Der Laden bleibt dicht! Arbeitszeitverkürzung statt Sonntagsöffnung!

Als in der Weihnachtszeit die süßen Kassen klingelten, entzündete sich eine alt bekannte Debatte zur Öffnung der sonntäglichen Einkaufspforten. Was einige Läden bereits illegal begonnen haben, soll zur Norm werden. Und auch wenn es um die Sonntagsöffnung wieder stiller wird, sei gewiss, dass das nächste Weihnachten nicht ausbleiben wird.

Besonders große Einkaufszentren wie die SCS in Wien-Vösendorf oder die Wiener Lugner City bzw. Einzelunternehmen wie Ikea, bürgerliche PolitikerInnen wie ÖVP-Wien-Chef "Gio" Hahn und nicht zuletzt die HändlerInnen der Wiener Innenstadt, wollen bezüglich der weiteren Liberalisierung der Ladenöffnungszeiten vorpreschen.

"Vor den Einkaufszentren Soprons und Bratislavas stauen sich jeden Sonntag hunderte österreichische PKW" lautet das Argument. Den Kaufkraftabfluss in Richtung "Osten" beziffert der österreichische Handel mit etwa 7-8%. Der britische Supermarkt Tesco etwa, hat 365 Tage im Jahr, 24 Stunden am Tag durchgehend geöffnet und wirbt in Österreich KundInnen an (und so lange es diese Differenz zu Österreich gibt, wird jede Verlängerung der Öffnungszeiten nur eine neuerliche Verlängerungsdiskussion nach sich ziehen).

Argumente

Sonntags offen bedeutet mehr Umsatz, mehr Umsatz bedeutet mehr Arbeitsplätze, so das Argument der BefürwortInnen aus der Wirtschaft. Der Rechtsaußen-Seitenblicke-Baumeister Richard Lugner, zweifelsohne nicht gerade einer der wiffesten Vertreter des österreichischen Kapitals, meint sogar, die Sonntagsöffnung würde unterm Strich 10% mehr Arbeitsplätze im Handel bringen.

Dagegen sprechen allerdings die Argumente der Gewerkschaft der Privatangestellten (GPA). Die sukzessive Verlängerung der Ladenöffnungszeiten in den Jahren 1989, 1997 und 2003, führte nicht zu mehr Vollzeitarbeitsplätzen, sondern lediglich zu einer vermehrten Einstellung von Teilzeitarbeitskräften. Tatsächlich: Vor allem im Handel ist eine Umwandlung von Vollzeitarbeitsplätzen in Teilzeit- oder geringfügige Beschäftigungsverhältnisse zu beobachten. Bereits mehr als ein Viertel (davon 94% Frauen) ist teilzeit- und jedeR Zehnte (76% Frauen) geringfügig beschäftigt. Eine Entwicklung, die sich natürlich für die Unternehmen bezahlt macht. Ist es doch bedeutend billiger, eine Arbeitskraft auf der Basis von 20 Wochenstunden anzustellen und diese dann 25, 30, 35 oder gar 40 Stunden im Geschäft stehen zu lassen, als sie korrekt anzumelden. Denn die Teilzeiteinstellung führt zu entsprechenden Einbußen bei Pension, Urlaubs- und Weihnachtsgeldern. Auch die Lohnfortzahlung im Krankenstand wird auf Basis der Teilzeit ausgezahlt.(1)

Außerdem, so argumentiert die Gewerkschaft nicht gerade unplausibel, fehle es den ÖsterreicherInnen nicht an Zeit zum Einkaufen, sondern an Münzen und Scheinen. Kein Wunder, bei dahingrundelnden Reallöhnen (im Gegensatz zu den Gewinnen der großen Unternehmen, die steigen nämlich kräftig) und einer Arbeitslosenrate von über 8%. Zudem sei der Zufluss von KonsumentInnen aus Tschechien, Ungarn oder der Slowakei, immer noch höher als der Abfluss aus Österreich.

Soweit, so gut. Aber ist es nicht eher die Aufgabe einer Gewerkschaft, bedingungslos hinter den Beschäftigten zu stehen, welche sie zu vertreten hat und das beste für diese herauszuholen, anstatt die UnternehmerInnen davon zu überzeugen, dass ihre Vorhaben in Wirklichkeit betriebswirtschaftlich überhaupt nichts bringen? Dabei fußen die Argumente der Gewerkschaft (bringt nicht mehr Umsatz) auf wackeligem Boden. Schließlich kalkulieren die KapitalistInnen beinhart und überlegen sich ganz genau, ob sie trotz höherer Kosten – aufgrund des Sonntagszuschlags – profitieren.

Arbeitszeit kürzen!

Viele argumentieren damit, dass es einfach bequem sei, am Abend oder am Sonntag einkaufen gehen zu können. Stimmt natürlich. Doch gilt es abzuwägen, ob die eigene Bequemlichkeit tatsächlich wichtiger ist als die drastische Verschlechterung der Arbeitsbedingungen für fast 500.000 Handelsangestellte. Doch nicht nur sie würden leiden. Wenn der Handel am Sonntag aufsperrt, hat das unmittelbare Folgen auf die Großmärkte, die Kinderbetreuungseinrichtungen, die Zulieferindustrie und letztlich auch auf die Produktionsbetriebe selbst. Somit hat eine Verlängerung in diesem Bereich mittelbare Auswirkungen auf einen Gutteil der Beschäftigten in Österreich.

Um für die Sonntagsöffnung zu werben, wird viel von "Freiheit" und "Selbstbestimmung" gefaselt und vorgeschoben, dass damit Menschen die unter der Woche viel arbeiten, das Leben leichter gemacht würde. Dankbar darf die alleinerziehende Mutter sein, dass sie nach ihren zwei Jobs jetzt endlich sonntags einkaufen gehen kann. Zweifelsohne eine Sackgasse. Niemandem (außer den KapitalistInnen) hilft eine Angleichung der Arbeitsbedingungen, damit es allen gleich schlecht geht. Wir hingegen sind für eine Arbeitszeitverkürzung auf 30 Stunden bei vollem Lohnausgleich – damit wäre wirklich vielen geholfen und bequemer wäre es auch! Selbstverständlich sind wir nicht prinzipiell dagegen, dass Menschen dann arbeiten können, wenn sie wollen. "Flexibilisierung" heißt im Kapitalismus aber leider in 99% aller Fälle, dass sie dann arbeiten, wann sie müssen.

Im Übrigen stehen die Einkaufszentren mit ihrer Meinung ziemlich alleine da. Auch wenn uns Glauben gemacht wird, dass die Menschen nur so danach gieren, endlich am Sonntag Zahnpasta und Autoreifen einkaufen gehen zu können, sprechen sich nach einer Market-Umfrage von 2004 lediglich 12% der Bevölkerung für die Sonntagsöffnung aus.(2) Dass das Angebot im Falle des Falles genutzt werden würde, wäre dennoch keine besondere Überraschung. Mehr Zuspruch findet allerdings die Forderung nach einer Sondererlaubnis für Geschäfte in "Tourismuszonen", wie der Wiener Innenstadt. Solch ein Erlass würde jedoch zum gefährlichen Selbstläufer: Andere Unternehmen und am Ende noch andere Branchen würden sich benachteiligt fühlen und ebenfalls am Sonntag aufmachen, bzw. arbeiten lassen wollen.

Fußnoten:
1) Mehr zur Situation im Handel: "Willkommen im freien Markt" in MR 33/05
2 Die Frage lautete: "Sollen die Geschäfte am Sonntag geöffnet werden?". Quelle: Presse vom 09.12.2005