Flex & Fluc = Fuck & Flop

Wer auf die monokulturelle Afterwork-Ödnis der Wiener Bar- und Lokallandschaft genauso wenig Lust hat wie auf Immobilien-Aufwertungsprojekte wie die "Gürtelbögen" und verkitschte Hochdruck-Spasszonen a là Copa Cagrana meidet, dem/der bleiben wenige alternative Feiermöglichkeiten in Wien. Während die ehemals linke Tanzbar Flex über zehn Jahre für ihre Degeneration brauchte, bemüht sich der jüngere Alternativschuppen Fluc das Vorbild eifrig zu überholen.

In keiner Werbe-Anzeige der Stadt Wien über die neue Konsum- und Gastromeile Donaukanal darf das umgebaute und aufpolierte Flex fehlen. Die Kneipe mit Tanzbetrieb ist ein Eckpfeiler der von der Stadtverwaltung koordinierten Freizeitstrecke von "Strandbar Hermann" bei der Urania bis zur "Summerstage" bei der Rossauer Lände. Die zuständigen Beamten präsentieren gerne eine Wiener Feierstätte, die von internationalen Musikzeitschriften mehrfach zu einer der besten in Europa gewählt wurde. Überteuerter Eintritt und die – in Wien üblichen – horrenden Getränke-Preise finanzieren weitere Umbauten, die bereits in Gang sind, die Subventionen fließen natürlich weiter. Der Bau einer Mini-Golfanlage am Donaukanal ist in Diskussion, eine Umgebung, in die das ehemals linke Flex heute bestens hineinpasst.

Flex: Vom Plenum zum Management

Die Wurzeln des Flex reichen mehr als zwanzig Jahre bis in die Zeit der besetzten Häuser in der Aegidi- und Spalowskygasse zurück. Im Sommer 1988 gewaltsam geräumt, werden von der "Kulturfraktion" der Vertriebenen nun offiziell im zwölften Bezirk Räumlichkeiten angemietet (die "Politfraktion" besetzt das EKH) und der neue Name Flex publik gemacht. Das Flex versteht sich im September 1991 laut Flugblatt noch als "autonomes Zentrum für Kultur und Subkultur", das Orangensaft und Sodawasser gratis ausschenkt und hauptsächlich Punks, verschiedene Subkulturen und obdachlose Jugendliche zu seinen Gästen zählt, aber auch von SchülerInnen, Lehrlingen, StudentInnen, Arbeitslosen und Erwerbstätigen besucht wird.

Nach Streitigkeiten mit den BesucherInnen eines auf der anderen Straßenseite gelegenen Nazi-Skinheadtreffpunkts folgt die Kündigung, das Flex zieht weiter und findet 1994 seine letzte Heimstätte in einem stillgelegten U-Bahnschacht am Schottenring. Die Adaption der Räumlichkeiten wird von der Stadt mit 220.000 Euro unterstützt, der Geldstrom aus dem Rathaus wird auch in Zukunft nicht mehr abreissen.

Während es anfangs noch wöchentliche Plena zur Kursbestimmung gegeben hatte, degeneriert das ehemalige autonome Kulturzentrum nach und nach zu einem völlig kommerziell geführten Barbetrieb, der zu jeder Kooperation mit der Polizei bereit ist: nach einiger Zeit werden in den Bäumen vor der Tanzbar Kameras angebracht, die die Gäste filmen. Schrittweise werden die Preise angehoben und die Obdachlosen vertrieben, die bis dahin im Winter im Obergeschoss schlafen durften. Während früher zahlreiche BesucherInnen vor dem Lokal unter freiem Himmel Mitgebrachtes verzehrten, verleibt sich das Flex das Areal davor schließlich zur Gänze ein, lässt es umzäunen und von Security-Personal bewachen, was ihm den Charme einer provinziellen Großraumdiskothek verleiht. Der ehemals linke Stallgeruch ist verflogen, geblieben ist ein kommunalpolitisches Vorzeigeprojekt der Integration subkultureller Strukturen. Im Vorjahr schaffte es das Flex noch einmal ohne Werbeanzeige der SPÖ in die Medien: mit einem Rassismus-Vorwurf konfrontiert, nachdem nachweislich zahlreichen "schwarzen" BesucherInnen der Eintritt verwehrt worden war, schob Manager Tom Eller zur Entschuldigung seiner Eintrittspolitik auch noch rassistische Aussagen nach.

Als rechtmäßigen Erben des Flex hatten viele kulturell Ausgehungerte das Fluc begrüsst, als es 2002 seine kleinen Pforten am Praterstern öffnete, bald eine anliegende Lagerhalle bespielte und schnell hohe Popularität wegen niedriger Preise und gutem Programm genoss. Als es einer Prater-Neustrukturierung weichen sollte, bezog es kampflos eine Fußgängerunterführung in der Nähe, die zugeschüttet werden sollte und ließ sich die Kosten dieser Maßnahme zum Umbau in ein neues Fluc auszahlen. Weitere Subventionen folgten, die Neueröffnung fand 2006 statt.

Mittlerweile ziert ein überdimensionales Werbebanner des Sponsors Bank Austria die Außenfassade, die Getränkepreise und Eintritte haben sich ebenfalls den kommerziellen Verhältnissen angepasst. Security-Personal ist zur Stelle, um zu bewachen, dass vor der Lokalität, einem öffentlichen Platz, nur konsumiert wird, was drinnen gekauft wurde. Im Frühsommer 2007 wurde einer linken Aktivistin gar ein mitgebrachtes Bier über den Kopf geschüttet; die übereifrige Security-Frau hat sich dafür immerhin eine Ohrfeige der attackierten Besucherin eingehandelt, eine Schlägerei zwischen Securities und Gästen wurde aber im letzten Moment abgewendet. Von sich selbst behaupten die Macher, die letzte "Punkerhütte Wiens" zu betreiben – ein Missverständnis, das im Unterschied zum Flex nicht einmal eine historische Grundlage hat.

Gegenkultur

Flex und Fluc sind beste Beispiele für das Integrationspotential des kapitalistischen Kulturbetriebs. Eine nachhaltige Gegenkultur zum herrschenden Freizeit-Kommerz ist eben nur in Verbindung mit einer antikapitalistischen Bewegung möglich. In diesem Sinn ist der Zustand der Wiener Lokalszene auch Ausdruck der Klassenkampfsituation in Österreich.

Eine Änderung ist deshalb nicht über ein besonders geschicktes Alternativkulturprojekt möglich, sondern über politischen Kampf. Die Organisierung dieses Kampfes wird oft auch mit kulturellen Ausdrucksformen einhergehen. Das kann sowohl die Schaffung von eigenen Strukturen als auch die Veränderung von bestehenden sein. Einstweilen gilt es beim Besuch "integrierter" Kulturstätten wie den genannten nicht nur zu konsumieren, sondern bei Übergriffen einzugreifen und Missstände zu thematisieren, auch gerade vor Ort.