Wieder Sieg für die griechischen StudentInnen!

Durch entschlossenen Widerstand im Januar und Februar haben die Student/inn/en in Griechenland geplante Angriffe der Rechtsregierung zurückgeschlagen. Nach der Bewegung im Mai/Juni 2006 ist das bereits der zweite erfolgreiche Kampf der griechischen Studierenden innerhalb eines Jahres. Stefanos Ioannidis ist Aktivist der Bewegung in Thessaloniki und Mitglied der trotzkistischen OKDE-Ergatiki Pali. Mit ihm sprachen am 17. Februar für die AGM Maria Pachinger und Eric Wegner darüber, wie diese Siege möglich waren.

AGM: Wir hatten in unsere Flugschriftzeitung „roter stern“ einen Bericht über euren erfolgreichen Kampf im Mai und Juni. Kannst du nochmal kurz zusammenfassen, worum es dabei ging?

Stefanos Ioannidis: Die Nea-Dimokratia-Regierung hatte eine grundlegende Änderung der Universitätsgesetze geplant. Es sollte die staatliche Finanzierung reduziert werden, um so die Unis zu zwingen, sich selbst zu finanzieren – über Sponsoren und Studiengebühren. Als Antwort darauf entwickelte sich eine rasch anwachsende Widerstandsbewegung. Die Universitäten wurden bestreikt und besetzt. Sehr viele Student/inn/en beteiligten sich an den Vollversammlungen an den einzelnen Hochschulen. Vertreter/innen dieser Versammlungen koordinierten den Kampf in Stadtkomitees. Wir versuchten auch, ein landesweites Kampfkomitee zu bilden; dazu ist es aber nicht gekommen. Sehr wohl gab es aber Besetzungskomitees, die die Kontrolle der Studierenden über die Universitäten organisierten. Einmal pro Woche gab es Demonstrationen in allen Universitätsstädten, an denen immer mehr Studierende teilnahmen.

AGM: Was waren die Ergebnisse der Bewegung? Wie war der Sieg möglich?

Stefanos Ioannidis: Die Regierung sah sich schließlich gezwungen die „Reform“ zurückzuziehen. Der Grund dafür war die Entschlossenheit, mit der wir den Streik, die Besetzungen und Demonstrationen durchgeführt haben. Es gab auch eine wachsende Radikalisierung, die zu Angriffen auf Regierungsgebäude und Auseinandersetzungen mit der Polizei führte. Dazu kamen zunehmende Kontakte zu anderen Bevölkerungsteilen. Viele Lohnabhängige verfolgten unseren Kampf mit positivem Interesse.

AGM: Warum kam es jetzt nach den Weihnachtsferien zu einer neuen Bewegung? Was hatte die Regierung vor?

Stefanos Ioannidis: Die Regierung und die oppositionelle PASOK planten gemeinsam die Änderung von Teilen der Verfassung. Beispielsweise sollte die Arbeitsplatzsicherheit im öffentlichen Dienst aufgehoben werden. Und es sollte ein Verfassungsartikel, der festlegt, dass der Staat für die Universitäten und überhaupt die Ausbildung aufkommt und dass Firmen oder private Institutionen keine Universitäten betreiben dürfen, beseitigt werden. Dagegen richtete sich die neue Bewegung, die sich diesmal noch schneller entwickelte als im Mai. Bereits Mitte Januar, also nach nur einer Woche, waren 75% der Unis besetzt.

AGM: Kannst du uns noch genaueres über das Ausmaß der Bewegung erzählen?

Stefanos Ioannidis: Die Vollversammlungen waren wieder genau so groß wie im Mai und Juni. Die Demonstrationen fanden wieder wöchentlich in den verschiedenen Universitätsstädten statt; durchschnittlich waren es in Athen pro Woche 7-8000, bei uns in Thessaloniki 3-4000 pro Woche. Die Streiks und Besetzungen haben wir wieder sehr konsequent durchgeführt; den Lehrkräften haben wir nicht erlaubt, die Universitäten zu betreten. Unterricht und Forschung wurden auf nahezu allen Unis völlig unterbunden.

AGM: Wie haben sich die Lehrkräfte denn zu eurer Bewegung verhalten?

Stefanos Ioannidis: Sie waren gespalten. Ein Teil hat – aus finanziellen und politischen Gründen – die Regierung unterstützt. Ein wachsender Teil der Lehrkräfte und auch von anderen Universitätsangestellten hat aber unseren Kampf unterstützt; sie haben selbst einen Streik ausgerufen und auch an den Demonstrationen teilgenommen. Unsere Bewegung war jedenfalls wieder so strukturiert wie im Mai und Juni: Es gab wieder die Besetzungskomitees, die Vollversammlungen, die Stadtkomitees; ein landesweites Komitee konnte aber wieder nicht installiert werden.

AGM: Welche politischen Kräfte spielten denn in der Bewegung eine Rolle?

Stefanos Ioannidis: Wie schon im Mai und Juni dominierten auch diesmal wieder die Organisationen der radikalen Linken. Die KNE (die Jugendorganisation der im Parlament vertretenen stalinistischen KKE, Anm. AGM) hat sich diesmal, anders als im Mai und Juni, beteiligt; sie haben aber wieder Streiks und Besetzungen abgelehnt. Die PASOK-Student/inn/en haben teilgenommen, aber keine organisierende oder wichtige Rolle gespielt. In der PASOK gab es in der Frage ja heftige Konflikte; die Parteiführung war für die Verfassungsänderung, die Student/inn/en dagegen. Die Führung in der Organisation des Kampfes hatte aber eindeutig die radikale Linke. Zu nennen sind etwa hier die EAAK, eine linksradikale Student/inn/enorganisation, an der sich verschiedene Gruppen und Individuen beteiligen, oder die SSP, die Student/innen/organisation der OKDE.

AGM: Was kannst du uns über eure Beteiligung an der Bewegung erzählen? Mit welcher Stossrichtung hat die SSP interveniert?

Stefanos Ioannidis: Wir haben die Streiks und Besetzungen gefordert und haben uns daran aktiv beteiligt. Als wesentlich haben wir es auch angesehen, eine Verbindung zu anderen Bevölkerungsteilen herzustellen. Da die Gewerkschaft bürokratisch dominiert ist und unter den Schüler/innen nur die KNE eine Verankerung hat, sind wir dafür eingetreten, dass die Aktivist/inn/en der Bewegung selbst zu den Betrieben, Schulen und in die Wohnviertel gehen. Dort, wo die SSP Einfluss hat, also insbesondere in Thessaloniki, in Ioannina und Kozani, haben wir diese Schritte auch selbst organisiert und in die Praxis umgesetzt. Ein anderer wichtiger Punkt unserer Aktivität in der Bewegung war die Ausrichtung auf eine Verbreiterung gegen alle geplanten Verfassungsänderungen und gegen die neoliberale Politik überhaupt.

AGM: Was ist das Resultat der Bewegung der letzten Wochen?

Stefanos Ioannidis: Ein glorreicher Sieg! (lacht) Zur Überraschung aller Aktivist/inn/en haben sich die Regierung und die PASOK als sehr verwundbar herausgestellt. Die PASOK hat sich am 9. Februar von den Verfassungsänderungen zurückgezogen. Der Grund dafür ist sicherlich die große Unzufriedenheit der Bevölkerung mit der neoliberalen Politik, die zu internen Konflikten in PASOK und in Nea Dimokratia geführt hat. Jedenfalls kann der Verfassungsänderungsprozess nicht fortgesetzt werden: Die Regierung braucht die PASOK für die nötige Mehrheit zur Änderung der Verfassung. Außerdem gibt es für Verfassungsänderungen gesetzliche Fristen und Vorlaufzeiten, sodass der jetzige Ausstieg der PASOK aus dem Prozess wohl eine Verschiebung um etliche Jahre bedeutet.

AGM: Warum geht die Bewegung trotzdem weiter?

Stefanos Ioannidis: Die Regierung setzt die Diskussion über Umstrukturierungen der Universitäten fort. Sie plant offenbar, Teile der im Juni zurückgezogenen „Reform“ wieder neu als Gesetz vorzulegen. Das wollen wir verhindern. Außerdem ist die Student/inn/enbewegung selbstbewusst geworden. Viele von uns sagen, dass wir nicht nur defensiv agieren sollten, sondern für eine bessere Ausbildung und bessere Arbeitsbedingungen kämpfen müssen. Nach so langen Protesten ist dennoch unklar, wie lange die Bewegung noch andauern kann. Klar ist jedenfalls, dass die Regierung geschwächt ist; es gibt bereits Diskussionen über Neuwahlen, weil die Regierung nicht handeln könne. Und klar ist auch, dass es eine von der radikalen Linken geführte Bewegung geschafft hat, der Regierung zwei bedeutende Niederlagen zuzufügen.