamanlis (Regierungschef, Anm. RSO) hat nicht einmal eine Entschuldigung für den toten Jungen oder für die Sackgasse, in die die Politik seiner Regierung geführt hat, gemurmelt. Er spricht wie ein kleiner Götze und verlangt von den ArbeiterInnen und Jugendlichen, dass sie sich zuhause einsperren und vor Angst zittern. Die Anstrengungen der Regierung, die Versammlungen und Demonstrationen am 10. Dezember abzusagen, zeigen ihre gefährliche Politik: auf die Situation mit einer Aufhebung der demokratischen Rechte und einer Stärkung der Repression zu antworten.
Es sind dieselben Leute, die tief in der Korruption feststecken: der Siemens- und der Vatopedi-Skandal, die Sache mit den Anleihen, die reichen Freunde der Regierung, die alles verprassen. Während „kein Geld da“ ist für Löhne und öffentliche Ausgaben, schenkt die Regierung den Bankern Milliarden Euro. Sie verkaufen, was noch übrig ist (Olympic Airlines, Häfen, Eisenbahn etc.), drängen die sozialen Sicherungssysteme in den Bankrott, bringen die Gesundheits- und Bildungssysteme an den Rand des Kollapss und setzen die Flexibilisierung und Aufbrechung der Arbeitsverhältnisse fort. All das führte zur Entstehung der so genannten „700-Euro-Generation“, die von den Medien erst kürzlich entdeckt und heuchlerisch bedauert wurde. All das forcierte Arbeitslosigkeit, Unsicherheit und Verzweiflung, was – wie nun von allen eingestanden wird – der Hintergrund für die aktuelle Situation ist
Die Haltung der Bewegung gegenüber den “Zusammenstößen” und den “Zerstörungen”
In jeder großen sozialen Krise wie der gegenwärtigen gibt es “unkontrollierbare” Phänomene (wie jene, die wir in den Vororten von Paris sahen). Die Regierung, all die offiziellen Parteien und die Medien legen den Schwerpunkt auf die „Zusammenstöße“, um den Inhalt zu verstecken, die reaktionärsten Reflexe zu mobilisieren und den Weg für eine Verstärkung der Repression zu öffnen.
Die ArbeiterInnen- und Jugendbewegung sollte sich vor dem Aufschrei bürgerlicher Rechtmäßigkeit nicht beugen. Diejenigen, die die ArbeiterInnen und Jugendlichen zerstören, haben nicht das Recht über „Zerstörungen“ zu sprechen. Diejenigen, die den Banken 28 Milliarden Euro schenken, die tatsächlich die Löhne und Gehälter, die Arbeitsverhältnisse, das öffentliche Vermögen und die öffentlichen Ausgaben plündern, haben nicht das Recht über „Plünderungen“ zu sprechen. Schluss mit ihrer Heuchelei, dass der arme Teufel von MigrantIn, der/die Jugendliche am Rande der Gesellschaft, der/die arme ArbeiterIn oder RentnerIn, der/die Hand an das, was ihr der „freie Markt“ vorenthält, legte, zu verurteilen ist. Wehe euch, ihr Pharisäer!
Die Ausweitung der Zusammenstöße zeigt die Tiefe der sozialen Krise, die die Medien hinter provokativen Gerüchten von “unherziehenden Anarchisten“ und „unpatriotischen Zellen“ verstecken möchten. Blinde Zusammenstöße bieten allerdings keinen Ausweg, trotz der legitimen Wut auf die Polizei. Die ArbeiterInnen- und Jugendbewegung sollte ihre eigene Antwort geben: Sich nicht auf die Seite des Aufschreies stellen, der eine „Verurteilung der Zusammenstöße“ und „Ordnung und Sicherheit“ verlangt. Den Weg bahnen mit einer eigenen massiven Bewegung, eigenen Kampfformen und eigenen Forderungen. Den Charakter ihrer Mobilisierungen schützen, die nicht ein blinder Ausbruch sein können. Massive Selbstverteidigung gegen Polizeigewalt und Repression organisieren.
Genug mit den Parteien des Betruges und den Bütteln der Regierung!
Die offizielle politische Szene hat gezeigt, wie verrottet sie ist. PASOK macht nichts außer nach Neuwahlen zu verlangen, weil sie an die Regierung wollen. LAOS (eine kleine rechtskonservative bis rechtsextreme Partei, Anm. RSO) wurde zur inoffiziellen Sprecherin der rechtsextremen Schlägerbanden der “Chrysi Avgi”. Die KKE hat sich, statt die Ursachen der Krise aufzuzeigen und sich gegen die Regierung zu stellen, auf ihre Seite begeben: Sie spricht endlos über „Provokateure“, attackiert die Organisationen der antikapitalistischen Linken, die Kämpfenden und SYRIZA (ein linksreformistisch dominiertes Wahlbündnis, in der auch einige linksradikale Gruppen mitarbeiten) unter der Gürtellinie, verwendet dabei völlig reaktionäre Argumente und schwächt so die Front der ArbeiterInnen und Jugendlichen gegen die Regierung. Die Gewerkschaftsbürokratie macht nicht nur nichts, um die Antwort der ArbeiterInnen zu organisieren, sondern beugt sich auch der Regierung und den parlamentarischen Spielen, wie die Absage der Streikdemonstration des 10. Dezember zeigte. Diese Entscheidung wurde auch von SYRIZA unterstützt, eine Tatsache, die die Grenzen ihrer Politik zeigt.
Die einzige Lösung liegt in Massenkämpfen für den Sturz der Regierung
Wir sind an einem entscheidenden Punkt angelangt. Für die griechische Bevölkerung kann es nur einen Ausweg geben und das muss der Sturz der Regierung sein. Dabei muss die Bewegung nun zu diesem entscheidenden Augenblick die Antwort vorgeben. Sie darf nicht den Fehler begehen und der Regierung die Zeit geben, die sie braucht, um sich wieder neu aufzustellen. Sie darf dieser oder der darauf folgen Regierung nicht die Möglichkeit geben mit der Politik fortzufahren, die zur jetzigen Situation führte. Wenn dies doch geschieht, wird die Regierung jeden Versuch unternehmen ihre Repression zu verstärken. Dabei werden die „vermummten Jugendlichen" den nötigen Vorwand liefern, um demokratische Rechte abzubauen und linke Gruppen anzugreifen.
Die ArbeiterInnenbewegung darf diesen Gegenangriff der Regierung nicht zulassen. Der einzige Ausweg liegt im Sturz derselbigen durch eine Massenbewegung. Wir müssen darum kämpfen, dass es in jeder Schule und jeder Universität zu Besetzungen kommt, die als organisatorische Zentren genutzt werden und auch der Verbreiterung der Bewegung dienen sollen. Ebenfalls sollten Aktionskomitees von SchülerInnen, StudentInnen und ArbeiterInnen ins Leben gerufen werden.
Am Arbeitsplatz braucht es Diskussionen, die sowohl die Gründe der Krise betreffen, aber auch die Notwendigkeit weiterer Kämpfe und Interventionen betonen, um die Karamanlis-Regierung endlich loszuwerden. Wir müssen den Gewerkschaften Dampf machen, eine Hauptversammlung einfordern und Vorbereitungen für Streiks treffen. Die Forderung muss lauten: Ein politischer Generalstreik jetzt. Nieder mit der Regierung der Mörder, der Armut und der Arbeitslosigkeit! Dies ebnet den Weg, um den Forderungen der ArbeiterInnen und der Jugend nachzukommen und um vor weiteren Angriffen der Regierung und der Bourgeoise geschützt zu sein.
Nieder mit der Regierung der Mörder und ihrer Politik
- Pavlopoulos und Chinofotis (Innenminister und Vize-Innenminister, Anm. RSO) müssen zurücktreten. Sofortiger und exemplarische Bestrafung der Schuldigen.
- Sofortige Abrüstung der Polizei. Keine Repressionskräfte auf den Demos. Die MAT und die Spezialeinheiten müssen aufgelöst werden.
- Freiheit für alle Inhaftierten.
- Zuspitzung des Kampfes für soziale und politische Rechte der ArbeiterInnen und der Jugend. Die Krise muss vom Kapital bezahlt werden.
Organisation der Kommunistischen InternationalistInnen Griechenlands (OKDE), Ergatiki Pali
Übersetzung aus dem Englischen: Reza Gilani und Eric Wegner (RSO Wien)