Die Landtagswahlen und die Linke – Eine Stellungnahme der AL

1. Die Landtagswahlen in der Steiermark und im Burgenland brachten eine deutliche Linksverschiebung, dieser Trend wird sich bei den Landtagswahlen in Wien fortsetzen. Waren es in der Steiermark SPÖ und KPÖ und im Burgenland die SPÖ allein, die den Linksruck herbeiführten, werden in Wien SPÖ und Grüne hinzugewinnen. Für die SPÖ werden die Wahlen zu einer klaren absoluten Mehrheit führen. Die diversen linken Kandidaturen – insbesondere jene der KPÖ – werden Achtungserfolge auf kleinem Niveau erzielen, aber keineswegs an das Ergebnis in der Steiermark herankommen.

2. Das wesentlichste Ergebnis dieser Wahlrunde – ungeachtet des kommenden Wiener Ergebnisses – ist der herausragende Erfolg der steirischen KPÖ, die mit 6,3 % in den Landtag einzieht. Dieser Erfolg wird noch deutlicher, wenn das Ergebnis der zweitgrößten Stadt Österreichs, Graz, herangezogen wird, dort kam die KPÖ auf 14,03%. Auch in den traditionellen Industriegebieten der Obersteiermark (Leoben, Kapfenberg, Bruck/Mur, Eisenerz, Fohnsdorf, …) hat die KPÖ zumeist sehr gute Ergebnisse erzielt.

3. Die Reaktion der Bürgerlichen auf diesen Erfolg ist bemerkenswert. Führende ÖVP-PolitikerInnen von Schüssel abwärts warnen nun vor der roten Gefahr. Schon die ÖVP hatte im steirischen Wahlkampf auf diese Karte gesetzt – wie die WählerInnenstromanalysen zeigen, umsonst, kam doch ein wesentlicher Teil der KPÖ-WählerInnen aus dem Lager der ÖVP.

4. Auch die bürgerlichen Medien haben einen Linksruck ausgerufen, kaum ein Tag in den letzten Wochen verging, ohne dass irgend ein Medium einen Artikel über die KPÖ, ihren steirischen Frontmann Kaltenegger oder die Linke im Allgemeinen veröffentlichte. Das Profil fürchtete sich gar vor einer bundesweiten gemeinsamen Wahlallianz aus KPÖ, "Globalisierungsgegnern", TrotzkistInnen und dem linken Flügel der Grünen. Dementgegen steht die Ausgrenzungspolitik des ORF, der es geschafft hat, am Wahlabend eine Diskussion über die Auswirkungen der Steiermark-Wahl mit VertreterInnen aller Parteien außer der KPÖ zu organisieren.

5. Das Ergebnis der KPÖ hat die politische Diskussion in Österreich nachhaltig verändert. Es ist klar geworden, dass das Wort "Kommunismus" mittlerweile einiges von seinem Schrecken verloren hat, der sich in Österreich sowohl aus dem vorherrschenden Antikommunismus wie aus den realen Erfahrungen mit dem Stalinismus speist. Es hat sich gezeigt, dass "links" Stimmen zu holen und Wahlen zu gewinnen sind. Eine Gallup-Umfrage nach den steirischen Wahlen ergab, dass 15% der WählerInnen sich prinzipiell vorstellen können, einer "KPÖ nach dem steirischen Muster" bei Wahlen ihre Stimme zu geben.

6. Diese Entwicklung fand statt, obwohl die steirische KPÖ keineswegs kommunistische Politik im eigentlichen Sinn gemacht hat. Ihre Politik erscheint vielmehr als eine Mischung aus links-sozialdemokratischen Konzepten und katholischer Soziallehre. Der nunmehrige steirische KP-Landtagsklubchef Kaltenegger hat sich zurecht einen Namen als jemand gemacht, der eine wohltuende Alternative zur Abzockementalität der bürgerlichen und sozialdemokratischen Parteien darstellt. Kaltenegger steht auch für einen neuen Politikstil, hat er doch die alte Forderung Lenins, dass ArbeiterInnenfunktionäre nicht mehr verdienen dürfen als einen FacharbeiterInnenlohn, Wirklichkeit werden lassen. Doch bedeutet kommunistische Politik nicht primär, als "Engel der Armen" aufzutreten und einen caritativen Wahlkampf zu führen ("Helfen statt reden") sondern, die Menschen auch bei ihrer Selbstorganisierung zu unterstützen (beispielsweise MieterInnenkomitees aufzubauen) und Arbeitskämpfe anzuleiten und zu unterstützen. Kommunistische Politik kann auch nicht sein, Rücksicht auf die Rückständigkeit von Teilen der eigenen WählerInnenbasis zu nehmen und deswegen gegen die Öffnung der Gemeindebauten für MigrantInnen aufzutreten. Denn tatsächlich sollen die Bedürftigsten billige Wohnungen bekommen, egal, welchen Reisepass sie haben.

7. Die Entwicklung in der Steiermark ist auch eine unmittelbare Antwort auf die Perspektiv- und Alternativlosigkeit der Sozialdemokratie. Wählten die meisten früher die SPÖ aus Überzeugung, sind es heute immer mehr, vor allem aus der klassischen ArbeiterInnenbasis, die "der Partei" mit einem resignierten "Was sonst?" ihre Stimme geben

8. Natürlich müssen vor allem Sozialdemokratie und Grüne auf die Entwicklung in der Steiermark reagieren. Wie wir auch in der Vergangenheit festgestellt haben, müssen Parteien solange nichts an ihrer Politik verändern, solange sie zwar "mit zugehaltener Nase", aber dennoch gewählt werden und es auch keinen relevanten Druck der eigenen Parteibasis gibt. Wenn sich jedoch auf der Wahlebene eine Alternative auftut, dann setzt das die politische Konkurrenz unter Druck.

9. Prompt haben die Wahlen in der Steiermark zu Debatten in der Sozialdemokratie und zu einer schweren Führungskrise der steirischen Grünen geführt. Auch die Bundesgrünen entdecken auf einmal ihre progressiven Wurzeln. Sind sie in der Vergangenheit immer dem Mainstream nachgelaufen, spricht Eva Glawischnigg, Stellvertreterin von Parteichef Van der Bellen nun von den linksliberalen Wurzeln der Grünen, die Wiener Spitzenkandidatin Maria Vassilakou stellt klar: "Wir sind eine linksliberale Partei und stehen allemal links der SPÖ, weil links der SPÖ ist sehr, sehr viel Platz" und meint, die Grünen seien "Teil einer Bewegung, die aus dem linken Politikspektrum entstanden ist". Wir können allerdings aufgrund aller Erfahrungen davon ausgehen, dass diese Aussagen ausschließlich dazu dienen, gewisse Zielgruppen an die Grünen zu binden, ein reales In-Frage-stellen des grünen Rucks zur Mitte wird nicht stattfinden.

10. In Wien stellt sich die Frage relevanter linker Wahlsiege nicht. Die SPÖ wird mit einem Wahlkampf, der vor allem die eigenen tatsächlichen oder vermeintlichen Erfolge herausstreicht, ohne aber irgendwelche kämpferischen Positionen gegenüber der Bundesregierung einzunehmen, ihre absolute Mehrheit ausbauen. Gleichzeitig geht der sozialdemokratische Sozialabbau (Erhöhung zahlreicher Gebühren, Zusperren der Lehrlingsbüchereien, …), sowie die sozialdemokratische Ausgliederungspolitik bei der Gemeinde Wien (z.B. Wiener Wohnen, Wiener Linien, …) im Wahlkampf unter. Die SPÖ bietet kein reales Gegenkonzept zur Politik des Bundes – kein Wunder, ist doch auch sie in der Logik der kapitalistischen "Sachzwänge" gefangen. Was diese Sachzwänge in der Realität für die arbeitende Bevölkerung bedeuten, zeigt die neoliberale Politik der deutschen und der britischen Sozialdemokratie – doch auch die Sparpakete der SPÖ in den 90ern sind nicht vergessen.

11. Auch die Wiener Grünen stellen soziale Fragen nicht in den Mittelpunkt ihrer Politik. Zwar haben die Grünen mit dem Grundeinkommen eine soziale Forderung, doch alle anderen Schwerpunkte des Wahlkampfes sind tendenziell auf fortschrittlich-bürgerliche Schichten in den Wiener Innenstadtbezirken ausgerichtet.

12. Doch auch in Wien wird es am 23.10. die Möglichkeit geben, zu zeigen, dass linke Stimmenpotentiale vorhanden sind. Die KPÖ kandidiert flächendeckend, in einigen Bereichen werden auch Listen links der KPÖ kandidieren. Auf Landesebene im Wahlkreis Zentrum (1., 4., 5., 6.) sowie auf Bezirksebene in Margareten (5. Bezirk), Favoriten (10.) und der Brigittenau (20.) kandidiert die trotzkistische SLP, in der Leopoldstadt (2.) die Liste Gegenstimmen, in Ottakring (16.) die Ottakringer Kommunisten und in Döbling (19.) die Alternative 19. Die drei letztgenannten sind von der KPÖ-Abspaltung "Kommunistische Initiative" (KI) beeinflusst.

13. Im Gegensatz zur steirischen KPÖ, die trotz ihrer Schwächen versucht hat, die soziale Situation der Menschen in den Mittelpunkt zu stellen, agiert die Wiener KPÖ allerdings völlig abgehoben. Mit inhaltsleeren Plakaten ("Diese Stadt gehört uns allen") und halblustigen Aufklebern (MP3´s downloaden ist Kommunismus) wird sie die Erfolge der steirischen KPÖ sicher nicht wiederholen können. Auch die SLP zeigt mit ihrem Hauptslogan ("Auch Wien braucht eine Linkspartei") leider Schwächen bezüglich der sozialen Frage, der Wahlslogan selbst scheint ebenfalls ein wenig unpassend – denn wir gehen doch davon aus, dass sich die Politik der SLP von derjenigen der reformistischen deutschen Linkspartei grundlegend unterscheidet. Die KI hingegen schürt in ihrem Wahlkampf Illusionen in ein unabhängiges kapitalistisches Österreich, wenn sie vorschlägt, aus der EU auszutreten. Denn ein unabhängiges kapitalistisches Östereich würde genau den gleichen Sozialabbau betreiben, dann eben mit dem Argument, nicht in der EU zu sein und daher wettbewerbsfähig bleiben zu müssen. Die EU-Austrittslosung ist daher eher eine Ablenkung von den realen Machtverhältnissen. Beiden – SLP und KI – ist allerdings zu Gute zu halten, dass sie im Gegensatz zur KPÖ eine klare Perspektive der sozialistischen Veränderung in ihrem Wahlkampf thematisieren. Insgesamt würde ein gutes Ergebnis für die verschiedenen linken Listen jedenfalls von den Spitzen von SPÖ und Grünen zurecht als Warnung verstanden werden, dass auch in Wien eine steirische Entwicklung möglich ist und die Diskussion in diesen beiden Parteien beeinflussen.

14. Wir schlagen daher in Wien vor, in den Bezirken, wo dies möglich ist und im Wahlkreis Zentrum links der KPÖ zu wählen und ansonsten der KPÖ eine Stimme zu geben. Nicht, weil wir der Meinung sind, dass diese Parteien der Weisheit letzter Schluss sind. Sondern weil wir glauben, dass es – gerade angesichts der Erfolge in der Steiermark – auch in Wien sinnvoll ist, zu zeigen, dass mit sozialen Forderungen Stimmen zu holen sind und dass eine Politik im Sinne der arbeitenden Menschen keine Utopie bleiben muss.

15. Allgemein müssen wir feststellen, dass Wahlen an sich sehr überbewertet werden. Die realen politischen Veränderungen finden auf der Straße, in den Wohnvierteln, in den Betrieben, in den Schulen, auf den Universitäten statt. Wahlen sind dabei bestenfalls ein Ausdruck dieser Veränderungen, eine Momentaufnahme, sie selbst verändern aber nichts. Tatsächliche politische Veränderung findet dann statt, wenn es gelingt, die arbeitende Bevölkerung, die Jugend und die PensionistInnen für ihre Interessen zu mobilisieren und zu organisieren.

16. Entscheidend allerdings ist daher nicht so sehr, was am 23.10.2005 passiert. Entscheidend ist, was in der Zeit zwischen den Wahlen passiert. Entscheidend ist, ob es gelingt, eine tatsächliche sozialistische Alternative aufzubauen. Die AL-Antifaschistische Linke steht für eine solche Alternative. Wir wollen dafür nicht Deine Stimme, sondern Deine Unterstützung und Deine Mitarbeit.