Forderungen für eine Neuorientierung des ÖGB

Wir präsentieren hier eine aktualisierte und überarbeitete Stellungnahme zum ÖGB/BAWAG-Skandal und fassen unsere Forderungen für eine klassenkämpferische und demokratische Neuorientierung des Gewerkschaftsbundes zusammen.

  

Kämpfen statt Kuscheln!

Forderungen für eine Neuorientierung des ÖGB

Geschäfte geplatzt, Geld versenkt. Die Gewerkschaftsführung hat den ÖGB in die finanzielle Schieflage und die größte Krise seit seiner Gründung manövriert. Mit einigen Bauernopfern sollte die Basis beruhigt werden. Doch der Wurm sitzt tief im Gebälk und eine ÖGB-Reform muss radikal mit den alten Privilegien und dem Kuschelkurs mit dem Kapital aufräumen.

Die BAWAG hat mit ihren misslungenen Spekulationen Abermillionen an Gewerkschaftsgeldern in den Sand (der Karibik) gesetzt. Besonders brutal: Auch der ÖGB selbst hat zwischen 2002 und 2004 über eigene Firmen in Liechtenstein Kredite an die nun bankrotte Firma Refco vergeben. Auch der Streikfonds war verpfändet worden, als Ex-ÖGB-Chef Verzetnitsch und Ex-Finanzchef Günther Weninger im Jahr 2000 beschlossen, für die Verlustgeschäfte der BAWAG mit dem Gesamtvermögen des ÖGB (!) zu bürgen. Eine für die Gewerkschaftsbewegung grob fahrlässige Entscheidung, schließlich muss das Geld für den Ernstfall zur Verfügung stehen. Das Wohlergehen ihrer kapitalistischen Bank ging den ÖGB-Spitzen über die Interessen ihrer Mitglieder.

Nachdem klar war, dass der ÖGB den Karren BAWAG nicht mehr eigenhändig aus dem Dreck ziehen konnten, sprang die Bundesregierung in die Bresche. Dies geschah unter nicht unwesentlichem Druck von Seiten anderer österreichischer Banken, denen selbstverständlich klar war, dass ein Konkurs der Gewerkschaftsbank die gesamte heimische Finanzwirtschaft und die mit ihr verwobenen Unternehmen in eine Krise stürzen würde. Einmal mehr zeigt sich, dass das bürgerliche Geplapper über "freie Marktwirtschaft" nicht ernst zu nehmen ist. Denn in Krisenzeiten schreien die VertreterInnen des Wirtschaftliberalismus selbstredend nach dem Eingreifen des Staates wie ein Baby nach seinem Schnuller.

Nach einem Krisentreffen verkündete Bundeskanzler Wolfgang Schüssel, dass die Regierung und die Finanzhäuser des Landes der BAWAG mit Garantien und Krediten in Höhe von 1,35 Milliarden Euro unter die Arme greifen würden. Dafür verpflichtete sich der ÖGB, sein gesamtes Vermögen, also auch den Streikfonds, gegenüber der Nationalbank offen zu legen. Außerdem bekommt die Regierung die Anteile der BAWAG an der Österreichischen Nationalbank zu einem Spottpreis der einer Zwangsenteignung nahe kommt. Kurzum: Die Gegenleistung für die Bundeshaftung ist eine Frechheit: Sie kostet die Regierung kaum etwas – dafür bekommt sie Einsicht in den bislang geheimen Streikfonds.

Die Entscheidung, den Streikfond offen zu legen, war politischer Wahnsinn. Die Bürgerlichen erhalten so billig einen Einblick in die optionale Kampfkraft der Gewerkschaftsbewegung. Es mag sein, dass dem ÖGB in dieser verfahrenen Situation wenig anderes übrigblieb. Festzuhalten bleibt dennoch, dass diese Situation nur Ergebnis früherer Fehler war. Es ist aber auch erlaubt, zumindest die Frage zu stellen, was denn die Regierung getan hätte, wenn der ÖGB sich auf eine Auseinandersetzung eingelassen hätte und thematisiert hätte, dass die Regierung den BAWAG-Skandal benutzen möchte, um die Gewerkschaften entscheidend zu schwächen. Hätte es sich die Regierung im Wahljahr tatsächlich leisten können, keine Haftung auszusprechen, wenn der ÖGB die Offenlegung des Streikfonds verhindert hätte und für die Nationalbank-Anteile einen fairen Preis verlangt hätte? Die Bereitschaft, in diesen Tagen für den ÖGB auf die Straße zu gehen, war an der Basis, gelinde gesagt, sicher nicht sehr groß, doch in den Hochburgen hätte der Hinweis auf das Spiel der Regierung möglicherweise mobilisierbar gewirkt. Wir wissen natürlich nicht, ob das geklappt hätte. Es wäre aber zumindest den Versuch wert gewesen, anstatt sich in einem nächtlichen Geheimgespräch von Schüssel über den Tisch ziehen zu lassen …

Allerdings hat die Offenlegung des Streikfonds vielleicht auch ein Gutes: aktive GewerkschafterInnen mussten nun erfahren, dass der Streikfonds im Wesentlichen aus den ÖGB-Anteilen an der BAWAG bestand. Ist die ÖGB-Spitze verrückt? Wie hätten denn solche Anlagen und Beteiligungen im Falle eines Streiks kurzfristig zu Streikgeld für die Mitglieder gemacht werden können? Oder hätte sich die ÖGB-Spitze mit Hut und Klavier aus der gewerkschaftseigenen Bösendorfer-Manufaktur auf die Kärntner Straße in Wien gestellt und "Es tuat so weh, wenn ma verliert" gesungen? Entweder wollte uns die ÖGB-Spitze mit dieser Struktur des Streikfonds sagen, dass sie keine Ahnung von Arbeitskämpfen hat oder sie war fest davon überzeugt, sowieso nie in einen solchen verwickelt zu werden und damit den Streikfonds nicht zu brauchen. Wir wissen nicht, was schlimmer ist.

Nun konnte sich die Schüssel-Regierung als Retterin der Gewerkschaft aufspielen. Aber das (Wahlkampf-)Geschrei der ÖVP über "die roten Bosse", die die "Gewerkschaftsidee verraten" hätten ist mehr als unglaubwürdig. Ein ÖGB nach schwarzem Muster würde sich darauf beschränken, Service-Politik zu machen und gemeinsam mit den schwarzen Bossen Sozialabbau abzusegnen. Und die Freiheitlichen, die wieder einmal "den kleinen Mann" vertreten wollen, waren immer schon ausgesprochene Gewerkschaftsfeinde. Eine Partei, die permanent versucht, die ArbeitnehmerInnen durch rassistische Hetze zu spalten (anstatt sie zum gemeinsam Kampf für ihre gemeinsamen Interessen aufzurufen) kann keine ernsthafte Alternative innerhalb der Gewerkschaftsbewegung sein.

Jetzt, ganz zufällig kurz vor der Wahl, wurde der BAWAG-Skandal noch einmal aufgerollt. Ex-Bundeskanzler Vranitzky soll über ÖGB/BAWAG-Kanäle die SPÖ finanziert haben und bezeichnet das als Honorar für die Beratung von Banker Wolfgang Flöttl. Für eine Beratung zur Euro-Einführung in Form von ein paar Telefonaten und einem gemeinsames Essen kassierte Vranitzky ein "Beratungshonorar" von 72.000 Euro (!!) – sollen wir lachen oder weinen? Die SPÖ hingegen sieht Ex-ÖVP-Chef Josef Taus in den BAWAG-Skandal verwickelt. Für uns ist jedoch klar: In dieser Causa haben beide Großparteien Dreck am Stecken …

Aus diesem Grund fordern auch zahlreiche Stimmen, dass der ÖGB prinzipiell von politischen Parteien unabhängig sein müsste. Diese formale Unabhängigkeit geht allerdings an den konkreten Problemen vorbei. Die Politik, die der ÖGB verfolgt ist zentral, und nicht, ob Parteien in ihm eine Rolle spielen oder nicht. Denn Parteien an sich könnten ja genauso gut eine klassenkämpferische Politik verfolgen. Darum geht es! Denn nur mit einer kämpferischen Linie, die das Kapital herausfordert, werden die arbeitenden Menschen in diesem Land nicht weiter permanent über den Tisch gezogen. Dasselbe denken wir über die Forderung nach einem Rückzug von Gewerkschaftsvorsitzenden aus dem Nationalrat oder anderen Parlamenten. Auch hier gilt: Wichtig ist, was diese Personen dort vertreten! Folglich sollten sich alle KollegInnen dafür einsetzen, dass GewerkschaftsführerInnen im Parlament nur die Interessen der Lohnabhängigen vertreten und nicht jene des Kapitals.

BAWAG-Verkauf

Die BAWAG wurde in den 1920er Jahren als "Arbeiterbank" gegründet, ihr Eigentümer ist der ÖGB, der bisher im Aufsichtsrat der BAWAG vertreten war. Sie sollte eine rentable und sichere Anlagemöglichkeit sowie respektable Kleinkredite für ihre Klientel – arbeitende Menschen – bereitstellen. Über die Jahrzehnte hat sich die BAWAG zu einer stinknormalen kapitalistischen Bank entwickelt, die – wie alle anderen Banken auch! – hochspekulative Finanzgeschäfte betrieb und eine Reihe an Beteiligungen an kapitalistischen Unternehmen hält.

Über die BAWAG wurde so also auch der ÖGB zu einer beachtlichen Wirtschaftsmacht. Die Gewerkschaftsbank war im Besitz der PSK-Gruppe, der Sparda-Bank sowie der Verkehrskredit-Bank. Nun ist tatsächlich nichts dagegen einzuwenden, dass eine Gewerkschaft versucht, sich vom Kapital unabhängig zu machen und eine gewisse Infrastruktur (z.B. Gewerkschaftsheime, Medien, Druckereien, Verlage, Buchhandlungen, …) besitzt – vorausgesetzt, diese Betriebe arbeiten aufkommensneutral oder etwaige Gewinne werden für Zwecke verwendet, die der ArbeiterInnenbewegung dienlich sind. Die Druckerei Leykam, die Bücherzentren, sowie die 41,5 Prozent Beteiligung am Privatsender ATV+ könnten ja durchaus noch im politisch-strategischen Sinn interpretiert werden (real allerdings unterscheidet sich das Programm auf ATV+ keineswegs von dem anderer Sender – und wenn, dann bestenfalls dadurch, dass es teilweise noch niveauloser ist und noch weniger auf die tatsächlichen Probleme arbeitender Menschen eingeht). Doch andere Teile des bisherigen Firmenbestands des ÖGB werfen zumindest Fragen auf. So war der ÖGB bis vor kurzem mit mehr als 20% nach der Republik Österreich der größte Einzelaktionär der Österreichischen Nationalbank. Beteiligungen der BAWAG finden oder fanden sich unter anderem auch an den Casinos Austria, Cosmos/Köck, der Skifirma Atomic, der Voest Alpine oder dem Luxus-Klavierhersteller Bösendorfer. Besonders absurd ist wohl die Beteiligung an den Österreichischen Lotterien und den Casinos Austria. Zu Recht hatte die ArbeiterInnenbewegung über Jahrzehnte das Glückspiel bekämpft.

Ein solches Wirtschaftsimperium birgt natürlich neben dem unternehmerischen Risiko, wie jetzt bei der BAWAG schlagend geworden, noch weit brisantere Gefahren und Fragen für eine Gewerkschaft: Wie kann eine Gewerkschaft gleichzeitig Firmen-Eigentümerin und ArbeiterInnenvertreterin sein? Wie verhält sie sich in Lohnverhandlungen in den eigenen Betrieben?

Nachdem von bürgerlicher Seite, seien es PolitikerInnen, höhere Verwaltungsangestellte, Kreditinstitute oder die Medien, tage- und wochenlang Druck auf BAWAG und ÖGB ausgeübt wurde, sprach sich der ÖGB dafür aus, die BAWAG zu veräußern. Die Hetze, v.a. der bürgerlichen Medien sorgt also dafür, dass sich irgendein kapitalistischer Konzern, der der ArbeiterInnenbewegung so fern steht wie George Bush dem Weltfrieden, die BAWAG als "Schnäppchen" unter den Nagel reißen wird. Mehrere heimische und ausländische Kreditinstitute haben bereits ihr Interesse an einem Kauf der angeblich so heruntergewirtschafteten Bank bekundet. Wir haben uns bereits gefragt, ob es klug ist, wenn eine Gewerkschaft ein solches Firmenimperium besitzt. Der Verkauf zum jetzigen Zeitpunkt ist zwar aufgrund der finanziellen Misere wohl die einzige Möglichkeit, trotzdem halten wir fest, dass die ÖGB-Spitze sich in eine Situation begeben hat, wo der Verkauf der Beteiligungen den Charakter eines Ausverkaufs hat. Gleichzeitig treten wir dafür ein, dass die Gewerkschaftsbasis entscheiden soll, was mit der BAWAG geschieht – und nicht die ÖGB-Spitze im Alleingang!

Wer trägt die Verantwortung?

Heute werden Fritz Verzetnitsch oder die Banker Helmut Elsner und Wolfgang Flöttel als Schuldige geahndet, die Hauptverantwortung liegt allerdings bei der gesamten ÖGB-Führung. Es ist ziemlich billig, wenn jetzt etwa der große Schrecken über das Penthaus von Verzetnitsch ausbricht. Seit Jahren berichten die Medien immer wieder darüber. Jede/r in der ÖGB-Spitze wusste selbstverständlich davon. Es ist aber wichtig zu verstehen, dass wir es hier nicht mit fehlerhaftem individuellen Verhalten zu tun haben, sondern dass diese Zustände logisches Produkt der kapitalfreundlichen und undemokratischen Entwicklung des ÖGB seit 1945 sind.

Nach seiner Gründung im Jahr 1945 verpflichtete sich der ÖGB zur "Sozialpartnerschaft". Interessenkonflikte zwischen Beschäftigten und Unternehmen sollten künftig nicht mehr durch Arbeitskämpfe auszutragen, sondern auf dem "grünen Tisch" auszuhandeln sein. Die Gewerkschaftsführung zeigte sich dazu bereit, ArbeiterInneninteressen zugunsten der wirtschaftlichen Entwicklung hintanzustellen und zu vernachlässigen. Die Sozialpartnerschaft führte dazu, dass es in Österreich in den letzten 60 Jahren kaum zu großen Streiks gekommen ist. Ausnahmen wie der als "kommunistischer Putschversuch" diffamierte Oktoberstreik gegen das 4. Lohn-Preis-Abkommen 1950 stießen auf gemeinsamen Widerstand von Regierung und ÖGB. (Vor allem rechte SPÖlerInnen wie der Bau-Holz-Gewerkschafter Franz Olah, der mittels US-amerikanisch gestützter Rollkommandos die streikenden ArbeiterInnen zurück in die Betriebe prügelte, taten sich damals hervor.)

Es soll nicht geleugnet werden, dass die sozialpartnerschaftliche Politik teils sehr wichtige Verbesserungen für die werktätige Bevölkerung gebracht hat. Andererseits galt Österreich in den 70er Jahren in Europa als Billiglohnland. Außerdem hätten viel größere Verbesserungen auch direkt durch die Lohnabhängigen erkämpft werden können. Die Sozialpartnerschaft hingegen lähmte das Klassenbewusstsein und ließ Generationen völlig streikunerfahrener ArbeiterInnen zurück. Mit unserer Ablehnung des sozialpartnerschaftlichen Kurses meinen wir natürlich nicht, dass die Gewerkschaften überhaupt nicht mehr mit den Unternehmern verhandeln sollen (bspw. für Kollektivverträge). Aber solche Verhandlungen dürfen nicht hinter verschlossenen Türen stattfinden und müssen von der Gewerkschaftsbasis kontrolliert werden.

Solange sich der Kapitalismus weltweit in einer Aufschwungperiode befand, bekamen die Lohnabhängigen noch kleine Häppchen vom "Wirtschaftswunder" ab. Heute, in Zeiten einer strukturellen Krise der Weltwirtschaft, können und wollen die KapitalistInnen ihren Beschäftigten keine Zugeständnisse mehr machen. Der Widerstand von Seiten des ÖGB gegen die von sozialdemokratischen bzw. sozialdemokratisch dominierten Regierungen durchgesetzte Privatisierungspolitik seit den 80er Jahren und gegen die Sparpakete seit den 90er Jahren gestaltete sich – freundlich formuliert – äußerst mäßig. "Wir müssen sparen" sprachen SP-Regierung und ÖGB-Spitze wie aus einem Mund. Die ÖGB-Bürokratie hat diese Entwicklung und den damit verbundenen Machtverlust zwar stets beklagt, aber nie ernsthaft versucht, gegen die soziale Demontage vorzugehen.

Die fehlende Transparenz, die unterentwickelte demokratische und kontrollierende Kultur, spielte jenen in die Hände, die die Finanzen verwalteten. Solange das Geld aus der BAWAG floss, wollten die SpitzenfunktionärInnen lieber nicht so genau wissen woher, und die FunktionärInnen an der Basis, geschweige denn die Mitglieder, bekamen erst gar nicht die Möglichkeit, zu fragen. Die BAWAG spekulierte, machte Geld, und zahlte dem ÖGB Dividenden aus. Diese verwendete der ÖGB, um seinen Apparat zu finanzieren. Natürlich ist es zu begrüßen, wenn eine Gewerkschaft in der Lage dazu ist, hauptamtliche AktivistInnen anzustellen. Und im ÖGB arbeiten viele aufrichtige KollegInnen, die sich, ohne über irgendwelche Privilegien zu verfügen, für die Rechte der KollegInnen in den Betrieben einsetzen. Doch ein nicht irrelevanter Teil des Personalaufwandes des ÖGB ging und geht in die Bedienung der horrenden Gehälter und Pensionen seiner SpitzenrepräsentantInnen. (Im Jahr 2004 sind 134 Mio. Euro in den Personalaufwand geflossen sind, das sind gut 50% des Gesamtaufwands. Der größte Teil in die Bezahlung der Gehälter der einfachen ÖGB-Angestellten, doch eben auch nicht unerheblicher Anteil für die ÖGB-Bosse.).

Der ÖGB war in den vergangenen Jahrzehnten eine der potentiell stärksten Gewerkschaften weltweit. Bis in die 1980er Jahre konnte der Gewerkschaftsbund seinen ernorm hohen Organisationsgrad halten, seither gehen die Zahlen zurück. Viele Beschäftigte fühlen sich heutzutage in Anbetracht von Privatisierungen, dem Abbau von Arbeitsplätzen und Sozialleistungen oder der Prekarisierung von Arbeits- und Lebensverhältnissen vom ÖGB zu Recht im Stich gelassen.

Ein geschwächter ÖGB jedoch freut die bürgerlichen PolitikerInnen und ganz besonders natürlich die österreichischen KapitalistInnen. In Anbetracht der vergangenen wie drohenden Angriffe auf das Sozialsystem und die erkämpften Rechte der ArbeitnehmerInnen aber ist eine starke, kämpferische, demokratische Gewerkschaft unbedingt notwendig. Daher sind Gewerkschaftsaustritte der falsche Weg! Gerade jetzt ist es wichtig, in der Gewerkschaft zu bleiben beziehungsweise einzutreten. So wie die Kritik am ÖGB von Seite der ArbeitnehmerInnen richtig ist, ist es wichtig, gewerkschaftliche Strukturen gegenüber Regierung, Parlament, Wirtschaftskammer etc. zu verteidigen. Den ÖGB stärken, heißt ihn zu verändern! Zu fordern ist eine weitgreifende Umstrukturierung des ÖGB. Dafür ist es allerdings notwendig, die Basis des ÖGB mit einzubeziehen.

Wie weiter mit dem ÖGB?

Die Gewerkschaftsmitglieder müssen darüber entscheiden, wohin der ÖGB geht. Die Strukturen des ÖGB müssen transparent gemacht und für Einzel-Mitglieder endlich wirklich geöffnet werden. Die Schaffung demokratischer Strukturen innerhalb des ÖGB ist unbedingt notwendig. In Zukunft müssen sämtliche ÖGB-FunktionärInnen von unten nach oben jeweils demokratisch gewählt werden, ihren WählerInnen rechenschaftspflichtig sein und bei Bedarf jederzeit abgewählt werden können. Ein paar Urabstimmungen und alle vier Jahre ein Bundeskongress werden da nicht ausreichen. Alle wichtigen Entscheidungen müssen von den jeweils betroffenen KollegInnen selbst getroffen werden – von der Betriebsebene bis zu bundesweiten Abstimmungen.

Momentan verdienen die Gewerkschaftsspitzen viel zu viel! Dazu die Zahlen der ÖGB-Homepage: Präsident Rudolf Hundstorfer: 5206 Euro, Vizepräsidentin Renate Csörgits: 5464 Euro, Vizepräsident Johann Driemer: 6133 Euro, Vizepräsident Karl Klein: 6976 Euro, GPA-Vorsitzender Wolfgang Katzian: 5.727 Euro. Hinzukommen in vielen Fällen noch andere Einkünfte, z.B. Nationalrats- oder Landtagsmandate. Offensichtlich sind die KollegInnen an der Spitze also mit ihren Gewerkschaftsfunktionen keineswegs ausgefüllt – für bis zu 7000 Euro im Monat sollten wir das aber eigentlich von ihnen erwarten können.

Sämtliche FunktionsträgerInnen des ÖGB dürfen nicht mehr als einen durchschnittlichen FacharbeiterInnenstundenlohn verdienen, damit sie nicht vergessen, wen sie zu vertreten haben. Das ist (wie alle anderen Forderungen unsererseits auch) kein linke Utopie, sondern in anderen Gewerkschaften Realität. Als etwa vor kurzem der venezolanische Gewerkschaftsführer Stalin Pérez Borges Österreich besuchte, erzählte er uns ganz selbstverständlich, dass er weder luxuriös lebt, noch mehr als einE durchschnittlicheR IndustriearbeiterIn verdienen würde.

Auch hier gilt es wieder aufzupassen! Bürgerliche, die jetzt über ÖGB-Privilegien reden, sollen vor der Tür ihrer eigenen Penthäuser kehren. Nur die ArbeiterInnenbewegung hat Recht auf diese Kritik, nicht jene, die die gleichen Privilegien genießen. Wir als einfache Gewerkschaftsmitglieder müssen das Ende aller Privilegien fordern!

Zum Schluss haben wir noch einmal unsere Forderungen für eine Neuorientierung des österreichischen Gewerkschaftsbundes zusammengestellt:

ÖVP, BZÖ, FPÖ und alle anderen Bürgerlichen: Hände weg vom ÖGB! Was der ÖGB macht, hat die Bürgerlichen nichts anzugehen! Beseitigung der Missstände und Sanktion der Verantwortlichen durch die Gewerkschaftsbewegung, nicht durch den bürgerlichen Staat!

Den ÖGB zu verteidigen, heißt, ihn zu verändern! Austritte sind keine Lösung! Nur eine starke und selbstbewusste Basis kann die Zustände im ÖGB zum Besseren wenden!

Keine Haftung für die Verluste der Refco-Gläubiger durch den ÖGB!

Wahl sämtlicher FunktionärInnen des ÖGB durch die Basis! Diese müssen ihren WählerInnen rechenschaftspflichtig und bei Bedarf jederzeit abwählbar sein!

Alle wichtigen Entscheidungen müssen von den jeweils betroffenen KollegInnen auf der jeweiligen Ebene selbst getroffen werden – von Betriebsebene bis zu bundesweiten Abstimmungen!

Urabstimmung über alle wichtigen Entscheidungen wie z.B. Kollektivvertrags-Abschlüsse!

Jährliche Abhaltung des ÖGB-Bundeskongresses und der Kongresse der Teilgewerkschaften!

Der Stundenlohn sämtlicher ÖGB-FunktionärInnen muss dem durchschnittlichen FacharbeiterInnenstundenlohn angeglichen sein! Weg mit allen Privilegien für GewerkschaftsführerInnen!

Verstärkte Öffnung des ÖGB für Beschäftigte aus besonders unterdrückten Gesellschaftsschichten, wie z.B. Frauen und MigrantInnen! Offensive Kampagnen gegen Rassismus, Sexismus und andere Formen der Unterdrückung, die lediglich die arbeitende Bevölkerung spalten!

Für eine klassenkämpferische und internationalistische Linie des ÖGB! Kein defensives Zurückweichen vor Regierung und Konzernen! Keine Kapitulation vor so genannten "Sachzwängen" und der nationalistischen Standortlogik! Für ein offensive Politik des ÖGB! Dazu gehört u.a. der Kampf für eine Arbeitszeitverkürzung auf 30 Stunden bei vollem Lohnausgleich, für einen Mindestlohn von 1100 Euro netto oder eine Umorientierung in der Steuerpolitik weg von Massensteuern hin zu stärkeren Besteuerung von Gewinnen und Vermögen. Kampf für die Rücknahme aller Sozialabbaupakete der letzten Jahre und Jahrzehnte und für eine Wiederverstaatlichung der privatisierten Betriebe, diesmal jedoch unter Kontrolle der Beschäftigten!

Überarbeitete Stellungnahme der AL-Antifaschistische Linke,
Wien, 23.09.06