EM 2008: Veranstaltungsbericht und neue Broschüre

Bei der gestrigen Veranstaltung der RSO Wien zur Fußball-EM 2008 waren insgesamt 115 Personen, Fußballfans verschiedener Vereine ebenso wie politische AktivistInne und Interessierte.

Gian Casutt vom Schweizer Fußballmagazin ZWÖLF berichtete über die Situation in der Schweiz vor der EM, Franz Jackel vom Sportklub-Fanklub "Friedhofstribüne" sprach über die Fankultur in Österreich und der RSO-Vertreter am Podium analysierte die politische Funktion der Fußball-EM für die herrschende Klasse. Es entwickelte sich eine angeregte Diskussion. Im Anschluss gab es einen geselligen Ausklang mit zahlreichen Gesprächen über Fußball und antikapitalistische Politik.

Auf der Veranstaltung erstmals präsentiert wurde unsere neue Broschüre, die wir angesichts der EM 2008 herausgebracht haben:

FUSSBALL & Klassenkampf

Kickerei zwischen ArbeiterInnensport und Kommerzialisierung
Europameisterschaften, Repression und Nationalismus
Fankultur zwischen Machismus und Rebellion

Marxismus-Sondernr. 27, April 2008
60 Seiten A5, Preis: 2,5 Euro / 4 SFR

Vorwort

Cesar Luis Menotti war der Trainer der argentinischen Weltmeistermannschaft 1978. Im Land herrschte damals eine blutige Militärdiktatur. Menotti verweigerte den Generälen vor Millionen FernsehzuschauerInnen den obligatorischen Handschlag und wurde so zu einem Symbol des Widerstandes gegen die Junta. In Bezug auf den Fußballsport meinte Menotti:

„Es gibt den rechten und den linken Fußball. Der Fußball der Rechten reproduziert und untermauert die in dieser Gesellschaft gültigen Wertvorstellungen. Es ist die Art von Fußball, bei der nur der Gewinn zählt, und Gewinn heiligt alle Mittel. Gemeint sind nicht nur eine ultradefensive Taktik, Ausdruck von Raffgier und Spekulation, sondern auch die ständigen Verletzungen des Reglements und der Einsatz aller erdenklichen faulen Tricks. Der Trainer sagt dem Spieler, er solle sich nicht mit dem Präsidenten anlegen und sich nur ja jeder politischen Meinungsäußerung enthalten. Sich anpassen und funktionieren, so hat die Oberschicht auch den Fußballprofi am liebsten. Es ist ihr nur recht, dass auf diese Weise fortwährend Dummköpfe erzeugt werden, nützliche Idioten des Systems. Der Fußball der Linken hingegen ist im Sinne einer Lebensäußerung eine Sache des Talents, bei der die Intelligenz an oberster Stelle steht und der Sieg soviel taugt, wie die Mittel, mit denen man ihn erringt. Beim Fußball der Linken ist der Spieler ein denkendes Wesen, das Schönheit schafft und sich mit dem Volk solidarisiert, damit der neue Mensch in einer neuen Gesellschaftsordnung entsteht.“

Und tatsächlich war und ist der Fußballsport ein Kampffeld zwischen verschiedenen gesellschaftlichen Kräften. Aktuell etwa gibt es eine Auseinandersetzung zwischen neoliberaler Kommerzialisierung und selbstorganisierter Fankultur. In der Fankultur selbst gibt es einerseits rassistische und besonders machistische Elemente, andererseits progressive Elemente der Rebellion und des Widerstands. Fußball verbindet Sportler (und in geringerem Ausmaß auch Sportlerinnen) verschiedener Nationen in der gemeinsamen Tätigkeit; gleichzeitig benutzt die herrschende Klasse die Bewerbe des Nationalteams zur Schaffung von klassenübergreifender „nationaler Einheit“, zur ideologischen Integration der Lohnabhängigen in die Nation der jeweiligen KapitalistInnenklasse.

Die Europameisterschaft 2008 bringt diese Widersprüche im Fußballsport deutlich zum Ausdruck. Die Establishments in Österreich und der Schweiz setzen auf Kommerz, Repression und „patriotische Begeisterung“. Gleichzeitig gibt es Widerstand von Fanklubs.

Und auch heute sind nicht alle Fußballprofis „nützliche Idioten des Systems“. Der italienische Stürmer Christiano Lucarelli ist bekennender Kommunist. Und Ivan Ergic, der serbische Kapitän des FC Basel, sagt: „Marx sah schon vor 150 Jahren die Widersprüche des Kapitalismus, er hat eingesehen, dass Geld die Welt zerstört. Und es zerstört auch den Fussball. Ich möchte kein konformistischer Fussballer sein.“

Wie viele Arten der Massenkultur im Kapitalismus ist der Fußballsport ein widersprüchliches, umkämpftes Phänomen. Im Fußballsport findet ein Klassenkampf statt, an dem Millionen Menschen, besonders aus der ArbeiterInnenklasse, Anteil nehmen. Insofern hat Giovanni Trapattoni, Trainer diverser Nobelklubs (zuletzt Red Bull Salzburg), in gewisser Weise sogar einmal Recht, wenn er sagt: „Fußball ist Ding, Dang, Dong. Es gibt nicht nur Ding.“

Inhaltsverzeichnis

Grundsätzliche Gedanken zu Fußball und Weltmeisterschaften
Fußballsport zwischen Massenkultur, kommerzieller Kickerei und nationalistischer Instrumentalisierung (Mai 1998)

Scheiß EM 2008!
Gegen Kommerz, Repression und Nationalismus (April 2008)

Polizei gegen Fans und DemonstrantInnen
Durch die Euro 2008 erhält die Schweizer Polizei mehr Freiheiten für Repression (April 2008)

Zu den Protesten der Rapid-Fanklubs beim Länderspiel gegen Schottland (Juni 2007)

Klassenkampf am grünen Rasen
Italiens Fußballstars als Spiegel der Gesellschaft (Jänner 2006)

Roter Stier im Rinderwahn
Wie Red Bull den SV Austria Salzburg zerstört (Juli 2005)

Von Blöcken und Kurven
Fußballfans und Politik (November 2003)