–„The Slacker Uprising–“ – Michael Moores neuer Film

Der neue Film des bekannten amerikanischen Regisseurs Michael Moore erschien passend zur herannahenden Präsidentschaftswahl in den USA am 4. November. Er dokumentiert die maßgeblich von ihm organisierte „Slacker Uprising Tour 2004“ die in 20 Staaten Stopp machte und versuchte, die Menschen zum Wählen (für John Kerry) zu animieren. Stärker als sonst wird dabei seine politische Positionierung deutlich. Dabei offenbart sich so einiges Bedenkliches…

„The Slacker Uprising“ („Aufstand der Drückeberger“ – „Slacker“ steht für jemanden, der sich vorm Wählen drückt) wird bei uns nicht in den Kinos zu sehen sein, steht allerdings auf seiner Homepage zum Download zur Verfügung (allerdings nur für US-amerikanische und kanadische StaatsbürgerInnen). Das sagt auch schon einiges über Charakter und Stoßrichtung des Films aus: er versteht sich als politische Intervention in den jetzigen Wahlkampf. Er hat ein viel stärker dokumentatorisches Format als andere Moore-Filme und zeigt vor allem Bilder der besagten Tour. 

Ausgangspunkt des Films und der Tour stellen die Entwicklungen in den Wochen vor der Wahl dar. Zunächst war Kerry in Umfragen noch in Führung. Eine daraufhin injizierte Schmutzkampagne, auf die Kerry länger nicht antwortet, lässt Bush aufholen. Als Kerry dann noch zugibt, dass er auch dann für den Krieg gewesen wäre, selbst wenn er im Vorfeld gewusst hätte, dass es die Massenvernichtungswaffen gar nicht gibt, fällt er noch weiter zurück. Daraufhin haben verschiedene MusikerInnen und Bürgerinitiativen Kampagnen initiiert, um „John Kerry und die Demokraten vor sich selber zu retten.“ Erklärtes Ziel ist es, die Wiederwahl des amtierenden Präsidenten George W. Bush zu verhindern. Der Film zeigt die „Geschichte des gescheiterten Versuchs eines Filmemachers, die Dinge noch herum zu drehen.“ 

Die Ausmaße dieser Tour sind beeindruckend. In den 20 wahlentscheidenden Bundesstaaten besuchte Michael Moore in wenigen Wochen 60 Städte. Er spricht in Hallen (oft auf Universitäten) mit tausenden Menschen. Die größte Veranstaltung zählt 14.500 BesucherInnen. Sein Publikum spendet ihm in jeder Stadt wirklich lautstarken Beifall und jubelt ausgelassen; laufend gibt es Standing Ovations. Außer Moore sind noch einige bekannte Persönlichkeiten und MusikerInnen mit dabei: u.a. die Band REM, Tom Morello (Gitarrist der linken Band „Rage against the machine“), Viggo Mortensen (der Darsteller von Aragorn aus „Herr der Ringe“), Rosseane Barr (Hauptdarstellerin der Fernsehserie „Rosseane“) und die Band Anti-Flag. Die „Slacker Uprising Tour“ fand auch in den Medien ein entsprechendes Echo. 

Die Wahl, die Wahl und nochmals… die Wahl 

Das zentrale Ziel ist es, möglichst viele Leute zum Wählen zu animieren. Angesichts einer Wahlbeteiligung von ca. 50% ist das Potential davon offensichtlich. Es sollen jedoch nicht nur die BesucherInnen der Tour angesprochen werden, sondern diese sollen selbst freiwillig – als verantwortungsvolle BürgerInnen – aktiv werden und Kampagnen initiieren, Freunde und Bekannte anrufen…. Moore meint, dass „wir (!) so die Wahl gewinnen werden“. Mit diesem „wir“ meint er aber zunächst mal nicht direkt die Demokraten, sondern eher „We, the people.“ Den Bezug zu dieser Formulierung, dem Beginn der Unabhängigkeitserklärung der USA, die er als wunderschönes und brillantes Schriftstück bezeichnet, stellt er später dann auch selber direkt her. Der fast ausschließliche Fokus des Films auf die Wahl macht diesen nicht nur langatmig, sondern ist auch politisch äußerst unbefriedigend. Die Notwendigkeit, Wählen zu gehen wird gebetsmühlenartig den ganzen Film hindurch wiederholt. Bei einem Auftritt am Vorabend der Wahl meint Moore sogar, dass diese nächsten Stunden, bis zum Schließen der Wahllokale, die wichtigsten Stunden in „unserem" Leben sind – es gelte noch möglichst viele Menschen zum Wählen zu animieren. Sprechchöre – „One more day!“ – unterstreichen die Botschaft.

Moore fordert die Leute auf, zu wählen, sagt aber selten explizit dazu, dass sie Kerry wählen sollen. Dennoch ist völlig klar, worauf es letztlich hinausläuft. Diese Unterstützung für das „kleinere Übel“ ist jedoch nicht nur Illusionen in den bürgerlichen Staat und die bürgerliche Demokratie geschuldet, sondern auch Ausdruck der Beschränkungen durch das Mehrheitswahlrecht und des historisch gewachsenen Zwei-Parteien-Systems in den USA. Dadurch spitzt sich einerseits die Wahl viel stärker auf zwei Personen zu und andererseits wird der kontinuierliche Aufbau von dritten Parteien stark erschwert. Moore ist sich also zum Teil durchaus darüber bewusst, dass Kerry und die Demokraten nicht einfach super sind, aber um Bush abzuwählen, sieht er deren Unterstützung als legitimes und notwendiges Mittel an. Diese Tour ist letztlich zu großen Teilen zwangsweise eine – wenn auch nicht explizite – Jubelveranstaltung für die Demokraten. Und als ob dieser Punkt nicht schon politisch bedenklich genug wäre…

„Unsere ehrenhaften SoldatInnen“

Moore lässt seinen Nationalismus offen raushängen: US-Flaggen schmücken seine Bühnen und seine Kappen. Er redet davon, dass es gilt, „unser“ Land zurück zu gewinnen. Wirklich ungustiös wird es, wenn es zum Thema Irakkrieg kommt. Moore bedauert kein einziges Mal die irakischen Opfer des Krieges, kann aber nicht oft genug die heldenhaften und ehrenwerten US-SoldatInnen und was sie für „uns“ tun, hoch leben lassen. Diese seien für die Verteidigung des Wahlrechts gestorben, das jetzt in den USA mit Füßen getreten wird – dass der US-Imperialismus politische Bewegungen in diversen halbkolonialen Ländern niedergeschlagen und stattdessen Diktatoren eingesetzt hat, erwähnt er nicht. Und wenn er davon spricht, dass die SoldatInnen „uns“ verteidigen, lässt er offen, vor wem jetzt eigentlich und dass doch gerade die militärischen Aggressionen des US-Imperialismus Terroranschläge auf (zivile) US-Ziele provoziert haben. 

Moore liefert sich hier mit den Republikanern auf der gleichen Ebene ein Match, wer nun jetzt eigentlich die wahren PatriotInnen sind. Die Angriffe im Wahlkampf von republikanischen Veteranen auf Kerry, dass dieser im Vietnam-Krieg ein schlechter Kamerad gewesen sei, begegnet Moore auf derselben Ebene, indem er einen Mitstreiter von Kerry zeigt, der im Vietnamkrieg drei Gliedmaßen verloren hat. Diesen Veteranen wird also durchaus etwas Heldenhaftes angedichtet und ihre Bereitschaft zur Aufopferung für das „eigene“ Land als etwas Gutes und Ehrenwertes dargestellt. Die Angehörigen von im Irak getöteten SoldatInnen schlagen in die gleiche Bresche. Und auch die Band REM wird aufgeboten, um diesen reaktionären Schwachsinn noch auszuschlachten – ihre Väter waren auch Veteranen. Ihm ist es nicht einmal zu blöd mit der Vereinigung „Diplomats and Military Commanders for Change“ zusammen zu arbeiten.

Die Kritik richtet sich demnach gegen Bush und seine Administration, die die „ehrenwerten“ SoldatInnen verraten hätte. Er hätte die SoldatInnen besser ausbilden lassen, sie mit Vorsicht behandeln und auf seine militärischen Berater hören müssen. Es hätten alle Vorbereitungen getroffen werden müssen, um Leben zu retten – selbstverständlich sind damit nur die Leben der US-SoldatInnen gemeint. Um noch eins draufzusetzen, fordert er sein Publikum dazu auf, den anwesenden SoldatInnen zu danken. Es folgen minutenlanger Jubel und Standing Ovations. 

Moore fällt dabei hinter sich selber zurück. So zeigt er z.B. in „Fahrenheit 9/11“, wie Offiziere der US-Army in schwarzen Armenvierteln künftige SoldatInnen rekrutieren. Die Armee setzt direkt die Interessen der herrschenden Klasse im Ausland um. Das gilt auch, wenn sich ein Teil der SoldatInnen aus materieller Not zum Militärdienst meldet; gar nicht zu Reden von den vielen nationalistischen und rassistischen IdiotInnen. Besonders absurd wird’s, weil diese „Ehre“ auch Vietnam-Veteranen gebührt und Moore aber gleichzeitig bei einer Rede auf einer Uni jener StudentInnen gedenkt, die 1970 bei Protesten gegen den Vietnamkrieg (auf der gleichen Uni) bei der Räumung durchs Militär getötet bzw. verletzt wurden. Which side are you on?

Ein bisschen besser wird’s dann doch…

Bei der Abschlussveranstaltung der Tour in Florida meint er, dass diese Bewegung nach dem Wahltag weitergehen müsse. Dort ruft er auch für die Solidarität zwischen Schwarzen und Weißen im „tiefen“ Süden der USA (der historisch das Zentrum der Sklaverei war und noch immer verhältnismäßig konservativ und rassistisch ist) auf. Sympathisch ist auch seine Reaktion, als er auf einer Pressekonferenz gefragt wird, ob das nicht Propaganda sei, was er da mache. Antwort: die wahre Propaganda gibt’s jeden Tag in den Abendnachrichten, nämlich die ganzen Lügen rund um den Irakkrieg und nach 9/11 und seine Filme seien die Gegen-Propaganda dazu. 

In (leider nur) wenigen Szenen kommt dann auch seine satirisch-humoristische Seite zum Ausdruck. Bei einer Kundgebung stören Bush-Fans seine Rede. Daraufhin fragt er sie, warum sie, wenn sie für den Krieg sind, nicht gleich ein Eintrittformular für die Armee unterschreiben; dabei winkt er ihnen mit einem solchen Formular zu: „Ich hätte gleich eins dabei!“ Bei einer anderen Ansprache wird seine Rede durch ein lautstarkes Gebet von ca. 20 christlichen StudentInnen unterbrochen. Darauf hin fragt er sie: „Was würde wohl Jesus bombardieren?“ Sarkastisch ist auch eine andere Bemerkung von ihm, als er den Wahlkampf als unfair bezeichnet, denn Bush hätte Gott als Unterstützer und Fürsprecher auf seiner Seite – und was kann man/frau schon gegen den Allmächtigen ausrichten? 

Positiv heben sich die Auftritte von Tom Morello (Gitarrist von Rage against the machine) und Rosseane Barr (der weiblichen Hauptdarstellerin der Fernsehserie „Rosseane“) ab. Morello tritt recht kämpferisch auf und meint, die wahre Arbeit beginne erst nach der Wahl, weil egal wer von den Multimillionären zum Präsidenten gewählt werde, Themen wie Menschenrechte, Arbeitsrechte, Umweltzerstörung und Krieg allgemein wichtig seien. Er ist auch einer von Zweien, die überhaupt ansprechen, dass es auch Opfer auf Seite des Iraks gibt. Barr spricht sich für den Kampf für Arbeitsrechte (speziell für Frauen), da das „Big Business“ die Löhne drücken wolle, und Solidarität unter ImmigrantInnen und AmerikanerInnen aus. Dazu meinst sie sarkastisch: „Ich habe die MexikanerInnen satt, die sich in das Land einschleichen, dass einmal ihnen gehört hat.“ Sie positioniert sich klar anti-militaristisch, für Religionsfreiheit, für Abtreibungsrechte und macht sich ziemlich über das von den Republikanern gepushte Amerika-Image lustig.

Was bleibt am Ende?

Alle Leute, die so wie ich, auf eine plötzliche Wendung oder kämpferische Ansage am Ende des Films gewartet haben, sind zweifellos enttäuscht worden. Am Ende wird nur lapidar festgestellt, dass die Republikaner zwar 2004 ganz knapp gewonnnen hätten, aber beim nächsten Mal würden sie nicht so glücklich davon kommen. Der Film ist insgesamt so enttäuschend wie das Ende. Der Großteil der politischen Positionierungen und deren Stoßrichtung verursachen Kopfschütteln und –schmerzen. Die positiven Elemente sind am Ende dann doch recht wenige, auch wenn zum Teil die soziale Frage und eine Verknüpfung des Kampf gegen Bush mit anderen Kämpfen (gegen Angriffe auf BürgerInnenrechte und Arbeitsverhältnisse, gegen Rassismus und Sexismus) vorkommt. Und zum Lachen gibt’s auch nicht viel. Das hängt natürlich auch damit zusammen, dass „The Slacker Uprising“ eindeutig nicht fürs Kino produziert wurde, sondern für die US-WählerInnen. Bleibt nur zu hoffen, dass Michael Moore bei seinem nächsten Film wieder das macht, was er doch recht gut kann – auf eine sarkastische Art und Weise Lügen und Propaganda der bürgerlichen Medien und PolitikerInnen zu entlarven und dem die soziale Realität gegenüberzustellen. Dann aber hoffentlich wieder ohne eine politische Positionierung von ihm selbst!