Jungindustrielle mit absurden Ideen

Während sich das ganze Land scheinbar nur mit zwei Themen beschäftigt – der Krise des ÖGB und der sogenannten "Ausländerproblematik" (wo sich Gusenbauers SPÖ den offen bürgerlichen Parteien in Riesenschritten annähert) werden anderswo und ziemlich unbemerkt absurde Ideen geboren …

Die Junge Industrie (JI), die Jugendorganisation der Industriellenvereinigung (IV), der Speerspitze des österreichischen Großkapitals hat unlängst eine Umfrage unter ihren Mitglieder gestartet. Thema: Die Zukunft der "Sozialpartnerschaft". Aus den Ergebnissen hat die JI sodann einen Katalog an Forderungen erarbeitet, der als Kampfansage an die österreichische arbeitende Bevölkerung gesehen werden kann.

Das vor kurzem von der Wirtschaftskammer vorgeschlagene Modell, Lohnerhöhungen in Zukunft nur mehr im Rahmen der Inflation abzuschließen, geht den Jung-KapitalistInnen noch lange nicht weit genug. Sie wollen die Lohnfindung völlig von der Inflationsrate entkoppelt wissen, denn diese sei als Richtwert "ein Relikt aus der Vergangenheit", so JI-Vorsitzender Martin Ohneberg. Geht es nach der JI soll alles "flexibler" werden, nur nicht die Löhne, die dürfen nicht steigen. Weiter: "Der ganze Rhythmus der großen Kollektivvertragsrunden ist eigentlich überholt. Das Lohnthema gehört auf die Betriebsebene. Und auch dort muss es nicht immer nach dem Gießkannenprinzip gehen."

Die JI fordert also, dass sich ArbeiterInnen (vertreten durch den Betriebsrat) ihre Löhne in jedem Betrieb einzeln aushandeln müssen. Und in Unternehmen, wo es keinen Betriebsrat gibt? Da müssten eben Einzelverhandlungen zwischen ChefIn und Lohnabhängigen geführt werden. Was die Jungindustriellen damit bezwecken wollen ist klar: Die historische Errungenschaft der kollektiven Verhandlungsmacht der ArbeiterInnen schwächen und letztendlich zertrümmern. In einer kleinen Firma, wo der/die ChefIn jederzeit ein paar LeiharbeiterInnen anheuern kann, ist es wohl nicht sehr effektiv, mit einem Streik zu drohen. Im Gegenteil, mit der Peitsche der Kündigung im Gepäck können die Bosse jederzeit enormen Druck auf ihre Belegschaften ausüben. Selbstverständlich will die JI den KapitalistInnen auch solche Maßnahmen erleichtern. So fordert Vorsitzender Ohneberg und sein Stellvertreter Georg Knill die Abschaffung des Kündigungsschutzes für Betriebsräte!

Im Bericht über die Sozialpartnerschaft-Umfrage auf der Homepage der IV (www.industriellenvereinigung.at) ist zu lesen: "Die Fragestellung nach der Trennung von Interessenvertretung und politischem Einfluss stellt sich für die JI nicht nur im Parlament. Auch auf Betriebsebene ist eine Trennung von echten Interessen der Mitarbeiter und politisch motivierten Fragestellungen sicherzustellen." Putzig! Wir können uns schon vorstellen, was Österreichs Jung-KapitalistInnen unter "echten Interessen der Mitarbeiter" verstehen. Die "Fragestellung nach der Trennung von Interessenvertretung und politischem Einfluss" kennen die Industriellen hingegen aus dem eigenen Metier ganz gut. Erinnern wir uns doch z.B. an des Finanzministers Homepage, die bekanntlich von der IV gesponsert wurde …

Am ÖGB kritisiert die JI, "dass dem Sichern und dem Ausbau so genannter wohlerworbener Rechte höhere Priorität beigemessen wird, als dem Schaffen idealer Rahmenbedingungen für das Entstehen neuer Arbeitsplätze." Unglaublich! Normalerweise werden die KapitalistInnen nicht müde zu betonen, dass sie ja bloß uneigennützige SamariterInnen sind, die den armen Menschen Arbeit und Brot geben (obwohl es sich ja genau umgekehrt verhält – die ArbeiterInnen erwirtschaften den Reichtum, denn die KapitalistInnen einsacken). Und jetzt auf einmal soll sich die Gewerkschaft um die Schaffung von Arbeitsplätzen kümmern?

Des weitern dürfen wir uns fragen, was denn die JI unter "so genannten wohlerworbenen Rechten" versteht – also Rechten, die nur "wohlerworben" genannt werden, es aber in den Augen der JI nicht sind. Der Standard zitiert die JungkapitalistInnen diesbezüglich folgendermaßen: "Eine ganze Palette von der Elternteilzeit über den Behindertenschein bis hin zum Entgelt- und Berufsschutz für Arbeitslose und den Kündigungsschutz für Betriebsräte ist der JI ein Dorn im Auge. 84 Prozent der JI-Mitglieder sind denn auch der Ansicht, Österreich sei sozialrechtlich überreguliert. 96 Prozent meinen, dass von Arbeitslosen die notwendige Flexibilität zur Eingliederung ins Berufsleben künftig ‚strenger eingefordert' werden muss."

Ja ja, mit der Flexibilität der Arbeitslosen, mit der ist's natürlich nicht weit her. Eigentlich unerhört, wenn jemand nicht 200 Kilometer entfernt vom Heimatsort um 800 Euro netto 40 Stunden in der Woche arbeiten will. Diese gierigen Arbeitslosen machen es den UnternehmerInnen nicht gerade leicht. Da kann nur mehr der – aus verlogenen Propagandagründen – sonst so verschmähte Vater Staat eingreifen. Aber halt! Was sich wie eine bitterböse Satire anhört ist in Österreich Realität. Zur Zeit sorgt eine Aktion des AMS für berechtigte Empörung. Denn das Arbeitsmarktservice bezahlt doch tatsächlich den Handelsketten Billa und Spar "Langzeitarbeitslose" als Urlaubsvertretungen für die Sommermonate zu 100%! Schließlich hätten die Unternehmen versichert, sie würden ganze 25% (!) der Betroffenen nach dem Sommer fix einstellen.

Es ist kein Wunder, dass die Vorschläge der JI, die natürlich auch von der IV gutgeheißen werden, gerade jetzt ins Treffen gebracht werden. Schließlich liegt der einst so mächtige ÖGB nach dem BAWAG-Skandal am Boden. Die Gewerkschaft, die seit Wochen und Monaten mit sich selbst beschäftigt ist, würde zum jetzigen Zeitpunkt nur belächelt werden, falls sie den Vorstößen der Industriellen offensiv antworten würde. Aber gerade die drohenden Angriffe auf den Lebensstandard der arbeitenden Bevölkerung in diesem Land zeigen die Notwendigkeit starker, demokratischer und kämpferischer Gewerkschaften auf – also genau das, was der ÖGB momentan mit Sicherheit nicht ist. Austritt ist keine Lösung, sondern nur Wasser auf die Mühlen der KapitalistInnen, die sich bestätigt fühlen, während sie sich schadenfroh über die Rückgänge der ÖGB-Mitgliedszahlen freuen.

Wir als einfache Gewerkschaftsmitglieder müssen gegen die Bürokratisierung unserer Vertretungsorgane ankämpfen. Wir müssen dafür eintreten, dass unsere "VertreterInnen" unsere Interessen nicht weiterhin auf dem Altar des Kapitals opfern. Wenn JI-Geschäftsführer Johannes Höhrhan meint: "Der Klassenkampf ist längst vorbei" müssen wir ihm antworten: Nein! Der Klassenkampf ist noch lange nicht vorbei. Dem Klassenkampf von oben, dem Klassenkampf von JI, IV, Schüssel, Grasser und Konsorten müssen wir einen Klassenkampf von unten, einen Klassenkampf aller in Österreich lebenden Lohnabhängigen entgegenhalten!

Quellen:
www.jungeindustrie.at
www.industriellenvereinigung.at
http://derstandard.at/?id=2526739