Erfolgreiche Tour von Stalin Perez Borges in Deutschland und Österreich

Gemeinsam mit anderen Organisationen und Einzelpersonen haben wir im Rahmen der „Plattform für ein sozialistisches Venezuela“ Stalin Perez Borges, den Co-Vorsitzenden der größten venezolanischen Gewerkschaft UNT, nach Europa eingeladen. Der Textilarbeiter Perez Borges ist ein führender Aktivist der C-CURA (Clasistas), des klassenkämpferischen Flügels der UNT, und der sich in trotzkistischer Tradition sehenden Partido Revolucion y Socialismo (PRS).

In Wien gab es vier Veranstaltungen mit Perez Borges. Im Favoritner Arbeiterheim sprach er vor 80 Mitgliedern der Fraktion sozialdemokratischer Gewerkschafter (FSG), im Kongresshaus bei einer Veranstaltung der Gewerkschaften der Eisenbahner (GdE), der Gemeindebediensteten (GdG) und der Privatangestellten (GPA) vor 50 Gewerkschafter/innen. 35 Personen kamen zum „politischen Grillfest“ der GPA-Jugend zu Diskussionen mit Perez Borges. Zur Veranstaltung der „Plattform für ein sozialistisches Venezuela“ selbst kamen – trotz der gleichzeitig stattfindenden Chavez-Show in der Arena – 155 Personen, um eine linke und kritische Einschätzung der Situation in Venezuela zu hören.

In München organisierten auf Anregung der AGM aus Wien die Marxistische Initiative und andere Organisationen eine Veranstaltung mit Perez Borges, zu der 110 Personen kamen. An der Veranstaltung des „Gewerkschaftsforum Hannover“ mit ihm in Hannover nahmen 50 Personen teil. Auf Initiative der AGM-Berlin und organisiert von der Berliner WASG und insbesondere den Genoss/inn/en der Sozialistischen Alternative Voran (SAV) sprach Perez Borges in Berlin vor 120 Personen.

Trotz unterschiedlichen Schwerpunkten in verschiedenen Milieus analysierte der sympathische venezolanische Gewerkschafter überall sehr gut die widersprüchliche Situation in Venezuela. Er zeigte einerseits die Errungenschaften des „Bolivarianismus“ für die Arbeiter/innen/klasse auf, sparte aber dort, wo die Regierung Chavez eine bremsende Rolle spielt und den Ausgleich mit Bourgeoisie und Imperialismus sucht, auch nicht mit Kritik. Er betonte insbesondere die Notwendigkeit der politischen und organisatorischen Unabhängigkeit der Arbeiter/innen/klasse in Venezuela und international.

Mit der Einladung von Stalin Perez Borges ist es uns gelungen, im Rahmen der Gegenveranstaltungen zum EU-Lateinamerika-Gipfel in Wien einen Kontrapunkt zu dem in der europäischen Linken weit verbreiteten Chavez-Hype zu setzen. Es war deshalb auch nur zu logisch, dass wir von Seiten der deutschsprachigen Chavez-Fans mit einigem Gegenwind konfrontiert waren:

So versuchten Genossen der Funke-Gruppe (die österreichische Sektion der sogenannten „International Marxist Tendency“ (IMT)) bzw. der Funke-Vorfeldorganisation „Hands-off-Venezuela“ zu verhindern, dass Perez Borges auf der FSG-Veranstaltung sprechen kann, da sie offensichtlich kritische Töne gegenüber der Regierung Chavez nicht zulassen wollten. Erst als sozialdemokratische Gewerkschafter/innen klarstellten, dass sie Perez Borges hören wollten, mussten die Funke-Funktionäre ihr Manöver aufgeben. Dass die Funke-Website nun versucht einen gemeinsamen Auftritt von Perez Borges mit dem eigenen Funke-Gast von den UNT-Clasistas, Ruben Linares, bei der FSG zu vermarkten, ist schon mehr als scheinheilig.

Einige Veranstalter des Alternativ-Gipfels in Wien verweigerten die seit langem angekündigte Pressekonferenz mit Perez Borges im Rahmen des Alternativ-Gipfels mit der skurrilen Argumentation, dass eine Debatte über „innervenezolanische Probleme“ nicht erwünscht sei. Da ja wohl auch Presidente Chavez über innervenezolanische Probleme sprach, hieß das im Klartext nichts anders als dass nur die offizielle chavistische Regierungslinie am Alternativ-Gipfel zu vertreten sei. So viel zur politischen Grundhaltung der professionellen zivilgesellschaftlichen Pluralisten im Alternativ-Gipfel. Erst nach massiven Interventionen der „Plattform für ein sozialistisches Venezuela“ konnte die Pressekonferenz gegen diese bürokratischen Maßnahmen durchgesetzt werden.
 

Der Termin der Veranstaltung mit Aleida Guevara und Hugo Chavez wurden auf genau den Termin festgesetzt, für den seit langem die Veranstaltung mit Perez Borges angekündigt war. Gegen den Widerstand von Teilen der Alternativas-Unigruppe setzte die Funke-Gruppe diesen Termin durch. Das hatte für die Funke-Führung sicherlich die gewollten Effekte, dass sich weniger Leute die kritischeren Positionen von Perez Borges anhörten und dass die radikaleren Teile der Wiener Linken von der eigenen Chavez-Fiesta ferngehalten wurden. Außerdem war es wohl auch kein Zufall, dass die Veranstaltung mit Perez Borges auf der website des Alternativ-Gipfels mit einem falschen Datum angekündigt wurde und es die Organisatoren – trotz zahlreicher Interventionen – bis unmittelbar davor nicht schafften das zu ändern.

In Berlin hatte der Funke in Form des Netzwerk Venezuela für den selben Tag eine Veranstaltung mit Ruben Linares angekündigt wie die WASG-Berlin mit Stalin Perez Borges. Da der Funke hier aber nur eine kleine Gruppe ist und fürchten musste, dass die Veranstaltung mit Perez Borges größere würde als die eigene, trat er hier plötzlich an die WASG-Berlin heran, um die Veranstaltungen zusammen zu legen. Da wir und Perez Borges das Funke-Sektierertum in Wien nicht mit gleichem vergelten wollten und auch SAV und WASG-Berlin das so sahen, wurde zugesagt eine gemeinsame gleichberechtigte Veranstaltung zu machen – und zwar in den besser geeigneten Räumlichkeiten, die der Funke organisiert hatte. Letztere Tatsache nutzte der oberste Funke-Funktionär in Deutschland aber schließlich dazu, „als Veranstalter“ bürokratisch durchzusetzen, dass neben Perez Borges und Linares nur er selbst vom Podium sprechen konnte. Ein weiteres bezeichnendes Beispiel dafür, dass die vorgeblich „marxistische“ Funke-Strömung unseriös agiert und bürokratische Manöver der Einhaltung von Abmachungen in der Linken vorzieht.

Innerhalb der Venezuela-Solidarität wird Kritik an Chavez von vielen Linken als eine Art Majestätsbeleidigung aufgefasst. Bei den Veranstaltungen in der Arena und der Wiener Stadthalle handelte es sich dann auch keineswegs um einen „Dialog“ zwischen Chavez und der österreichischen Arbeiter/innen- und Jugendbewegung, wie das von der Funke-Gruppe beworben wurden. Statt fanden vielmehr Chavez-Jubelshows, wo es für Diskussion keinen Platz gab.

Bemerkenswert bei der Veranstaltung in der Arena war dabei auch, dass die Hands-off-Venezuela-Kampagne Linares nicht sprechen ließ, weil Chavez bzw. seine Berater und die chavistischen Gewerkschaftsfunktionäre nicht wollten, dass ein Clasista (und auch nicht ein so gemäßigter wie Linares) mit dem Präsidenten auf dem gleichen Podium spricht. Die Rechtfertigung der Funke-Bürokraten für diesen Kniefall vor Chavez, dass nämlich viele andere auch nicht hätten sprechen können, ist insofern lächerlich, als dass diese „anderen“ – anders als Linares – auch nicht als Redner angekündigt worden waren (und sich für eine Ansprache eines Funke-Funktionärs sehr wohl der Platz fand).

Die vom Funke organisierte Begrüßungskundgebung vor dem Hilton-Hotel, wo Chavez abgestiegen war und wo die Funke-Aktivist/inn/en in Chavez-T-Shirts („Venezolaner und Österreicher vereinigen sich“) stundenlang warteten, um dem „maximo dirigente“ zuzuwinken, und die sektiererische und bürokratische Haltung der Funke-Führung gegenüber dem PRS-Genossen Perez Borges zeigen, wie weit die politische Unterordnung unter das klassenübergreifende Bündnis des Chavismus durch Organisationen wie den Funke bereits geht. Eine solche Haltung hat viel mit Reformismus und Volksfront und nichts mit Marxismus oder Trotzkismus zu tun (worauf sich Funke/IMT unpassenderweise berufen). Eine solche Haltung lässt für zukünftige Konflikte zwischen der chavistischen Staats- und Gewerkschaftsbürokratie einerseits und der Arbeiter/innen/klasse und insbesondere des Clasistas andererseits Unerfreuliches befürchten – nämlich dass Teile der europäischen Linken (verschiedenste stalinistische Gruppen und „Trotzkist/inn/en“ wie der Funke) zum linken Feigenblatt für eine zwischen Arbeiter/innen/klasse und Imperialismus lavierende „bolivarianische“ Bürokratie werden.

Wir denken, dass Vertrauen auf einen „starken Mann“, an den die eigenen Hoffnungen delegiert werden, der Linken noch nie gut getan hat. Wir betrachten den Besuch von Stalin Perez Borges als erfolgreichen Schritt beim Aufbau einer Venezuela-Solidarität, die vor allem der kämpferischen Arbeiter/innen/bewegung (und nicht einer schwankenden Regierung) gilt.