“Der (Chrom-) Deal des Jahrzehnts”

Die Firma DCM DECOmetal ist ein kleines, aber feines österreichisches Unternehmen. Es belegte, wie im Golden Trend 2007 nachzulesen ist, den 161. Platz unter den Top 500 österreichischen Unternehmen und wirbt mit dem Slogan "Zuverlässigkeit und Kompetenz". Der in Fürstenfeld beheimatete Betrieb mit etwa 80 Beschäftigten gehört zu den "Leitbetrieben Steiermark", ist Teil des "Netzwerks Leitbetriebe Austria" und "Österreichischer Staatswappenträger" – also ein durchaus renommiertes Unternehmen, das stolz auf eine mehr als 150-jährige Geschichte zurückblicken kann, es wurde bereits 1846 gegründet. Heute sind sowohl die Raiffeisen-Bank als auch die Volksbanken-AG mit Minderheitsanteilen an der Firma beteiligt.

DCM handelt weltweit mit Rohmaterialien und beliefert sowohl die Stahlindustrie, als auch Industriezweige, die mineralische Sande verwenden. DCM definiert sich selbst als Mining- und Marketing-Firma mit dem strategischen Ziel eines integrierten Holding-Unternehmens, welches alle Aspekte der Versorgung der Stahlindustrie mit Rohmaterial abdeckt – von der Förderung und Weiterverarbeitung über Finanzierung und Logistik bis zum Marketing.

DCM ist also ein international höchst aktives Unternehmen, das in über 50 Ländern weltweit aktiv ist – in Russland, der Ukraine, Kanada, den USA, Australien, den Vereinigten Arabischen Emiraten oder China. DCM begann sich verstärkt in den letzten Jahren auch bei Mining- und Produktionsbetrieben zu beteiligen, um seine eigene Beschaffung zu sichern. Die ständige Verfügbarkeit von Produkten hoher Qualität soll die Wettbewerbsfähigkeit erhalten. In diesem Zusammenhang ist seit Frühjahr 2007 DCM auch in Albanien aktiv. Das Balkanland gehört seit 1948 zu den größeren Produzenten von Chrom, das heute hauptsächlich für korrosionsfreie und hitzebeständige Legierungen Verwendung findet. Mit dem russischen Unternehmen Terwingo wurde von DCM das Unternehmen Albanian Chrome (ACR) gekauft, welches eine Chrom-Erz Mine sowie ein Ferro-Chrom-Werk mit Schmelzbetrieb in Bulqiza im Bergland Mittelalbaniens führt. Während vor 1990 bis zu 5.000 Arbeiter/innen in Bulqiza Beschäftigung fanden, sind in der Mine mit anschließender Verarbeitung heute noch etwa 700 Arbeiter/innen beschäftigt. Mit einer geplanten jährlichen Produktion von 100.000 Tonnen Chrom-Erz und etwa 50.000 Tonnen Ferro-Chrom will DCM seine Position am Ferro-Chrom-Markt stärken und vom schnell wachsenden Edelstahl-Markt profitieren. Von Albanien aus soll vor allem die Europäische Union, aber auch China beliefert werden.

Für die DCM DECOmetal GmbH war diese Übernahme der "Big Deal", ja der "(Chrom-) Deal des Jahrzehnts". Das Unternehmen zählt stolz zu seinen Stärken "Innovation, Flexibilität und Verlässlichkeit" und lässt uns im Internet Einblick nehmen in seine Geschäftsphilosophie: "Unsere Mining- und Marketing-Aktivitäten werden durch unsere Unternehmensphilosophie geleitet, die auf Kundenorientierung, ausgezeichnetes Service, Teamarbeit, Integrität und Kreativität Wert legt."

Seit einem knappen Jahr führt also dieses Unternehmen die Bergwerke im albanischen Bulqiza. Und da fällt auf, dass die DCM zwar andauernd das "ständige Streben nach Befriedigung der verschiedenen Kundenbedürfnisse" betont, dass aber die im Internet zugänglichen Neuigkeiten von DCM nicht ganz vollständig sein können. Denn seit dem "Big Deal" von DCM haben in Bulqiza fünf Bergarbeiter ihr Leben verloren! Als Grund werden in der albanischen Öffentlichkeit durchgängig die selbst für Albanien "armseligen Arbeitsbedingungen" und die "schlechten Sicherheitsstandards" genannt. Das führte dazu, dass die Beschäftigten im Laufe des Jahres 2007 sogar mehrere Protestveranstaltungen und Arbeitsniederlegungen organisierten, um auf ihre triste Lage aufmerksam zu machen, eine Einhaltung der Sicherheitsbedingungen und deren Verbesserung sowie eine Erhöhung der niedrigen Löhne zu verlangen. Ein erstes großes Meeting fand unmittelbar nach dem Tod des dritten Kollegen, Zaim Hysa, im August 2007 statt – wieder wurden die katastrophalen Arbeitsbedingungen im österreichisch-russischen Unternehmen auch für diesen Unfall verantwortlich gemacht. Als der Druck zu groß wurde, schaltete sich sogar Premierminister Sali Berisha in die Diskussion ein und erklärte Anfang Oktober 2007, dass die Schuld für die Arbeitsunfälle "eindeutig" die Firmenleitung treffe (Shqip, 6.10.2007, S.6).

Diese Demonstrationen haben in Albanien viel Staub aufgewirbelt, denn im Land sind Arbeitsniederlegungen nicht an der Tagesordnung: Die Sicherheitsbestimmungen sind allgemein niedrig und werden kaum eingehalten, die Arbeitslosigkeit und die Angst um den Verlust des Arbeitsplatzes hoch. Diese Angst ist auch in Bulqiza spürbar, wo die Firma der praktisch einzige größere Arbeitgeber im ganzen Bezirk ist. Trotzdem entschlossen sich die Bergarbeiter/innen zu Streiks, die jedenfalls mit einem Teilerfolg endeten: Eine Verbesserung der Sicherheitsstandards wurde am 5. Oktober des Vorjahres versprochen, dazu wurde eine Anhebung der Gehälter um 20 Prozent vereinbart und von der Firma zugesagt, für die Zukunft der Kinder der getöteten Kumpel zu sorgen.

Sind die Schwierigkeiten also nur "Anlaufschwierigkeiten" eines um seine Mitarbeiter/innen bemühten Unternehmens, das auf den vierten schweren Arbeitsunfall, den Tod des Bergarbeiters Medi Jani im Sommer 2007, ohnehin schon mit der Kündigung des Direktors Eduart Keta reagiert hatte? Das ist wohl nicht anzunehmen, denn im Dezember 2007 gab es den fünften Toten des Jahres. Und auch das noch junge Jahr 2008 begann so, wie das Vorjahr endete: Der 35-jährige Mark Uka musste nach einem schweren Arbeitsunfall in den unterirdischen Minengängen am 8. Januar 2008 ins Militärkrankenhaus von Tirana gebracht werden.

Es steht zu befürchten, dass dies nicht der letzte Zwischenfall gewesen sein wird, der auf die gefährlichen Arbeitsbedingungen zurückzuführen ist. Denn am internationalen Markt konkurrenzfähig zu bleiben, heißt Kostenminimierung und Effizienzsteigerung. DCM ist hier durchaus erfolgreich. So erwirtschaftete DECOmetal 2006 einen Rekordumsatz von 411 Millionen Euro, Mitte 2007 betrug der Auftragsstand 300 Millionen Euro, Umsatz und Gewinne werden unterm Strich also auch 2007 weiter gestiegen sein. Die Beschäftigten in Bulqiza haben davon im letzten Jahr nicht viel gesehen, fünf Arbeiter haben ihr Leben verloren. Wie heißt es so schön auf der DCM-Homepage? "Die Zufriedenheit unserer Kunden steht an erster Stelle." Von den Arbeitsbedingungen haben wir nichts gelesen.