Der venezolanische Präsident spricht immer offensiver vom Aufbau eines „Sozialismus des 21. Jahrhunderts“. Die Verstaatlichungen wurden ausgeweitet, der Austritt aus IWF und Weltbank angekündigt. In einem launigen Moment rief Chavez sogar die Bevölkerungen dazu auf, das Übergangsprogramm von Leo Trotzki zu lesen. Die Entwicklung in Venezuela wird von der internationalen Linken zurecht aufmerksam verfolgt.
Anlässlich des EU-Lateinamerika-Gipfels im Mai 2006 in Wien hatten wir eine ausführliche Analyse des Chavismus vorgelegt (siehe dazu unsere Broschüre). Im folgenden Text wollen nach einer kurzen Zusammenfassung unserer grundlegenden Einschätzung vor allem auf die Entwicklungen des letzten Jahres eingehen, dabei hinter die radikale Fassade des „bolivarischen Sozialismus“ blicken und insbesondere die Klassenkonflikte in Venezuela untersuchen.
Lateinamerika war in den letzten Jahren der Teil der Welt, in dem der Protest gegen die Zumutungen des kapitalistischen Systems am stärksten in eine linke Richtung ging. Das begann mit den Revolten in Argentinien 2000/01, die mittlerweile von der Regierung Kirchner einigermaßen stabilisiert wurden. Es folgte die Wahl der Regierung Lula in Brasilien, die seitdem die meisten der in sie gesetzten Hoffnungen enttäuscht hat. In Ecuador und Bolivien gab es eine Reihe von Rebellionen, die mit der zeitweiligen Arbeiter/innen/macht in El Alto 2003 ihren Höhepunkt erreichten. In Mexiko kulminierte der Widerstand gegen die neoliberale Regierung in einer Bewegung gegen den Wahlbetrug und in der Kommune von Oaxaca.
Der Brennpunkt der Entwicklung ist aber sicherlich Venezuela, wo die Regierung Chavez aufgrund des Ölreichtums des Landes am meisten Spielraum hat – sowohl für den sozialen Ausgleich im Land als auch in der Außenpolitik. Für Teile der europäischen Linken ist Chavez mit seinen Sozialprogrammen und seinen markigen Sprüchen gegen die neoliberale Weltordnung zum großen Hoffnungsträger geworden. Teilweise gibt es fast schon eine Wiederbelebung der Lateinamerika-Solidarität der 80er Jahre.
Der Aufstieg des Chavismo
Venezuela ist 2,5 mal so groß wie Deutschland und hat 25 Mio. Einwohner/innen, davon 6 Mio. in der Hauptstadt Caracas; 93% leben in Städten. Das Land ist reich an Bodenschätzen, vor allem Erdöl, aber auch Erdgas, Eisen und Bauxit. Durch den Befreiungskrieg (Simon Bolivar) wurde Venezuela 1830 unabhängig. Die Anfang des 20. Jahrhunderts entdeckten Erdölvorkommen wurden von US-Konzernen ausgebeutet. Der kleinen venezolanischen Oberschicht stand Massenarmut, aber auch ein Industrieproletariat (Erdöl- und Stahlindustrie) gegenüber.
1958 teilten sich mit dem Pakt von Punto Fijo die beiden Parteien des Establishments (COPEI und AD) die Privilegien und Posten im Land auf. Es gab keine starke Linke, die Gewerkschaft CTV war zutiefst korrupt, die Erölförderung zwar verstaatlicht, aber die Profite hatten sich dennoch die Multis gesichert. 1989 war das System an seine Grenzen gestoßen. Eine Hungerrevolte der Armen konnte nur noch Armee und Polizei niedergeschlagen werden; es gab 3-4000 Tote und es blieb ein Hass der Massen auf die etablierten Parteien zurück.
1992 revoltierte eine Gruppe von linken Offizieren um Hugo Chavez Frias. Die Aktion scheiterte, aber der nun inhaftierte Chavez wurde zur Symbolfigur des Widerstandes. 1998 wurde Chavez als Führer der Bewegung für die 5. Republik (MVR) zum Präsidenten gewählt. Er setzte anfangs noch neoliberale Maßnahmen (Marktliberalisierung im Telekom-Bereich) und kürzte die öffentlichen Ausgaben. Mit der neuen, progressiv bürgerlichen Verfassung wurde dann die Privatisierung von nationalen Ressourcen und Sozialsystemen verboten, gleichzeitig aber auch das Privateigentum garantiert.
Im Frühjahr 2002 versuchten die rechten Kräfte, unterstützt von der spanischen und US-Regierung, gegen die aus der MVR und anderen linken Parteien bestehende Regierung zu putschen. Chavez wurde vorübergehend inhaftiert, nach Massenmobilisierungen der Armen brach der Putsch aber zusammen, die Mehrheit der Armee unterstützte schließlich Chavez. Von Ende 2002 bis Anfang 2003 versuchte es die herrschende Klasse erneut, diesmal mit der Sabotage der PDVSA, der verstaatlichten Erdölindustrie, durch die Führungskräfte. Die Arbeiter/innen konnten die Förderung aber wieder in Gang bringen. Das Scheitern der Erdölsabotage (gefolgt von der Entlassung der rechten Führungskräfte) brachte schließlich die Kontrolle der Regierung über die PDVSA und damit über die Erdöleinnahmen. Damit wurde auch die finanzielle Grundlage für die beginnenden Sozialreformen gelegt.
Errungenschaften und Grenzen des Chavismus
Die Regierung Chavez steht in gewisser Weise zwischen den Klassen. Sie schwankt zwischen dem Druck der Arbeiter/innen/klasse einerseits und dem der Kapitalist/inn/en und des Imperialismus andererseits. Positiv ist sicherlich die Übernahme der Kontrolle über die PDVSA und die höhere Besteuerung der Erdölprofite, das kostenlose Gesundheits- und Bildungssystem für die ärmeren Bevölkerungsteile. Dazu kommt das relativ demokratische Klima im Land (das allerdings auch nicht idealisiert werden sollte, immerhin ist etwa Abtreibung weiterhin verboten). Und auch der Bruch der imperialistischen Wirtschaftsblockade gegen Kuba ist der Chavez-Regierung anzurechnen.
Gleichzeitig hat sich aber an der Armut der großen Mehrheit der Bevölkerung nichts substanziell geändert. Die Löhne bleiben sehr niedrig während die Profite steigen. Der Großgrundbesitz ist im wesentlichen unangetastet, die Schulden bei den imperialistischen Banken werden brav bedient. Europäische und US-Ölkonzerne sind in Venezuela ebenso weiter groß im Geschäft wie spanische Banken und Telekom-Firmen. Am kapitalistischen Charakter der venezolanischen Wirtschaft hat sich nichts geändert. Die Arbeiter/innen/selbstverwaltung ist sehr beschränkt und insbesondere die PDVSA (als das wichtigste Unternehmen im Land, das mit den hohen Öleinnahmen den wirtschaftlichen Spielraum für die Regierung schafft) ausgenommen. Der Staatsapparat ist weiterhin ein abgehobener bürgerlicher, der nicht von den Lohnabhängigen kontrolliert wird.
Der Chavismus hat außerdem eine Orientierung auf eine Zusammenarbeit mit neoliberalen Regierungen wie Lula oder Kirchner und setzt auf einen Kompromiss mit Teilen des Kapitals. So sind, trotz aller Erdöleinnahmen, substanzielle Änderungen der Gesellschaft nicht möglich, weil jede ernsthafte Infragestellung der Klassenverhältnisse den angestrebten Ausgleich mit dem Kapital gefährden würde. Es handelt sich beim „bolivarischen Prozess“ um ein bürgerliches Reform- und nationales Entwicklungsprojekt, das größere Unabhängigkeit vom US-Imperialismus anstrebt und dessen Sozialprogramme vom hohen Erdölpreis abhängig sind. Der „Sozialismus des 21. Jahrhunderts“, von dem Chavez spricht, hat nichts mit tatsächlichem Sozialismus, mit einer Zerstörung des bürgerlichen Staatsapparates und einer Überwindung der kapitalistischen Produktionsverhältnisse zu tun, sondern viel mehr mit einem gelenkten Kapitalismus.
Aufgrund der hohen Erdöleinnahmen und weil der US-Imperialismus militärisch zurzeit stark im Mittleren Osten gebunden ist, gibt es durchaus die Möglichkeit, dass sich das halbherzige Reformprojekt der Regierung Chavez noch eine Zeit lang halten kann. Längerfristig ist es aber durchaus wahrscheinlich, dass der Chavismus zwischen dem Druck der herrschenden Klasse, die die Reformen begrenzen und zurückdrängen will, und den enttäuschten Hoffnungen der Massen zerrieben wird. Letztlich wird sich entscheiden müssen, ob der „revolutionäre Prozess“ stecken bleibt und letztlich zurückweicht oder ob er in die Offensive gelangt, den Staat zerschlägt und den Kapitalismus beseitigt. Ob die dem Kompromiss mit dem Kapital verpflichteten „bolivarischen Kräfte“ zu zweiterem in der Lage sind, muss bezweifelt werden. Deshalb kommt der politischen und organisatorischen Unabhängigkeit der Arbeiter/inn/enklasse entscheidende Bedeutung zu.
Arbeiter/innen/organisationen in Venezuela
Die Bürokratie der korrupten Gewerkschaft CTV beteiligte sich 2002/03 an der konterrevolutionären Erdölsabotage. Die Mehrheit der Beschäftigten hingegen brachte die Produktion wieder ins Laufen. Diese Phase der Arbeiter/innen/kontrolle in PDVSA und einigen anderen Industrien war eine wesentliche Erfahrung, die deutlich machte, dass es auch ohne Chefs geht. Erstmals traten die Lohnabhängigen als eigenständige Klasse auf.
In der Folge wurde im März 2003 auch eine neue Gewerkschaft gegründet, die UNT, in der sich Gewerkschafter/innen der chavistischen Organisationen FBT und MVR, der stalinistischen PCV, der trotzkistischen OIR, verschiedene Arbeiter/innen/kollektive und Teilgewerkschaften zusammen taten. Die UNT wurde als „bürokratisches Übereinkommen“ gegründet (wie der trotzkistische Arbeiter/innen/gewerkschafter und UNT-Co-Vorsitzende Stalin Perez Borges ausführte). Es bestanden von Anfang an drei Flügel in der UNT: ein bürokratischer Flügel aus übergelaufenen CTV-Funktionär/inn/en, ein chavistischer Flügel um die FBT und ein klassenkämpferischer Flügel (die Clasistas). Die UNT konnte die CTV in Bezug auf Mitglieder und vor allem Mobilisierungskraft rasch überflügeln.
Im Juli 2005 kam es schließlich zur Gründung der PRS, der Partido Revolucion y Socialismo, aus der OIR, einem großen Teil der Clasistas, verschiedenen Arbeiter/innen/kollektiven und Student/innen/gruppen. Die zentralen Kader der PRS sind zu einem guten Teil identisch mit denen der Clasistas. Die neue Partei positionierte sich für eine führende Rolle der Arbeiter/innen/klasse in der Revolution, für Arbeiter/innen/kontrolle über die Produktion, für die Enteignung der Bourgeoisie und eine sozialistische Perspektive.
Da die Kapitalist/inn/en manche Betriebe nicht weiter geführt hatten, wurde einzelne von den Belegschaften übernommen: die Papierfabrik Venepal und das Ventilwerk CNV. In beiden Fällen wurden vom Staat an die ehemaligen Besitzer Entschädigungen bezahlt, in beiden wurden die Gewerkschaften aufgelöst (weil ja jetzt Arbeiter/innen/kontrolle bestehe). Experimente mit betrieblicher Mitbestimmung der Beschäftigten gibt es beim staatlichen Stromversorger CADAFE und in der Aluminiumfabrik ALCASA. Diese Betriebe machen freilich nur einen Bruchteil der venezolanischen Ökonomie aus. Die Regierung agiert insgesamt ausgesprochen legalistisch und übernimmt Betriebe nur in Kooperation mit den Chefs. Und der zentrale Bereich der venezolanischen Wirtschaft, die PDVSA, wurde explizit von allen Experimenten ausgenommen.
Repressalien und Bürokratismus
Unter der Regierung Chavez gab es für die Lohnabhängigen gewisse Errungenschaften beim Kündigungsschutz und der Organisationsfreiheit. Es gibt es im Vergleich zu anderen lateinamerikanischen Länder ein demokratisches Klima. Auch die Repression gegen die Arbeiter/innen/bewegung ist bisher ziemlich gering. Dennoch bleiben Staat und Regierung bürgerlich, d.h. dem Funktionieren der kapitalistischen Produktionsverhältnisse verpflichtet. Dementsprechend gibt es immer wieder eine mörderische Kooperation zwischen Nationalgardisten und Großgrundbesitzern gegen Aktivist/inn/en der linken Bauern/Bäuerinnen-Bewegung FNCEZ.
Und der chavistische Staat richtet sich auch immer wieder gegen kämpferische Arbeiter/innen, die über den regierungsamtlichen Rahmen hinausgehen. 2005 sah die Polizei Übergriffen von bewaffneten Schlägern der Firma Bridgestone/Firestone gegen die Belegschaft tatenlos zu. Bei der pharmazeutischen Firma RACE wurden drei Aktivisten entlassen, weil sie eine Betriebsgruppe gründen wollten, ohne dass von den Behörden dagegen etwas getan wurde. Im Mai 2006 wurden im Bundesstaat Barimas über 40 Anhänger/innen der FNCEZ (darunter neun Kinder und sieben Frauen) von der Polizei verhaftet, misshandelt und gedemütigt, weil sie als Landbesetzer/innen verdächtigt wurden.
Nachdem es bereits im April 2006 Angriffe der FBT gegen die Clasistas gegeben hatte und die chavistischen Teile der UNT wiederholt die Abhaltung eines Kongresses und demokratischer Wahlen hinausgezögert hatten, kam es im Mai 2006 schließlich zur Spaltung der UNT. Die Führung der Clasistas, die sich nun C-CURA nannten, hatte auf dem Kongress noch einen Kompromiss mit dem FBT-Führer und heutigen Arbeitsminister Jose Ramon Rivero gesucht. Der Druck der Basis, die Führung endlich demokratisch zu wählen, war aber überwältigend. Trotz der Spaltungsdrohung seitens der FBT und obwohl die chavistische Fraktion mit ihrer Finanzüberlegenheit die Teilnahme von C-CURA-nahen Delegierten sabotiert hatte, gab es eine 2/3-Mehrheit für die C-CURA um Orlando Chirino und Stalin Perez Borges.
Diese demokratische Entscheidung wurde von den Chavist/inn/en nicht anerkannt. Die FBT und ihr Verbündeten (die alten Bürokraten um Franklin Rondon und die Gruppe um Marcela Maspero) spalteten die UNT. Sie kontrollieren in der Folge den Apparat (den sie nicht aus der Hand gaben) und die Gewerkschaft des öffentlichen Dienstes, während sämtliche Arbeiter/innen/gewerkschaften die UNT-Mehrheit um die C-CURA unterstützen. (Die IMT, in Österreich und Deutschland der „Funke“, die ihre Politik stark auf Venezuela ausrichtet und in Venezuela eine kleine Sektion, die CMR, hat, nahm in der Spaltung eine neutrale Position ein. Sie richtete aufgrund ihrer Anbiederungspolitik an den Chavismus ihre Kritik sogar vornehmlich gegen die C-CURA. Die CMR bezahlte diese Kapitulation vor den bürokratischen Manövern der chavistischen Gewerkschafter/innen schließlich mit der Abspaltung fast aller ihrer proletarischen Mitglieder, die mit der C-CURA solidarisch waren, und ist seitdem weitgehend auf eine kleine Studierendengruppe reduziert.)
Staat gegen Arbeiter/innen/bewegung
Im Juni 2006 löste die Polizei eine Straßenblockade von protestierenden Arbeiter/innen unter Einsatz von Tränengas, Gummigeschossen und Schlagstöcken auf; zwölf Arbeiter/innen wurden verhaftet, der chavistische Staatsanwalt forderte 4-8 Jahre Haft wegen „Blockade einer öffentlichen Straße“. Im Juli 2006 wurde eine Demonstration der UNT-Mehrheit und der FNCEZ in Caracas vom chavistischen Innenministerium verboten (trotzdem nahmen über 6.000 Menschen daran teil).
Im August 2006 wurden die Gewerkschaftsvertretungen bei PDVSA neu gewählt. Dabei kam es in der Förderregion Puerta la Cruz in Ostvenezuela zu einer wesentlichen Änderung. Die Erdölgewerkschaft Fedepetrol war hier weiter von der reaktionären CTV kontrolliert gewesen. Die C-CURA kandidierte unter der Führung von Jose Boda. Gegen die Prekärisierung forderte sie die rechtliche Gleichstellung aller Arbeiter/innen. Außerdem verlangte sie, dass kein Gewerkschaftsfunktionär ohne die Zustimmung einer Belegschaftsversammlung irgendetwas unterschreiben darf. Aus Ablehnung gegen die kämpferischen Erdölarbeiter/innen unterstützte der chavistische Wahlrat CNE die korrupte und reaktionäre CTV! Über 2000 CTV-Sympathisant/inn/en, die gar nicht Gewerkschaftsmitglieder sind, wurden vom Wahlrat anerkannt. Trotzdem schaffte die Liste von Jose Boda die Mehrheit und damit einen bedeutenden Sieg für die C-CURA.
SIDOR ist das größte Stahlwerk Venezuela, in dem nach der Privatisierung 1998 etwa 15.000 Arbeiter/innen beschäftigt sind, davon Tausende über private Leiharbeitsfirmen. Löhne werden oft lange nicht bezahlt, Sozialleistungen immer wieder gar nicht; die Arbeitssicherheit ist schlecht. Die Leiharbeiter/innen haben noch dazu niedrigere Löhne und weniger Rechte. Im Juni 2006 konnte durch eine Blockade der Werkstore durchgesetzt werden, dass bei einer Subfirma die Löhne erhöht werden. Im Spätsommer 2006 wurden nun fünf Arbeiter von der Nationalgarde unter dem Vorwurf der „übertriebenen Aneignung von Fabrikmaschinen“ inhaftiert. Darauf brachte die Stahlarbeiter/innen/gewerkschaft SUTISS, die der UNT-Mehrheit angeschlossen ist, die Produktion weitgehend zum Stehen und die Stadt Puerto Ordaz zum kompletten Stillstand. Durch eine Massendemonstration vor dem Justizpalast wurde die Freilassung der fünf Arbeiter erzwungen. Der chavistische Gouverneur der Bundesstaates Bolivar, Francisco Rangel Gomez, verurteilte die Proteste und nannte die fortgesetzte Militanz der Gewerkschaften wörtlich „Gewerkschaftsterrorismus“.
All diese Beispiele zeigen, dass die Regierung Chavez keine Regierung der Arbeiter/innen/klasse ist und schon gar keine antikapitalistische Regierung. Die staatlichen geförderten Kooperativen senken zwar die Arbeitslosigkeit, fördern aber durch extrem niedrige Löhne, (Selbst-) Ausbeutung und fehlende Gewerkschaften zugleich die Prekarisierung. Die Arbeitsbedingungen bei den staatlichen Lebensmittelgeschäften der Mission Mercal sind miserabel. Insgesamt sind die Reallöhne gesunken. An einer eigenständigen und klassenkämpferischen Arbeiter/innen/bewegung ist der Chavismus nicht interessiert.
Verstaatlichungen
Im Herbst 2006 setzte die Regierung auf ein relativ demokratisches Auftreten und stellte den Konflikt mit der kämpferischen Arbeiter/innen/bewegung zurück. Schließlich galt es im Dezember Präsidentschaftswahlen zu schlagen und sich dafür die Unterstützung des Proletariats zu sichern. In dieser Phase wurde beispielsweise im November 2006 im Bundesstaat Aragua von den etwa 800 Beschäftigten die Fabrik Sanatarios Maracay, die Sanitärkeramik herstellt, besetzt. Die führende Rolle im Betrieb spielt die UNT/C-CURA und das PRS-Mitglied Jose Villegas. Die Produktion konnte aber nur zu etwa 30% fortgesetzt werden, da es an den nötigen Rohstoffen mangelte und der chavistische Gouverneur entsprechende Zusagen nicht einhielt.
Aus den Wahlen im Dezember ging der Chavismus, obwohl das Ergebnis nicht so berauschend wie angestrebt und die Wahlenthaltung sehr hoch war, gestärkt hervor. Es folgten verbale Bekenntnisse des Präsidenten zum „Sozialismus des 21. Jahrhunderts“ und radikale Sprüche bis hin zu einem Kokettieren mit dem Trotzkismus. Am 1. Mai 2007 kündigte Chavez den Austritt aus IWF und Weltbank an, da diese „Instrumente des amerikanischen Imperialismus“ seien. Die Verstaatlichungspolitik wurde fortgesetzt, allerdings mit einer Konsensorientierung gegenüber den Besitzer/innen. So wurde die Telefongesellschaft CANTV vom Staat um 1,6 Mrd. $ und EDC (Electricidad de Caracas) sogar über dem Aktienwert gekauft.
Bedeutender ist die Fortsetzung der Verstaatlichungen der Erdölindustrie. Bereits seit 2006 wurde der Großteil der Erdölfelder von Joint Ventures ausgebeutet, in denen die westlichen Konzerne Minderheitspartner sind und die von PDVSA kontrolliert werden. Mit einem Erlass von Februar 2007 wurde das nun auch auf das Orinoco-Gebiet (Westvenezuela) ausgedehnt. Da das dortige Schweröl mittlerweile raffiniert werden kann, werden in diesem Gebiet die größten Erdölreserven der Welt vermutet; die Regierung hält bis zu 1370 Mrd. Barrel für möglich (derzeit hat Venezuela bestätigte Reserven von 80 Mrd. Barrel).
Im Orinoco-Gebiet fördern derzeit die vier Joint Ventures Ameriven, Cerro Negro, Petrozuata und Sincor, an denen zwar jeweils PDVSA beteiligt ist, die aber mehrheitlich im Eigentum von BP, Exxon/Mobil, Chevron, ConocoPhillips, Total und Statoil sind. Nach dem Chavez-Erlass muss PDVSA zukünftig jeweils mindestens 60% kontrollieren und die westlichen Konzerne müssen sich bis Ende Juni entscheiden, ob sie darauf einsteigen oder das Land verlassen. Außer Exxon/Mobil und Chevron suchen bereits alle intensiv nach einem Deal. Für die Übernahme der Unternehmensanteile sucht die Regierung das Einvernehmen mit den Konzernen, wobei sowohl Auskaufen (10 Mrd. $, die Venezuela nicht hat) als auch Auszahlen in Öl im Gespräch sind.
Gegenüber den Beschäftigten ist PDVSA weniger großzügig. Die Joint Ventures, also PDVSA und die Multis, haben ohnehin schon Schulden bei den Belegschaften. Nun haben sie auch die Kollektivvertragsverhandlungen aufgekündigt. Dadurch laufen einfach die alten Kollektivverträge weiter, was bei einer Inflation von 18% erhebliche Reallohnverluste bedeutet.
Chavistische Einheitspartei PSUV
Nach dem Wahlsieg im Dezember hatte Chavez auch angekündigt, dass all jene Kräfte, die den „bolivarischen Prozess“ unterstützen, nun auch eine gemeinsame Partei gründen würden, die Partei der sozialistischen Einheit Venezuelas (PSUV). Seitdem wird an der Formierung der neuen Partei gearbeitet. Dabei ist völlig klar geworden, dass die von Chavez abhängigen Staatsfunktionäre dominieren. An der Bildung der PSUV beteiligen sich auch Funktionäre der alten Linken, Teile der chavistischen „nationalen Bourgeoisie“ und chavistische Basisorganisationen. Die entscheidende Rolle spielt aber die Schicht von Gouverneur/inn/en, Parlamentarier/inne/n, Bürgermeister/inne/n, Armee- und Polizeioffizieren, die in der Chavez-Partei MVR konzentriert sind. Wie sich der Präsident die neue Partei offenbar vorstellt, zeigt die Kommission, die nach Libyen geschickt wurde, um die Strukturen der dortigen Gaddafi-Partei als Vorbild zu studieren. Vollkommen zurecht warnten Mitglieder von PRS und C-CURA bereits im Januar, dass die PSUV von oben nach unten aufgebaut würde und dass kleine Zirkel und Apparate hinter verschlossenen Türen bereits alles entschieden hätten.
Aber auch die Bündnisparteien der MVR in der Regierung, sind vom Projekt der Einheitspartei PSUV keineswegs so begeistert. Seit März 2007 hatte Chavez den Führungen von PPT, Podemos und der PCV wiederholt vorgeworfen, die PSUV-Gründung zu boykottieren – und mehr oder weniger direkt die Basis zum Übertritt in die PSUV aufgefordert. Tatsächlich lehnen die aus stalinistischer Tradition kommende PCV und die beiden linken, reformistischen Parteien PPT und Podemos einen raschen Zusammenschluss ab. Hinter diesem Konflikt stehen bürokratische Interessen. Die kleineren Regierungsparteien hatten bisher durch eine Art Proporzsystem eine bestimmte Menge an Posten in Regierung, Parlament und Rathäusern garantiert. Chavez verlangt nun die Auflösung der Parteien in die PSUV; da es in dieser neuen Partei wohl kaum Fraktionsrechte oder ähnliches geben wird, würden PPT, Podemos und PCV ihre eigenen Strukturen verlieren und sehen angesichts der MVR-Dominanz in der PSUV mittelfristig auch ihre Posten in Gefahr. Teile der drei Parteien sehen ihre Zukunft allerdings bereits jetzt in der PSUV und unterstützen offen Cavez gegen ihre eigenen Führungen. Ein Teil der orthodoxeren PCVler/innen lehnt, bei aller bisherigen unkritischen Unterstützung für den Chavismus und allem Eintreten für eine klassenübergreifende „Volksfront“ mit der „fortschrittlichen“ Bourgeoisie, eine Auflösung der eigenen Organisation ab. In der Folge wurde der Generalsekretär der PCV, Oscar Figuera, von Chavez im Fernsehen als „de facto Oppositioneller“ bezeichnet, womit er – im aktuellen Sprachgebrauch in Venezuela – in die Nähe der Konterrevolution gerückt wurde.
Am 24. März fand eine PSUV-Großveranstaltung mit über 2000 ausgewählten Gästen statt. Die klassenkämpferischen Gewerkschafter/innen der C-CURA wurden von Polizei/Security nicht in den Saal gelassen. Von den Gewerkschaften durfte nur Oswaldo Vera von der FBT/MVR sprechen. Hauptredner war natürlich Chavez selbst, der sich in seiner dreistündigen Ansprache nur 10 Minuten über die Gewerkschaften äußerte, dabei aber deutlich wurde: Die neuen Gewerkschaften [also die UNT] seien „vom bürgerlichen Gift der 4. Republik [also der vor-Chavez-Ära] getränkt“, weil sie die Unabhängigkeit der Gewerkschaften von Parteien und Regierung verteidigen. Mit einer eigenwilligen Berufung auf Lenin und Luxemburg erklärte Chavez, dass die Gewerkschaften nicht unabhängig von PSUV und Regierung sein könnten.
Die Verantwortlichen für den Kurs der Gewerkschaften – hier meinte der Präsident offensichtlich die Führung der C-CURA – seien „Dogmatiker“ und Dogmatiker/innen seien „Konterrevolutionäre“ (für Chavez gibt es in der „bolivarischen Bewegung“ zwei konterrevolutionäre Teile: die „Reformisten“ und die „Dogmatiker“). Die Gewerkschaftsführer/innen müssten sich einigen oder verschwinden. Da ja seine eigenen Leute die UNT gespalten hatten, ist hier wohl eine Einigung auf der diktierten Linie des Präsidentschaftspalastes gemeint. Jedenfalls werde er, Chavez, keine Gewerkschaftsvertreter/innen mehr empfangen, solange sie zerstritten sind; eine glatte Unwahrheit, denn mit seinen Gefolgsleuten der FBT berät sich „el Presidente“ immer wieder. Worum es Chavez hier geht, ist eindeutig eine Unterordnung der UNT unter Staat und Regierung, eine Verstaatlichung der Gewerkschaften.
Situation der Arbeiter/innen/bewegung
Seit dem Sommer 2006 ist der Einfluss der UNT-Mehrheit um die C-CURA weiter angewachsen. Sie dominiert die Industriegewerkschaften, besonders in der zentralen Industrieregion Carabobo/Aragua, seit Jose Bodas Wahlsieg spielt sie auch in den Erdölfördergebieten eine immer wichtigere Rolle. In Carabobo wurden auf einem Plenum mit 490 Delegierten Gewerkschaftswahlen eingeleitet, wodurch diese Region spätestens Ende Juli die einzige wirklich demokratisch legitimierte Gewerkschaftsführung des Landes haben wird.
Gleichzeitig muss aber auch festgehalten werden, dass die C-CURA im letzten dreiviertel Jahr auch immer wieder dem chavistischen Druck nachgegeben hat. Die Erwartung, dass nach den Präsidentschaftswahlen im Dezember der Druck auf und die Repression gegen die klassenkämpferischen Teile der Arbeiter/innen/bewegung steigen könnte, ist nicht sofort in vollem Ausmaß eingetreten. Das hat eine wesentliche Ursache darin, dass die C-CURA bis zum Frühjahr 2007 gegenüber der Regierung ohnehin sehr weich und zurückweichend agiert hat. So hat etwa die C-CURA (auf eigenmächtige Initiative von Ruben Linares) zum Zuge der Präsidentschaftswahl eine gemeinsame Wahlliste mit der rechtschavistischen UPV, die sich vor allem auf Kleinunternehmer/innen und Kleinkriminelle in Caracas stützt, gebildet (die wie viele andere Chavez als Spitzenkandidat hatten). Teilweise hat die C-CURA versucht, sich als die besseren Chavistas darzustellen. Teilweise sind sie für eine verfassungsgebende Versammlung eingetreten und haben (auf einer Linie mit CMR/IMT/Funke) die reformistische Illusion verbreitet, der Sozialismus könne über das Parlament eingeführt werden.
Dass die IMT gewählte Gewerkschaftsvertreter wie Jose Boda als bezahlte Funktionäre der PDVSA angreift, muss aber als unseriöse Denunzierung, die in einer feindseligen Konkurrenzhaltung gegenüber der PRS wurzelt, zurückgewiesen werden. Um eine grobe Falschmeldung handelt es sich auch, wenn IMT/Funke die Demonstration von 6000 Arbeiter/innen, die Anfang Februar mit der Forderung nach Verstaatlichungen durch Caracas zogen, als erfolgreiche „Aktionseinheit zwischen den unterschiedlichen Sektoren der UNT“ darstellten; auf der Basis des gemeinsamen Marsches von C-CURA und FBT könne die Einheit der UNT wiederhergestellt werden. Tatsächlich handelte es sich Anfang Februar um eine C-CURA-Demonstration; zu den 6000 Teilnehmer/innen waren gerade mal 50 FBT-Gewerkschafter/innen gestoßen, die gemeinsam mit der FBT-nahen CANTV-Gewerkschaft einen Block bildeten.
Eine wichtige Frage für die klassenkämpferischen Teile der Arbeiter/innen/bewegung ist auch das Verhalten gegenüber der PSUV. In der C-CURA gibt es Tendenzen, sich als radikaler, gewerkschaftlicher Flügel an diesem linken Einheitsprojekt zu beteiligen und damit den Bemühungen des Chavismus zur Kanalisierung von radikaleren Kräften nachzugeben. Es wird für die venezolanische Arbeiter/innen/klasse entscheidend sein, ob die UNT-Mehrheit um die C-CURA zu einer Staatsgewerkschaft domestiziert wird oder ob sie ihre Klassenunabhängigkeit von einer reformistischen (und damit bürgerlichen und auf dem Boden des Kapitalismus stehenden) Partei wie der PSUV und von einer links-bürgerlichen Regierung bewahren kann.
Anders als für eine Gewerkschaft, die ja eine Einheitsfrontorganisation des Proletariats sein sollte, kann für eine revolutionäre Partei/Organisation die Teilnahme an einer in Formierung befindlichen reformistischen Partei unter bestimmten Bedingungen (Zustrom von Basisaktivist/inn/en, anstehende Konflikte zwischen Führung und Basis, Möglichkeit der Propaganda für revolutionäre Positionen) zeitweilig möglich sein. Dabei darf es sich nicht um einen illusionären Reformierungsversuch der PSUV handeln, sondern um eine Taktik, um einen Teil der PSUV-Basis für den Aufbau einer revolutionären Partei zu gewinnen. Ob die Bedingungen für einen solchen Entrismus in der PSUV vorhanden sind oder ob der bürokratische Apparat um Chavez von Anfang an jede freie Diskussion im Keim erstickt, müsste konkret eingeschätzt werden.
Vor allem aber besteht derzeit in Venezuela kein geeignetes Instrument für eine solche Taktik. Die CMR/IMT ist eine linkschavistische Kleingruppe, die in der PSUV nur ein „marxistisches“ Feigenblatt abgeben kann. Die PRS aber ist selbst aber noch im Parteibildungsprozess stecken geblieben, hat es in den bald zwei Jahren seit ihrer Gründung verabsäumt, funktionierende Basisstrukturen und eine politisch vereinheitlichte und handlungsfähige Kaderorganisation aufzubauen. Ohne diese Voraussetzungen wäre eine Entrismus-Taktik in die PSUV verantwortungslos und müsste im Chaos enden. Dass sie sich fast ausschließlich auf die C-CURA konzentriert und den Aufbau der PRS vernachlässigt haben, ist eine wesentliche Kritik, die wir heute an den Genoss/inn/en mit revolutionärem/trotzkistischem Anspruch wie Orlando Chirino oder Stalin Perez Borges üben müssen – gerade deshalb, weil wir ihren Kampf mit Sympathie verfolgen.
Die PRS-Führung hat jedenfalls im April 2007 beschlossen, sich nicht an der PSUV zu beteiligen und als PRS eigenständig zu bleiben. Das ist angesichts des Entwicklungsstandes der PRS wohl eine richtige Entscheidung (taktische Bezugnahmen auf die PSUV, eine propagandistische Ausrichtung auf ihre Diskussionen, Einheitsfronten und sogar die lokale Mitarbeit in PSUV-Strukturen werden dadurch ja nicht ausgeschlossen) und konnte auch als eine wieder stärkere politische Abgrenzung von der Regierung positiv vermerkt werden.
Auch die C-CURA reagierte auf die Rede von Chavez auf der PSUV-Versammlung Ende März erst mal mit Widerstand. Als Antwort auf die Angriffe von Chavez auf die UNT/C-CURA veröffentlichten alle führenden C-CURA-Kader (inklusive der sehr Chavismus-freundlichen) einen Brief, der zwar im Ton eher sanft formuliert war, der aber recht deutlich die Notwendigkeit der Unabhängigkeit der Klassenorganisationen des Proletariats von der Regierung verteidigte. Und in einem langen Interview mit APORREA, der wichtigsten linken Internet-Zeitung in Venezuela, argumentierte Chirino deutlich klarer und schärfer gegen Regierung und Chavez als zuletzt und stellte dabei auch in den Raum, dass sich die C-CURA nicht an der PSUV beteiligen könnte.
Schließlich zeigte aber offenbar der Druck von Chavez auf die PRS und die C-CURA doch die erwünschte Wirkung. Die Entscheidung der PRS-Führung wurde von einem Teil von PRS beziehungsweise C-CURA nicht akzeptiert. Die verbliebenen prochavistischen Teile der C-CURA um Vilma Vivas und Ruben Linares, der PRS-Führer Stalin Perez Borges (und mit ihm wohl die Mehrheit der C-CURA in Carabobo) und der APORREA-Vertreter Gustavo Gomez kündigten an, dass sie sich an der PSUV beteiligen werden. Sie rufen die PRS-Mitglieder auf, ihnen nachzufolgen, um die PSUV, die sie als neue historische Etappe in Venezuela feiern, zu einer „sozialistischen, revolutionären und zutiefst demokratischen Partei“ zu machen. Bei diesem Kurs kann wohl kaum mehr von einem (angesichts fehlender Kaderorganisation falschen) Versuch revolutionärer Taktik gesprochen werden. Offensichtlich handelt es sich vielmehr um politische Anpassung an und Auflösung in das Parteiprojekt der Regierung, um einem illusionären Ummodelungsversuch einer reformistischen und bürokratischen Partei und damit um ein Abrücken von der Klassenunabhängigkeit des Proletariats handelt. Die PRS-Mehrheit, die die Unabhängigkeit der PRS und der C-CURA verteidigt, besteht im wesentlichen aus der Gruppe um Orlando Chirino, aus der Erdölarbeiter/innen/gewerkschaft um Jose Boda und aus der C-CURA in Aragua.
Dass in nächster Zeit vermehrt Konflikte zwischen dem chavistischen Regierungslager und der klassenkämpferischen Arbeiter/innen/bewegung auftreten könnte, zeigt nicht nur die erwähnte Einschüchterungsrede des Präsidenten. Ende April wollten Arbeiter/innen von Sanatarios Maracay nach Caracas fahren, um an einer Demonstration von FRETECO, des Zusammenschlusses der Arbeiter/innen der besetzten Betriebe, teilzunehmen. Ihre Busse wurden von der Polizei gestoppt; als sie daraufhin protestierten, wurden sie von Polizei und Nationalgarde mit Gummigeschossen und Tränengas angegriffen. 14 Arbeiter/innen wurden verletzt, 21 verhaftet, darunter der Gewerkschaftsvorsitzende des Betriebes Jose Villegas. Auch wenn sie nach zwei Tagen wieder freigelassen wurden und auch wenn es stimmt, dass der Gouverneur von Aragua ein besonders kapitalist/inn/enfreundlicher Chavist ist, der den Betriebsbesetzungen ablehnend gegenüber steht und der auch von Chavez schon kritisiert wurde, so trägt doch die Regierung eine Verantwortung für Gouverneur/innen ihrer Partei und auch für die Nationalgarde, die immerhin unter dem Kommando von Bundesbehörden steht.
Venezuela ist weltweit eines der Länder, in denen antikapitalistische Entwicklungen am weitesten fortgeschritten sind. Der „bolivarische Prozess“ ist mit Klassenkämpfen in verschiedensten Bereichen verbunden. Die Solidarität der internationalen Linken, die sich selbst als antikapitalistisch oder revolutionär versteht, sollte dabei nicht den regierungsamtlichen „Revolutionär/inn/en“ um Chavez gelten, die den Kompromiss mit der lateinamerikanischen und europäischen Bourgeoisie suchen und die revolutionären Entwicklungen bremsen, sondern der klassenkämpferischen Arbeiter/innen/bewegung, also der UNT/C-CURA und der PRS. Ein wesentlicher Bestandteil der internationalen Solidarität besteht darin, ihre Kämpfe und Positionen international bekannt zu machen und die in der internationalen Linken verbreiteten Chavez-Mythen mit der Realität zu konfrontieren. Internationale Solidarität mit den Genoss/inn/en der PRS und der C-CURA bedeutet aber auch eine kritische Auseinandersetzung mit ihren Positionen.