Arbeiten bis zum Umfallen

Auf eine neue Arbeitszeitrichtlinie haben sich alle EU-Staaten vorläufig einmal geeinigt. Die reguläre Arbeitszeit kann demnach künftig auf bis zu 48 Stunden pro Woche angehoben werden. Was das für die österreichischen ArbeitnehmerInnen zu bedeuten hat, wird sich noch zeigen. Momentan ist Österreich mit 44,3 Stunden durchschnittlicher Arbeitszeit  bei Vollbeschäftigung jedenfalls auf Platz eins unter den EU-Mitgliedsstaaten…

Die neue Arbeitszeitrichtlinie sieht zunächst einmal vor, dass die durchschnittliche Wochenarbeitszeit auf bis zu 48 Stunden ausgedehnt werden kann. Weiters steht den SozialpartnerInnen in einigen Branchen offen, eine 60-Stundenwoche zu vereinbaren (im Fall von Bereitschaftsdiensten sogar 65 Stunden), wobei dann in einem Durchrechnungszeitraum von drei Monaten wieder die durchschnittliche Arbeitszeit von 48 Stunden erreicht werden muss. Im Fall von Bereitschaftsdiensten, wie bei ÄrztInnen, soll die inaktive Zeit nicht mehr bezahlt werden. Außerdem kann der Durchrechnungszeitraum in Zukunft bis zu 12 Monate betragen, was den UnternehmerInnen neue Möglichkeiten bietet, die ArbeiterInnen nach der Konjunktur ihres Unternehmens viel flexibler einmal mehr und einmal weniger in die Arbeitspflicht zu nehmen.

Wie die Regierung der einzelnen EU-Staaten damit umgehen, bleibt ihnen überlassen. In Österreich sind die ersten Schritte, die in Richtung Arbeitszeiterhöhung gehen, schon letzten Sommer gesetzt worden (siehe dazu unseren Artikel). Unter SPÖ-ÖVP und der Einigung mit den SozialpartnerInnen trat ein neues Arbeitszeitgesetz in Kraft, welches eine Ausweitung des regulären Arbeitstages, unter betrieblicher oder einzelvertraglicher Regelung, von bis dahin 8 auf 10 Stunden täglich ermöglicht. Die 40-Stundenwoche bleibt aber vorerst erhalten. Für die Unternehmen bedeutet es aber eine erhebliche Ersparnis bei der Lohnauszahlung, da Überstunden dadurch erst ab der 11 Stunde auch als Überstunden bezahlt werden müssen. Mit der möglichen Höchstarbeitszeit von 12 Stunden, 60 Stunden wöchentlich, auf einen Durchrechnungszeitraum von 24 Wochen, können außerdem Schichtbetriebe zeitlich begrenzt auf zwei Schichten pro Tag umsteigen. Die gesundheitliche Belastung und die reale Arbeitszeit werden massiv steigen.

Dabei ist Österreich bei dem Anstieg der realen Wochenarbeitszeit Vorreiter innerhalb der EU. Trotz der 40-Stundenwoche wird hierzulande bei Vollzeitbeschäftigung durchschnittlich 44,3 Stunden pro Woche gearbeitet (1995 lag dieser Wert noch bei 41,3 Stunden), wobei der EU-Durchschnitt bei 41,8 Stunden liegt. Damit rangiert Österreich auf Platz eins, vor Griechenland mit 43,8 Stunden. Grund dafür ist einerseits erhöhter Druck der UnternehmerInnen Überstunden zu leisten, andererseits aber auch die Notwendigkeit, bei einer Teuerungsrate, die über dem  Lohnanstieg liegt, mehr zu arbeiten, um den niedrigen Grundlohn aufzubessern. Gleichzeitig entspricht die durch Überstunden zusätzlich verrichtete Arbeitszeit derjenigen von ca. 190.000 zusätzlichen Arbeitsplätzen. Das permanent steigende Pensionsantrittsalter spielt bezüglich des Beschäftigungsniveaus natürlich eine ähnliche Rolle.

Auch andere Nationalregierungen innerhalb der EU setzen bereits auf eine neue gesetzlich geregelte Arbeitszeiterhöhung. Wie zum Beispiel Frankreich. Noch vor kurzem hat es Sarkozy mit einer Anhebung der Lebensarbeitszeit von 40 auf 41 Jahre versucht. Nachdem die Gewerkschaften in 80 Städten Proteste mit mehr als 500.000 TeilnehmerInnen organisierten, war der Spuk aber schnell wieder vorbei. Mit der Anhebung der Wochenarbeitszeit, die bisher bei 35 Stunden liegt, scheint er jetzt mehr Erfolg zu haben. In Zukunft sollen sich Unternehmen nämlich mit Betriebsgewerkschaften, die  zumindest 30 % der ArbeitnehmerInnen vertreten, über die intern geregelten Arbeitszeiten einig werden. Mit im Reformpaket stecken die Anhebung der maximal geleisteten Überstunden und der Arbeitstage pro Jahr sowie strengere Regeln für Arbeitslose.

Mit der neuen Arbeitszeitrichtlinie setzt das EU-Kapital den ersten Schritt auf eine Vereinheitlichung, aber auch auf eine Anhebung der Arbeitszeiten in der EU. Momentan entscheiden zwar die nationalen Regierungen über die jeweiligen Regelungen, doch auch das nationale Kapital, aus dessen 27 Nationen sich die EU ja letztlich zusammensetzt, steht (wie wir an den Beispielen Frankreich und Österreich sehen) hinter einer Ausweitung der Arbeitszeiten. Mit einer möglichen 48-Stundenwoche ist die Grenze sehr weit oben gesteckt worden. Somit werden die nationalen Regierungen noch auf lange Zeit Spielraum haben. Im Widerspruch dazu stehen einerseits die Arbeitslosenzahlen, die zwar innerhalb einiger EU-Staaten (wie Deutschland) in letzter Zeit etwas zurückgegangen sind, sich aber trotz der besseren Konjunkturlage weiter auf hohem Niveau befinden. Sie werden durch die Anhebung der Arbeitszeiten steigen. Andererseits nimmt die Produktivität  stetig zu. Die Arbeitsgeräte und Techniken erlauben es also, in derselben Zeit mehr oder in kürzerer Zeit das gleiche herzustellen. Da müsste die Arbeitszeit konsequenterweise Fallen. Die Marktwirtschaft funktioniert jedoch nach einer anderen Logik.