Goldene Palme für den linken Filmemacher Ken Loach

Der revolutionäre Filmemacher Ken Loach ist der große Sieger der 59. Internationalen Filmfestspiele von Cannes. Für seinen neuen Film "The Wind That Shakes The Barley" verlieh ihm die Jury am 28. Mai 2006 die "Goldene Palme", einen der wichtigsten Filmpreise weltweit.

Ken Loach macht seit Jahrzehnten politisches Kino. Loach folgt dabei nicht den Mythen scheinbarer Objektivität: Er bezieht Stellung, steht auf Seiten der ArbeiterInnenklasse und ihrer Kämpfe – und er steht dazu.

Loach sieht genau hin, er ist in vielen seiner Filme sehr nah an den aktuellen Kämpfen und Auseinandersetzungen des Proletariats. "The Navigators" etwa zeigt die Folgen der Privatisierung der englischen Eisenbahnen, den steigenden Arbeitsdruck, aber auch das Alltagsleben britischer Eisenbahner. In "Bread and Roses" (benannt nach der Losung der US-Arbeiterinnenbewegung "wir wollen Brot, wir wollen aber auch Rosen") schildert Loach die erfolgreichen Arbeitskämpfe illegaler mexikanischer Einwanderinnen im Süden der USA, die ihre gewerkschaftliche Organisierung erreichen – die Vorkämpferin ihres Erfolgs allerdings wird abgeschoben. Dennoch findet der Film ein positives Ende, zeigt die Sinnhaftigkeit politischen Kampfes. Dabei bleibt der Film immer realistisch, zeigt die Schwierigkeiten, Sorgen und Nöte immigrierter Frauen in den USA.

Kämpfende Hafenarbeiter

"Dockers", ebenfalls ein herausragender Film von Loach, führt den Regisseur in ein anderes Genre, jenes der Dokumentation. Er begleitet filmisch den über drei-jährigen Kampf der Dockarbeiter von Liverpool und ihrer Frauen ("Woman of the waterfront") gegen Tagelöhnerei und für gerechte Arbeitsbedingungen. Der Film zeigt berührende Beispiele internationaler Solidarität (die nicht unwesentlich von britischen TrotzkistInnen organisiert worden war, die in Liverpool in den 80ern sogar die Führung im Stadtrat hatten) aber auch den Verrat des britischen Gewerkschaftsdachverbands TUC, der die Streikenden im Stich ließ. Das Ende des Film, eine Großdemonstration durch die Straßen Liverpools, zeigt die potentielle Macht der ArbeiterInnenklasse – wenn sie gemeinsam und solidarisch agiert.

Land and Freedom

Loach arbeitet aber auch historisch. Sein berühmtester Film ist hier zweifellos "Land and Freedom", sein wunderbar kämpferisches und ungemein berührendes Werk über die Arbeit der linksoppositionellen POUM im spanischen BürgerInnenkrieg. Der Film orientiert sich dabei stark an der Geschichte des berühmten Schriftstellers George Orwell, der in "Mein Katalionien" seine Erlebnisse aufgearbeitet hat.

Loach malt am Beispiel der Geschichte des Liverpooler Arbeitslosen David, der als treues Mitglied der Kommunistischen Partei nach Spanien geht und zufällig in eine Miliz der sich auf den Trotzkismus beziehenden POUM gerät, ein Bild des Krieges. Loach zeigt die Greuel der FaschistInnen, den Enthusiasmus der RevolutionärInnen, die Debatten der kämpfenden GenossInnen um den richtigen Weg für die Revolution. Er schildert die zunehmende Repression des stalinistischen Apparats gegen die POUM, die Hetze, die Folterungen und Ermordungen, denen schlussendlich auch Davids enge Kampfgefährtin Blanca zum Opfer fällt. David kann gerade noch entkommen, davor hatte er in einer Schlüsselszene des Filmes seinen Mitgliedsausweis der Kommunistischen Partei zerrissen und sich so endgültig zur Linken Opposition bekannt.

Der Beginn des Films zeigt ein typisches britisches ArbeiterInnenviertel in den 90ern. Einem alten Mann geht es schlecht, die Rettung muss geholt werden (im Stiegenaufgang sind trotzkistische Plakate zu sehen). Es gibt aber keine Hilfe mehr, seine Enkelin blättert schließlich seinen Nachlass durch, findet dort Broschüren und Zeitungen, die die Kämpfe der britischen Linken bis in die 90er widerspiegeln. Schlussendlich findet sie Zeitungen aus den 30ern über den spanischen BürgerInnenkrieg und Briefe, die David an seine Freundin daheim geschickt hat. Während des ganzen Films arbeitet der Film dann immer wieder mit Ausschnitten aus diesen Briefen, um gewisse Ereignisse zu schildern. (Entstanden ist diese Technik aus der Not: Loach erzählte einmal, anders wäre der Film nicht finanzierbar gewesen.)

In seinem letzten Brief aus Spanien, bevor er flüchtet, zieht David das klare Resumee, das der Kampf, trotz der Niederlage nicht umsonst gewesen sei. Und sein Nachlass zeigt, dass er sich daran gehalten hat. Der letzte Schnitt des Films gehört wiederum der Gegenwart: Bei Davids Begräbnis nimmt die Verwandschaft mit erhobenen Fäusten Abschied von einem lebenslangen Kämpfer.

Die Wahrheit sagen

Auch sein neuester Film, "The Wind That Shakes The Barley", beschäftigt sich mit einem historischen Thema, dem Kampf der Unterdrückten Irlands gegen den britischen Kolonialismus in den 20er Jahren. Loach meint dazu, sein Film solle den Briten einen Schritt weit helfen, ihrer "imperialistischen Vergangenheit" ins Gesicht zu sehen. "Wenn wir wagen, die Wahrheit über die Vergangenheit zu sagen, werden wir vielleicht auch wagen, die Wahrheit über die Gegenwart zu sagen." Loach verknüpft die historischen Erfahrungen Irlands klar mit der Gegenwart: "Das ist eine sehr wichtige Geschichte, über die in England nicht geredet wird. Die Engländer haben schreckliche Dinge in Irland getan. Jetzt hat England Truppen im Irak. Es geht um eine Besatzungsarmee, die der Zivilbevölkerung schlimme Dinge antut."

Es ist sicher kein Zufall, dass Loach in den Roten Kinos der AL eine besondere Rolle spielt. Von den bisher 22 Filmen, die wir in dieser Reihe zeigten, führten vier Loach als Filmemacher. Gegen die Einfältigkeit bürgerlichen Hollywood-Kinos nimmt Loach eine herausragende Stellung ein. Ein außergewöhnlicher Regisseur, der unmittelbaren Anteil an den Kämpfen der ArbeiterInnenklasse nimmt. Natürlich wollen wir die Filme von Ken Loach allen LeserInnen ans Herz legen – doch wir wissen uns mit ihm einer Meinung, wenn wir sagen, dass das passive Filmvergnügen nicht reicht. Denn alle Filme von Loach zeigen handelnde Personen, die ihr Schicksal nicht einfach hinnehmen, sondern aufstehen, sich bewegen, kämpfen. Und worauf warten wir noch?