In den Jahren 1939 bis 1942 wurden vom ehemaligen Aspangbahnhof in Wien zehntausende österreichsiche Juden in Vernichtungslager transportiert und kehrten nicht mehr zurück. Wir rufen auf zur Kundgebung "NIEMALS VERGESSEN!" am 9.11. um 11:00 Uhr.
NIEMALS VERGESSEN!
Mahnwache und Kundgebung
Sonntag, 9. November 2008, 11 Uhr
Gedenkstein vor dem ehemailigen Aspangbahnhof (1030 Wien, Platz der Opfer der Deportationen)
Niemals Vergessen!
Nie wieder Faschismus! Gegen die rechten Blender und Verführer!
Zu dieser Kundgebung rufen auf:
Abg. z. NR Karl Öllinger; Alternative und Grüne GewerkschafterInnen (AUGE/UG); Bund sozialdemokratischer Freiheitskämpfer, Opfer des Faschismus und aktiver Antifaschisten; Deserteurs- und Flüchtlingsberatung; Die Bunte Zeitung; Dieter Schrage – Die Grünen SeniorInnen; Föderation der ArbeiterInnen Syndikate (FAS); Gedenkdienst; Gewerkschaftlicher Linksblock (GLB); Infoladen Wels; Initiative Aspangbahnhof; Kommunistische Partei Österreichs – Wien (KPÖ-Wien); Pierre Ramus Gesellschaft; Redaktion "Akin"; Revolutionär Sozialistische Organisation (RSO); Romano Centro – Verein für Roma; Service Civil International (SCI); Sozialistische Jugend Wien (SJ-Wien); Sozialistische LinksPartei (SLP); Unabhängiges Antifaschistisches Personenkommitee Burgenland; ZARA – Zivilcourage und Anti-Rassismus-Arbeit
Woran gedenken wir am 9. November?
Schon in der Nacht vom 11. zum 12.März 1938, also anläßlich des Einmarsches der deutschen Wehrmacht in Österreich begannen Ausschreitungen gegen JüdInnen in Österreich. Viele wurden von SA- und HJ- Leuten wie von "einfachen" Parteimitgliedern, welche sich Hakenkreuzbinden und Orden anhefteten um sich als Autoritäten aufzuspielen, verhaftet, geschlagen und öffentlich gedemütigt. Fensterscheiben wurden eingeschlagen. Juden und Jüdinnen wurden gezwungen die Parolen, welche Schuschnigg[1]-Anhänger am Vorabend des "Anschlusses" auf Wände und Gesteige geschrieben haben mit Reib- und Zahnbürsten wegzuwaschen. Wiewohl manche der Schaulustigen ihre Bekannten und Freunde unter den Gedemütigten erkannt haben müssen, hat niemand den Mut aufgebracht zu protestieren, was zu diesem Zeitpunkt sowohl möglich als auch sinnvoll hätte sein können. Mit diesen Erniedrigungen begann die systematische Diskriminierung der österreichischen JüdInnen. Umso heftiger als im "Altreich", weil in Österreich die Entwicklung, die in Deutschland 5 Jahre gedauert hatte in kürzerster Zeit über die Betroffenen hereingeborchen ist.
Etwa 200 000 ÖsterreicherInnen wurden nach den "Nürnberger Rassengesetzen" zu Juden erklärt, wobei etwa 130 000 von ihnen tatsächlich der jüdischen Religion angehörten. Die Nazis begannen mit Berufsverboten und Ausbildungsbeschränkungen, Juden und Jüdinnen wurden in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt. Das erste Ziele war es, die jüdischen Bevölkerung aus dem öffentlichen Leben zu drängen. Dann sollte ihr die wirtschaftliche Lebensgrundlage entzogen und nicht zuletzt: ob Arm, ob Reich, ihres gesamtes Vermögen gestohlen werden und zumindest nach Willen der Nazi-Granden in die Kassen des "Dritten Reiches" fließen – wenngleich auch sich manch anderer dabei "bedient" hatte.
Adolf Eichmann, ein strebsamer österreichischer Biedermann im Dienste des Sicherheitsdienstes (SD) der SS, wurde nach Wien beordert, um die "Zentralstelle für jüdische Auswanderung" aufzubauen. "Auswanderung" sollte eine beschönigende Umschreibung für das Vorhaben der Nazis sein, möglichst viel Jüdinnen und Juden aus Österreich zu vertreiben. Doch davor sollte sichergestellt werden, dass diese nicht mehr als die notwendigesten Habseligkeiten mit sich nehmen konnten, der gesamte übrige Besitz wurde beschlagnahmt.
Trotz des stetig zunehmenden Terrors durch die Nazis konnten und wollten viele die Heimat nicht Hals über Kopf verlassen. Gerade auch älteren Menschen fiel das schwer.
Der 9. November 1938 – Die Bedeutung des Novemberpogroms
Die führenden Nazis hatten schon länger auf einen Anlass gewartet, die Judenverfolgung zu verschärfen. Sie brauchten aber noch einen Vorwand, mit dem sie diese v.a. auch gegenüber dem Ausland rechtfertigen konnten aber auch, um in der eigenen Bevölkerung die Akzeptanz dafür erhöhen zu können.
Der 17 Jährige Herschel Grynszpan schoss am 7.November in Paris als Protest gegen die Judenverfolgung auf den deutschen Diplomaten Ernst vom Rath. Anläßlich dessen späteren Todes organisierte Joseph Goebbels am 9.November 1938 eine reichsweite Aktion gegen die jüdische Bevölkerung, welche als "spontaner Ausbruch des Volkszorns" getarnt wurde.
Diese Aktion wurde beschönigend "Reichskristallnacht"[2] genannt und dauerte tatsächlich mehrer Tage und Nächte. Nun wurden weitere tausend jüdischen Wohnungen und Geschäfte geplündert, zerstört und "arisiert". 42 Synagogen und Bethäuser wurden in Brand gesteckt und verwüstet. Nicht nur in Wien, auch in den kleineren österreichischen Städten wie Innsbruck kam es zu blutigen Übergriffen. Geschätzte 60 Menschen starben in Österreich während und nach des Novemberpogroms an den Folgen der Mißhandlungen oder nahmen sich aus Verzweiflung selbst das Leben.
6547 Juden wurden in Wien im Zuge des Novemberpogroms verhaftet, 3700 davon ins KZ Dachau deportiert.
Zu allem Überfluß wurde die jüdische Bevölkerung dazu verpflichtet für alle Schäden des gegen sie gerichteten Pogroms aufzukommen!
Das Novemberpogrom war der entscheidende Schritt die begonnen Entrechtungs- und Beraubungsmaßnahmen gegen Juden und Jüdinnen zu vollenden. Es war aber auch eine Art „Testlauf“ der Nazis wieviel Judenverfolgung der Bevölkerung zuzutrauen sei, ohne dass es zu nenneswerten Widerstand dagegen kommt.
Der Aspangbahnhof
Mit dem deutschen Überfall auf Polen begann offiziell der 2.Weltkrieg in Europa. Zu diesem Zeitpunkt lebten noch etwa 70 000 Juden in Wien[3]. Dort lebten sie in Sammelwohnungen und -lager zusammengepfercht, unter schlechten Bedingung und schlecht versorgt. Sie wurden in Listen registriert und mußten einen gelben Davidstern tragen, wie auch die verbliebenen jüdischen Wohnungen mit einem solchen gekennzeichnet wurden, um den Behörden die Verfolgung bzw Aushebung für die folgenden Deportationen zu erleichtern.
Die ersten Deportationen sollten noch dem zumindest vorgeblichen Ziel dienen, deutsche bzw. österreichische Juden in einem "Judenreservat" in Polen anzusiedeln. Dieser Plan wurde aber nie verwirklicht.
Im Frühjahr 1941 forderte der nunmehrige Gauleiter von Wien Baldur von Schirach die Deportationen wieder aufzunehmen, um die verbliebenen jüdischen Wohnungen "freimachen" zu können. Juden und Jüdinnen wurden erfasst und registriert und in der Folge Deportationslisten[4] zusammengestellt.
Die Deportationen erfolgten vom Apangbahnhof. Diese wurden mit normalen Personenwaggons der 3.Klasse durchgeführt und "nur " von normaler Polizei bewacht, nicht der SS. Zum einen wollten die Nazis wohl die Illusion einer "Auswanderung" für die Betroffenen und die beobachtetende Bevölkerung aufrechterhalten, zum andern rechnet man nicht mit nenneswerten Widerstand durch die Betroffenen, weil viele der aus Wien Deportierten ältere Menschen bzw. Frauen waren. Die Opfer der ersten Deportationen im Jahr 1941 wurden auf die Ghettos im besetzten Rest-Polen aufgeteilt. Arbeitsfähige kamen meist in die Zwangsarbeitslager der SS. Die meisten dieser am Anfang 1941 Deportierten sollten im Frühjahr und Sommer 1942 "Auskämmaktionen" der SS zum Opfer fallen oder wurden zusammen mit den polnischen Jüdinnen und Juden in die Vernichtungslager gebracht. Tausende österreichische Juden und Jüdinnen wurden in Lagern wie Maly Trostinec massenhaft erschossen oder in Gaswagen umgebracht.
Später führten die Deportationszüge vom Aspangbahnhof in das Ghetto Theresienstadt in der Nähe von Prag, von wo aus die Züge Richtung Vernichtungslager Treblinka, Sobibor, Auschwitz bzw. Auschwitz/Birkenau… gingen, welche mittlerweile schon mit riesigen Gaskammern ausgestattet waren. Mit dem Zweck möglichst viele Menschen in möglichst kurzer Zeit und für die Mörder möglichst "schonend" umzubringen.
Auch die österreichischen Roma und Sinti („Zigeuner“) wurden unterdessen von der Kriminalpolizei bzw. Gestapo zu einem großen Teil im Sammellagern, v.a. im Lager Lackenbach/Burgenland, interniert. Die überwältigende Mehrheit von ihnen wurde letztlich im Vernichtungslager Kulmhof/Chelmo und v.a. Auschwitz/Birkenau ermordet.
Nach 40 großen und vielen kleineren Transporten aus Wien lebten von 200 000 österreichischen Jüdinnen und Juden 1945 noch etwa 5000 in Wien. Sogar noch in den letzten Tagen der Kämpfe um Wien verübte eine SS-Einheit ein Massaker an 9 hier verbliebenen Juden.
15 – 20 000 österreichische Juden, welche sich nach der Flucht v.a. in Richtung Tschechoslowakei, Belgien und Frankreich schon in Sicherheit geglaubt haben fielen nach der Eroberung dieser Länder durch die deutsche Wehrmacht ihren Mördern in die Hände.
6 Millionen europäische Juden und Jüdinnen sind der Shoa, auch "Holocaust" genannt zum Opfer gefallen, mindestens 65 500[5] davon stammten aus Österreich. Von den 11-12 000 österreichischen „Zigeunern“ wurden zwischen 1938 -1945 geschätzte 9500 ermordet werden, etwa 2000 haben die Deportationen überlebt. Zudem sind zigtausende "Erbkranke"(Behinderte), „Asoziale“, Zeugen Jehovas, ZwangsarbeiterInnen, Homosexuelle, Kriminelle und politische Gegner bzw. WiderstandskämpferInnen aus Österreich der Mordmaschinerie der Nazis zum Opfer gefallen.